Was sind Schwarze Löcher – und warum hat sie bisher noch niemand gesehen?
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Diese von der grafische Darstellung der NASa zeigt einen Stern, der von einem schwarzen Loch geschluckt wird und dabei einen roten Schweif aus Röntgenstrahlen hinter sich lässt.
© Quelle: M.Weiss/NASA/Chandra X-ray Observatory/AP/dpa
Brüssel. Experten erwarten am Mittwochnachmittag die Vorstellung der ersten Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Das Team des Teleskopnetzwerks Event Horizon will auf gleich sechs Pressekonferenzen (15 Uhr) rund um den Globus ein "bahnbrechendes Ergebnis" verkünden. Michael Kramer ist der Direktor das Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und an der Arbeit des Netzwerks beteiligt. Bevor er zur Pressekonferenz in Brüssel aufbrach, erzählte Kramer im Interview, welche Bedeutung ein Bild von einem Schwarzen Loch hätte – und warum es so schwierig ist, eines zu machen.
Herr Kramer, fangen wir ganz am Anfang an: Was sind Schwarze Löcher?
Ein Schwarzes Loch ist eine Konzentration von Masse. Es erzeugt eine so starke Gravitation, beziehungsweise der Raum um es herum ist so stark gekrümmt, dass selbst Licht nicht entweichen kann. Das heißt, Schwarze Löcher strahlen nicht wie Sterne, sondern sind für uns quasi unsichtbar. Sie existieren dabei in verschiedenen Größen. Manche Schwarze Löcher sind nur so groß wie einzelne Sterne, andere haben die Masse von Millionen oder gar Milliarden Sonnen – so wie das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.
Bisher hat niemand ein Schwarzes Loch gesehen. Woher wissen wir, dass es sie überhaupt gibt?
Schwarze Löcher sind eine Konsequenz der Relativitätstheorie. Auf ihre Existenz schließt man bisher indirekt. Ein sehr wichtiger Hinweis sind zum Beispiel die Sterne im Zentrum der Milchstraße: Aufgrund ihrer Bewegungen kann man davon ausgehen, dass sie sich um ein extrem massereiches, kompaktes Objekt bewegen. Weil man dieses Objekt aber nicht sieht, muss man es als Schwarzes Loch postulieren.
Auch die Messungen des Gravitationswellendetektors LIGO sind ein indirekter Beweis für die Existenz von Schwarzen Löchern. Dabei konnten die LIGO-Forscher zwei große massenreiche Objekte beobachten, die miteinander verschmolzen und ein noch massereicheres Objekt bildeten. Wenn das normale Sterne gewesen wären, hätten sie sich niemals so nahe kommen können. Also bleibt auch hier nur die Schlussfolgerung: Es müssen zwei Schwarze Löcher gewesen sein.
„Vielleicht ist es etwas ganz Exotisches“
Wenn Schwarze Löcher unsichtbar sind, wie könnte man sie dann überhaupt auf einem Bild festhalten?
Man muss dazu einen Trick anwenden. Wir wissen, dass Schwarze Löcher Masse aufsaugen und verschlingen. Gas, das von anderen Bereichen der Galaxie in das Zentrum transportiert wird, fällt in das Schwarze Loch und heizt sich dabei auf. Dabei strahlt es im Radiowellenbereich sehr hell. Auf einmal sieht man dann im Kontrast zwischen einem hellen Hintergrund und dem unsichtbaren Schwarzen Loch diesen Schatten, wie wir ihn in der Astrophysik nennen. Das Schwarze Loch erscheint umrahmt von einem hellen Ring, einem sogenannten Photonenring.
Das Besondere ist: Weil die Schwerkraft des Schwarzen Loches so groß ist, wird das Licht gekrümmt. So kann man auch Licht sehen, dass eigentlich hinter dem Schwarzen Loch ist. Um den Ring herum, der auch die Grenze des sogenannten Event Horizons darstellt, sollte dann zusätzlich noch eine etwas größere Lichtscheibe zu sehen sein. Insgesamt wäre das Licht auf der einen Seite etwas heller als auf der anderen Seite, denn ein Teil der Masse bewegt sich auf uns, der andere von uns weg. So sollte es zumindest sein, wenn unser Verständnis von der Physik richtig ist.
Ist es richtig, dass wenn die Relativitätstheorie korrekt ist, der Schatten kreisförmig sein müsste?
Im Prinzip ja.
Und wenn er das nicht ist?
Dann ist das Objekt kein Schwarzes Loch, sondern vielleicht etwas ganz Exotisches – oder wir müssen uns Gedanken über die Relativitätstheorie machen.
„An der Existenz von Schwarzen Löchern zweifelt niemand mehr“
Das heißt, eine Aufnahme würde reichen, um die Relativitätstheorie zu bestätigen oder zu widerlegen?
Nein, einerseits reicht dazu die Bildqualität der derzeitigen Messmöglichkeiten nicht. Außerdem könnten auch andere Gravitationstheorien das Bild eines kreisförmigen Schattens erklären. Um sicherzugehen, müssen wir weitere Zusatzinformationen einbeziehen. Ich bin zum Beispiel Teil eines Projekts, das versucht, sogenannte Pulsare, rotierenden Neutronensterne, in der Nähe des Schwarzen Lochs zu finden. Mit ihren Bahnbewegungen könnte man dann weitere Theorien testen. Noch haben wir das nicht geschafft, aber wir arbeiten daran.
Warum wäre das erste Bild eines Schwarzen Lochs trotzdem so wichtig?
Es ist der psychologischer Effekt: Quasi mit eigenen Augen zu sehen, dass da wirklich ein Objekt ist, das eine helle Scheibe verdunkelt, das ist einfach etwas anders, als eine indirekte Beobachtung. An der Existenz von Schwarzen Löchern zweifelt spätestens seit LIGO niemand mehr – aber es macht schon einen Unterschied, sie auch zu sehen.
Nicht wie bei „Interstellar“
Und darüber hinaus?
Bilder von Schwarzen Löchern können als Messwerkzeuge dienen. Mit Hilfe einer Aufnahme kann man die Masse eines Schwarzen Loches messen. Denn die Größe des Schattens weist indirekt auf die Größe des Schwarzen Loches hin und die wiederum skaliert direkt mit der Masse. Einfach gesagt: Wenn man die Größe des Schattens kennt, kann man so auf dessen Masse schließen. Wenn wir in Zukunft die Qualität der Aufnahmen weiter verbessern, geht das immer genauer.
Welche Art von Bildern könnte man denn von den derzeitigen Radioteleskop-Aufnahmen erwarten? Wären das am Ende krisselige Schwarz-Weiß-Bilder?
Wir könnten dabei schon unterschiedliche Helligkeiten codieren, könnten also zum Beispiel hellere Bereiche weiß machen, dunklere rot. Aber in der Tat, an die Bilder, die man vielleicht aus dem Kinofilm „Interstellar“ kennt – der übrigens physikalisch recht korrekt war – käme das nicht heran. Man muss auch sagen, dass so ein Bild ja auch nicht statisch wäre, sondern sich das Plasma um das Schwarze Loch herumbewegt. Ein Bild wäre da immer ein gemittelter Schnappschuss, zusammengesetzt aus Daten von acht verschiedenen Radioteleskopen, die ihre Aufnahmen über mehrere Tage verteilt gemacht haben.
Von Anna Schughart/RND