Wissenschaftler bauen versunkenes Römerschiff nach – aber warum?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/75FPYIR5G557YWCD6CUGB2NAD4.jpg)
Forscher der Universität und der Hochschule in Trier haben ein versunkenes römisches Handelsschiff nachgebaut und segeln damit bald auf der Mosel.
© Quelle: Pressestelle Universität Trier
Trier. Wo sonst sollten Forscher ein Schiff aus der Römerzeit nachbauen, als in der vermutlich ältesten Stadt Deutschlands. Trier, im südwestlichen Rheinland-Pfalz, bekommt neben der berühmten Porta Nigra, einem Amphitheater und diversen Thermen eine neue antike Sehenswürdigkeit. Doch das Schiff ist kein Bau fürs Museum, sondern soll künftig über die Mosel segeln.
Die Trierer Hochschulen wollen wissen, wie das römische Wirtschaftssystem funktioniert hat – und dadurch auch Erkenntnisse über die Globalisierung gewinnen. Das können die Forscher allerdings nur herausfinden, wenn sie sich in einem Experiment unter realen Bedingungen selbst auf Wasser begeben. Wie schnell konnten die römischen Schiffe fahren und welche Lasten konnten sie transportieren? Bislang mangelt es dazu an verlässlichen Daten und Dokumenten.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/NJQW64H4QLQX2PRCPJIIEQFFHA.jpg)
Die „Laurons 2“ ist ein originalgetreuer Nachbau eines römischen Segelfrachters.
© Quelle: Harald Tittel/dpa
„Wir werden zum ersten Mal Leistungsdaten eines römischen Handelsschiffs erheben“, sagt Christoph Schäfer, Projektleiter und Professor für Alte Geschichte an der Universität Trier. Muss nach der Erhebung die Geschichte des Seehandels umgeschrieben werden? „Zumindest können wir deutliche Korrekturen vornehmen und präzisieren“, meint er.
Für das Projekt wurde an der Uni Trier eigens eine Halle gebaut
Es ist nicht das erste Schiff, das Schäfer gebaut hat. Die Dimension ist jedoch eine neue: 16 Meter lang, fünf Meter breit und fast ebenso hoch ist der aus Eichen- und Kiefernholz gezimmerte Frachter. An der Universität Trier wurde für das Projekt eigens eine Halle gebaut – auf dem Parkplatz. Die Deutsche Forschungsgesellschaft und die Trierer Nikolaus-Koch-Stiftung haben den teuren Bau zwar gefördert, doch ohne freiwillige Leistung hätte es vermutlich nicht geklappt. „Die Kosten kann man deshalb kaum berechnen“, sagt Schäfer. Forscher, über 70 Studierende und andere Helfer haben in den vergangenen zwei Jahren etliche Stunden freiwilliger Arbeit geleistet.
Baupläne, an die sich die Forscher hätten halten können, gab es keine. Doch wie sah ein Segel-Frachter damals überhaupt aus? Die Vorlage lieferte das Segelschiff „Laurons 2“ aus dem 3. Jahrhundert. Das Wrack wurde in der Nähe von Marseille in den 1980er Jahren ausgegraben. Der Nachbau des versunkenen Schiffes war allerdings erst der Anfang des Projekts. Denn nun beginnt die eigentliche Forschungsarbeit.
Ein Schwertransport hat das Schiff von der Uni zum Hafen gebracht
In der Nacht zu Donnerstag hat das Schiff die temporäre römische Werft an der Universität verlassen. Ein Schwertransporter hat den Frachter in einer aufwendigen Aktion zum Hafen an der Mosel gebracht. Dort werde das Schiff nun vorsichtig gewässert, sagt Schäfer, bevor es dann nach der Schiffstaufe Anfang Juli zum Einsatz kommen könne. Zwei Jahre lang wird dann auf der Mosel getestet, um genug Daten zu sammeln.
Nun ist die Mosel nicht das Mittelmeer. Denn dort haben die Römer vor etwa 2000 Jahren ihre Waren transportiert. Die Forscher nutzen moderne Messinstrumente aus dem Jacht-Rennsport, um die Leistungsfähigkeit des Schiffes auch auf die damalige Situation übertragen zu können. Mit dem elektronischen System an Bord seien sie in der Lage, das zu dokumentieren, sagt Schäfer. „Dazu müssen wir nicht auf das Mittelmeer gehen“, sagt Schäfer.
Warum brach der britische Weinmarkt zusammen?
Auf welchem Weg wurde Öl von Südspanien nach Germanien transportiert? Warum brach der Weinmarkt in Großbritannien zusammen? All diese Fragen könnten durch das Projekt beantwortet werden, hoffen die Forscher. Aus der Archäologie wüssten sie die Antworten zwar zum Teil. Das Wie und Warum könnten sie aber nur durch die neuen Berechnungen erklären, sagt Schäfer.
Hinter der Erforschung der römischen Seefahrt steckt aber noch ein weiterer Gedanke, der auch für heutige Wirtschaftsfragen interessant ist: Wie stark war damals schon die Globalisierung ausgeprägt? „Das Römische Reich war gigantisch viel größer als die EU, und es hatte ein einheitliches Rechtssystem sowie eine einheitliche Währung – beides hat Europa nicht“, sagt Schäfer. An diesem enormen Wirtschaftssystem, könne man Globalisierungseffekte zum ersten Mal in dieser Deutlichkeit in der Geschichte beobachten.
In zwei Jahren könnte das Schiff auf dem Mittelmeer segeln
Am 5. Juli ist die Schiffstaufe mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geplant. Danach steht die erste Prüfung für den Segler auf der Mosel an. „Wenn wir noch eine Förderung bekommen, könnten wir in zwei Jahren auch aufs Mittelmeer gehen“, sagt Schäfer. Dann kann sich das Schiff bei schwerem Wetter und hohem Wellenschlag beweisen.
Lesen Sie auch:
– Aufregung um Auktion: 155 Millionen Jahre alter Dino wird in Paris versteigert
– Wissenschaftler öffnen 1000 Jahre alten Sarkophag in Mainzer Kirche
Von Sebastian Stein/RND