Wem gehört die DNA von Cannabis?

Cannabis-Pflanzen

Cannabis-Pflanzen

Portland. Dies ist eine Geschichte, die von Cannabis erzählt – und von Verrat, Misstrauen und Stolz. Sie ist ein Lehrstück über die Frage, ob die Natur irgendwem gehören darf. Und was passiert, wenn sich mit einer Pflanze plötzlich ganz legal Geld verdienen lässt. Wer besitzt eigentlich das Erbgut einer Pflanze? Kann man so etwas – eine Kette von vielen Nukleotiden, die Leben codieren – überhaupt sein Eigen nennen?

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Diese Geschichte spielt im US-Bundesstaat Oregon, in dem Cannabis erlaubt ist. Doch viele Jahre lang war auch dort der Anbau und der Vertrieb von Cannabis illegal. Trotzdem ist an den Pflanzen natürlich immer weiter herumgedoktert worden – in Hinterhöfen, in Dachgeschossen und Kellern. Mit den ursprünglichen, wilden Hanfpflanzen haben die Züchtungen mittlerweile nicht mehr viel zu tun. Doch sie sind es, die auf einmal Begehrlichkeiten wecken.

Züchtungen dokumentieren und schützen

Beth Schechter und das Open Cannabis Project hatten den Cannabisanbauern helfen wollen, ihre Züchtungen zu dokumentieren, sie zu schützen. Doch dem Projekt schlug viel Misstrauen entgegen. Lange kämpfte Schechter dagegen an. Dann war der Kampf mit einem Schlag endgültig verloren.

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Es war nicht unbedingt das Open Cannabis Project selbst, dem die Cannabiszüchter misstrauten. Es war vor allem die Firma, in der es seine Anfänge genommen hatte. Ein Unternehmen namens Phylos Bioscience. Dessen Chef war dabei gefilmt worden, wie er Investoren seine Geschäftsidee schmackhaft macht.

Sinngemäß sagt er laut „Willamette Week“, einer Wochenzeitung aus Portland, Oregon: Sein Unternehmen, das sich vorher auf Tests beschränkt hat, werde nun selbst Cannabispflanzen züchten. Das sei möglich, weil kaum jemand so gut in der Cannabisszene vernetzt sei wie Phylos und weil man Zugang zu einem einzigartigen DNA-Datenset habe.

„Früher war man der Annahme, dass genetische Ressourcen ein Erbe der Menschheit sind“

Phylos habe sich als ein Unternehmen präsentiert, das den Cannabisanbauern helfen wolle, „die Genetik der Pflanzen zu schützen, die einige von uns seit Jahren entwickeln“, sagte einer der irritierten Anbauer gegenüber der „Willamette Week“. Er und andere hatten Phylos deshalb im Laufe der Zeit Proben für Gentests geschickt.

Jetzt befürchten sie, dass Phylos diese Daten für den eigenen Profit nutzen wird. Oder noch schlimmer: um mit den großen Agrarkonzernen zusammenzuarbeiten. Phylos bestreitet das: Keine der Proben, die Anbauer ihnen gegeben hätten, würden für die eigenen Züchtungen verwendet.

„Früher war man der Annahme, dass genetische Ressourcen ein Erbe der Menschheit sind“, sagt Andreas Graner. Der Forscher vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) ist selbst Herr über Tausende Genressourcen – im übertragenen Sinne.

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Der Leiter der Genbank im Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben, Prof. Andreas Graner, kontrolliert in einem Kühlhaus Gläser mit Getreidekörnern (Foto aus dem Jahr 2008).

Der Leiter der Genbank im Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben, Prof. Andreas Graner, kontrolliert in einem Kühlhaus Gläser mit Getreidekörnern (Foto aus dem Jahr 2008).

Denn Graner leitet die Genbank des IPKs, eine der größten und ältesten Genbanken der Welt. Dort lagern allein 27 000 genetisch verschiedene Weizensorten. Kraft seines Amtes weiß Graner genau, unter welchen Umständen wer wann eine Pflanze sein Eigentum nennen darf. Denn von der Vorstellung, dass allen irgendwie alles gehört, ist man längst abgekommen.

Stattdessen gibt es, erklärt Graner, seit 1993 ein internationales Gesetzeswerk, genannt CBD (was in dem Fall für Biodiversitätskonvention steht). „Damit hat sich der rechtliche Status von genetischen Ressourcen grundlegend geändert.“ Seitdem gibt es Besitzer. Das bedeutet, dass genetische Ressourcen den Ländern gehören, in denen die Pflanzen in der Natur vorkommen oder die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der CBD Saatgut in einer Genbank gelagert hatten.

Einfach gesagt: Man darf heute nicht einfach in fremde Länder reisen und dort kostenlos Pflanzen einsammeln, die man dann weiterzüchtet. Stattdessen ist der Austausch von genetischen Ressourcen genau geregelt. Deutschland etwa gewähre Zugriff auf alles Saatgut, das in mit staatlichen Mitteln finanzierten Genbanken lagere, zum Beispiel für Forschungsarbeiten oder für die Pflanzenzüchtung, erklärt Graner.

In den USA können Züchtungen patentiert werden

Stellt ein Züchter eine neue Sorte her, kann er beim Bundessortenamt den sogenannten Sortenschutz beantragen. Solange der gültig ist, darf nur er oder ein Beauftragter die Sorte kommerziell vertreiben. In den USA, wo auch der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erlaubt ist, können Züchter entsprechende Sorten patentrechtlich schützen, erklärt Graner.

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Doch die Cannabiszüchter konnten in Zeiten des Verbots ihre Züchtungen nicht offiziell machen. Jetzt allerdings, so befürchten beispielsweise in Oregon viele, könnten etwa die großen Agrarkonzerne schnell zuschlagen und für sich beanspruchen, was nicht ihres ist.

Beth Schechter wollte die Anbauer davor schützen. Die Idee war es, dass Züchter ihre Proben einschickten und das Open Cannabis Project die Pflanzeneigenschaften öffentlich dokumentiert und so schützt. Der Plan scheiterte an verschiedenen Stellen wie etwa den mangelnden Ressourcen oder dem Widerspruch, dass man durch die Veröffentlichung die Informationen erst recht für alle zugänglich machte.

Reglementierung des Zugangs zu digitalen DNA-Daten

Das Phylos-Video war da nur der finale Todesstoß, das offizielle Ende des Open Cannabis Projects. Trotzdem hofft Schechter, dass sich noch eine Lösung für die kleinen Cannabiszüchter findet. Sie will gern weiter daran arbeiten.

In Deutschland spielt das wegen des hierzulande geltenden Cannabisverbots noch keine Rolle. Doch auch hier könnte die Frage, wem eigentlich die DNA von Pflanzen gehört, bald ganz neu beantwortet werden. Denn in Zukunft braucht es vielleicht kein Saatkorn mehr, um eine Pflanze züchterisch zu verbessern. Dann könnte allein das Wissen über die Basenreihenfolge ausreichen, um einzelne Gene zu verändern.

Schon heute gibt es daher internationale Bestrebungen, nicht nur den Austausch von Saatgut, sondern auch den Zugang zu digitalen DNA-Daten zu reglementieren. Andreas Graner hält das für keine gute Idee. Er glaubt, das könnte die Forschung an Nutzpflanzen unnötig erschweren. „In Zeiten des Klimawandels und einer stetig zunehmenden Weltbevölkerung können wir uns das nicht erlauben.“

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Von Anna Schughart/RND

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