Wie über Covid-19 reden, ohne zu stigmatisieren?
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Wörter können Angst schüren, falsche Assoziationen wecken und diejenigen entmenschlichen, die unter der Krankheit Covid-19 leiden, betont die Weltgesundheitsorganisation.
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Diskriminierung, Stigmatisierung und rassistische Gewalt in Zusammenhang mit der Krankheit Covid-19 nehmen zu. Das beobachtet Tedros Adhanom Ghebreyesus, Direktor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mit Sorge. “Es ist entsetzlich, neue Berichte über Personen zu sehen, die aufgrund ihrer Rasse, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder angeblichen Assoziation mit Covid-19 als Zielscheibe ausgewählt werden”, schrieb er zuletzt auf Twitter.
Er bezog sich dabei beispielhaft auf einen Vorfall im Februar: Der 23-jährige Student Jonathan Mok aus Singapur soll in einer belebten Straße in London verprügelt worden sein. Bilder seines angeschwollenen Gesichts postete Mok später auf Facebook. Inzwischen wurden zwei Jugendliche festgenommen, die für die Gewalttat verantwortlich sein sollen, berichtete die BBC.
Coronavirus und Sprache: Eine unterschätzte Macht
“Wir wollen dein Coronavirus nicht in unserem Land”, sollen die Angreifer laut Mok gerufen haben. So ein Verhalten ist derzeit kein Einzelfall in Europa und der Welt. Unter dem Hashtag #JeNeSuisPasUnVirus (auf Deutsch: Ich bin kein Virus) berichteten schon im Januar Menschen in Frankreich von diskriminierender Sprache und gewaltvollem Handeln in Zusammenhang mit Covid-19. Unter #ichbinkeinVirus erzählen auch in Deutschland Betroffene von ihren Erlebnissen.
Es ist nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch die Sprache, die Angst auslöst. Davon ist Gerd Reimann von der Deutschen Psychologen Akademie (DPA) überzeugt. Er geht davon aus, dass die Coronaaufregung im Allgemeinen mit einem anderen Vokabular nicht so groß wäre. So verbreite etwa die von Politikern inflationär genutzte Floskel “Keine Panik" viel mehr Unsicherheiten als ernst zu nehmende Fakten.
Die WHO fordert dazu auf, Stigmatisierung und Diskriminierung zu beenden – in einer Zeit, in der Solidarität und Mitgefühl an erster Stelle stehen müssten. Auch sie pocht auf eine reflektierte Sprache und Kommunikation.
“Wenn über die Coronaviruskrankheit gesprochen wird, können bestimmte Wörter und Sprache eine negative Bedeutung für Menschen haben und stigmatisierende Einstellungen antreiben”, heißt es im Ende Februar veröffentlichten Leitfaden “Soziales Stigma in Zusammenhang mit Covid-19” von WHO, Unicef und IFRC.
Was ist ein soziales Stigma?
Im Kontext der Gesundheit bezeichnet ein soziales Stigma eine negative Assoziation zwischen einer Person oder einer Gruppe von Menschen, die bestimmte Merkmale und eine bestimmte Krankheit teilen. Menschen werden dann in Verbindung gebracht mit bestimmten Stereotypen, Diskriminierungen, werden anders behandelt oder erleiden wegen der Krankheit einen Statusverlust. Das wirkt sich negativ auf die Betroffenen und ihr familiäres Umfeld und ihre Bekannten aus.
Wieso entsteht Stigmatisierung in Verbindung mit dem Coronavirus?
Es ist verständlich, dass in der Öffentlichkeit Verwirrung, Angst und Furcht herrschen. Leider schüren diese Faktoren auch verletzende Stereotype.
Aus dem WHO-Leitfaden
Die WHO identifiziert drei Auslöser: Zum einen sind das Virus und die dadurch verursachte Lungenkrankheit neu und es gibt noch viele Unklarheiten zu Ursachen, Symptomen, Diagnose und Eindämmung der Infektion. Zweitens sind Menschen bei Unbekanntem oft verängstigt. Drittens sei es einfach, diese Angst mit “anderen” in Verbindung zu bringen. “Es ist verständlich, dass in der Öffentlichkeit Verwirrung, Angst und Furcht herrschen”, heißt es im Leitfaden von WHO und Unicef. “Leider schüren diese Faktoren auch verletzende Stereotype."
Stigmatisierende Sprache hat Auswirkungen auf Epidemieverlauf
Stigmatisierung kann zu einer sozialen Isolation bestimmter Gruppen führen. Vor allem bestimmte Wörter und die Wahl der Sprache spielen in der Öffentlichkeit dabei eine wichtige Rolle. Sie können Angst schüren, falsche Assoziationen wecken und diejenigen entmenschlichen, die unter der Krankheit leiden. Genau das führe dazu, dass sich das Virus vermehrt ausbreitet.
Coronavirus: Diese Maßnahmen schützen mich
Um eine zweite Ansteckungswelle in Deutschland zu vermeiden, sind einige Verhaltens- und Hygieneregeln zu beachten.
© Quelle: RND
“Dies kann zu schweren gesundheitlichen Problemen und Schwierigkeiten bei der Kontrolle eines Krankheitsausbruchs führen”, schreibt die WHO in ihrer Richtlinie. Stigmatisierung könne Menschen dazu bewegen, die Krankheit zu verbergen, um eine Diskriminierung zu vermeiden. Zudem könnten Menschen daran gehindert werden, sich sofort medizinische Hilfe zu suchen.
Praktische Beispiele: Begriffe “Fälle” und “Opfer” vermeiden
Um Epidemien wie Covid-19 besser in den Griff zu bekommen und Menschen nicht zu stigmatisieren, sollte auf bestimmte Begrifflichkeiten geachtet werden, heißt es im WHO-Leitfaden. Ein paar Beispiele:
- Verwenden Sie für das Virus den korrekten Namen: Begriffe wie das neuartige Coronavirus oder die Krankheit Covid-19. Die Begriffe “Wuhan Virus”, “Asiatisches Virus” und “Chinesisches Virus” sollten vermieden werden.
- Sprechen Sie von “Menschen, die Covid-19 haben”, “Menschen, die wegen Covid-19 behandelt werden” oder “Menschen, die nach einer Ansteckung mit Covid-19 starben”. Vermieden werden sollte ein durch Sprache hergestellter Zusammenhang von Menschen mit der Krankheit als “Covid-19-Fälle” oder “Opfer”.
- Sprechen Sie von “Menschen, die Covid-19 haben könnten”. Verzichten Sie auf “Covid-19-Verdächtige” und “Verdachtsfälle".
- Sprechen Sie von “Menschen, die an Covid-19” leiden. Vermeiden Sie es, von Menschen zu sprechen, die “andere infizieren” und “das Virus verbreiten”.
- Erzählen Sie über die Risiken von Covid-19 im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Daten und aktuellen Hinweisen von Gesundheitsbehörden. Wiederholen Sie keine unbestätigten Gerüchte und vermeiden Sie Angst verbreitende Begriffe wie “Seuche” und “Apokalypse”.
- Für die meisten Menschen ist das neuartige Coronavirus eine Krankheit, die gut überstanden werden kann. Betonen Sie die Effektivität präventiver Maßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen. Betonen Sie nicht nur negative Aspekte der Krankheit.