Vogelgrippe: Wird sie bald auch für den Menschen zur Gefahr?

Corona wird nicht der letzte pandemische Erreger sein. Davon sind Virologinnen und Virologen überzeugt. Die nächste Pandemie wird kommen – wann und wo, das ist hingegen noch völlig unklar. Genauso offen ist die Frage, welches Virus oder welches Bakterium die nächste Pandemie auslösen wird. Es gibt mehrere Krankheitserreger, die pandemisches Potenzial haben. Zum Beispiel Vogelgrippeviren. Derzeit beunruhigt Expertinnen und Experten ein Vogelgrippeausbruch auf einer spanischen Nerzfarm. Im Oktober vergangenen Jahres waren dort Tiere positiv auf das Virus H5N1 getestet worden. Ein Virus, mit dem sich bekanntlich Vögel – vor allem eng gehaltenes Geflügel in der Nutztierhaltung – infizieren. Zwar seien früher schon Infektionen bei anderen Säugetierarten wie Waschbären, Füchsen, Mardern oder Seehunden aufgetreten, sagte Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Tiergesundheit. Allerdings seien es einzelne Ereignisse gewesen, bei denen das Virus von einem Vogel auf einen Säuger gelangt sei. Das Besondere an dem Fall in Spanien ist: Das Vogelgrippevirus H5N1 scheint sich an die Nerze angepasst zu haben. Spanische Forschende sprechen in einem Bericht in „Eurosurveillance“ von einer „ungewöhnlichen Mutation“, die die Viren von allen bisher in europäischen Vogelpopulationen nachgewiesenen H5N1-Viren unterscheide. Und die „Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben könnte“. Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass sich das Vogelgrippevirus von Nerz zu Nerz übertragen hat. Zahlreiche Tiere erkrankten und verstarben. Die Ereignisse in Spanien seien „auf jeden Fall ein Warnsignal“, sagte Mettenleiter. Sie könnten ein Hinweis auf einen weiteren Anpassungsschritt des Virus sein. In der Vergangenheit hatte der Virusstamm H5N1 schon den Sprung auf den Menschen geschafft. Die Weltgesundheitsorganisation zählte seit 2003 Hunderte Erkrankungen durch die Erreger. Mehr als die Hälfte der Erkrankten starb. Die Beunruhigung der Expertinnen und Experten ist umso größer, weil gerade die größte jemals dokumentierte Vogelgrippewelle bei Vögeln grassiert. Sie erstreckt sich gleich über mehrere Erdteile. Dadurch bekomme der Erreger mehr Gelegenheiten, auf Säugetiere überzugehen, erklärte Mettenleiter. Wie und warum sich ausgerechnet die Nerze in der spanischen Pelztierfarm mit H5N1 infiziert haben, ist noch ungeklärt. Für das Virus förderlich gewesen seien auf jeden Fall die engen Haltungsbedingungen, erklärte Mettenleiter. So konnte der Erreger leicht von einem Nerz zum anderen übertragen werden. Wichtig sei es nun, weitere Tiere – sowohl Geflügel als auch Nerze – vor Infektionen zu schützen, teilte das FLI auf Anfrage des RND mit. Tom Peacock, Virologe am Imperial College in London, äußerte sich zum Fall in Spanien noch drastischer. „Das ist unglaublich besorgniserregend“, sagte er dem Magazin „Science“. Für ihn sei dies „ein klarer Mechanismus, wie eine H5-Pandemie starten“ könnte. Pandemisches Potenzial hätten Vogelgrippeviren durchaus, merkte das FLI an. So sei die Spanische Grippe, die zwischen 1918 und 1920 Millionen Tote weltweit forderte, beispielsweise von dem aviären Influenzavirus H1N1 ausgelöst worden. Bei den Virussubtypen H5 und H7 sei hingegen unklar, ob und unter welchen Umständen sie eine Pandemie auslösen könnten. Nichtsdestotrotz warnte die Deutsche Gesellschaft für Virologie auf Twitter: „Obacht bei der Vogelgrippe!“ Die Übertragung des Erregers von Nerz zu Nerz in Spanien sei ein „Alarmsignal für Virologen weltweit“, die Vogelgrippe noch genauer zu überwachen. Normalerweise bleiben Säugetiere von der Vogelgrippe verschont. Denn die Rezeptoren, an die H5N1 in den Atemwegen von Vögeln andockt, kommen bei ihnen seltener vor. Die Tiere könnten jedoch beispielsweise durch die Aufnahme von Wildvogelkot oder das Erbeuten von infizierten Tieren an der Vogelgrippe erkranken, erklärte die Virologin des Veterinärmedizinischen Forschungsinstituts Harbin in China, Hualan Chen, dem Magazin „Nature“. Wie leicht H5N1 Menschen infizieren oder sich unter ihnen verbreiten kann, ist nicht bekannt. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Hinweise auf eine bessere Übertragbarkeit des Virus auf Säugetiere und den Menschen, erklärt das FLI. Der Erreger stehe bei einer weitergehenden Anpassung an den Menschen noch vor „zahlreichen Hürden“. Infektionen bei Säugetieren und beim Menschen seien weiterhin „sehr seltene Ereignisse“, schreibt das Institut in seiner aktuellen Risikoeinschätzung zur Vogelgrippe. Wenn, handele es sich zudem meist um milde Krankheitsfälle. Dennoch mahnt das FLI, dass eine „erhöhte Wachsamkeit“ und „Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit“ angeraten seien. Seit Jahren sucht die Vogelgrippe regelmäßig Europa heim. Während der Erreger im Zusammenhang mit dem Vogelzug in der Vergangenheit hierzulande vor allem in der kalten Jahreszeit auftrat, gab es zuletzt das ganze Jahr hindurch Infektionen. Der Vogelgrippeausbruch zeigt zudem die Risiken der Nerzzucht auf. Schon das Coronavirus, das von Menschen in Nerzfarmen eingeschleppt wurde, hat sich rapide unter den Tieren verbreitet. Forscherinnen und Forscher befürchten, dass die Nerzindustrie zu einer ständigen Infektionsquelle und einem Nährboden für Virusmutationen werden könnte. RND mit Material der dpa

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„Obacht bei der Vogelgrippe!“ Wird sie bald auch für den Menschen zur Gefahr?

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