Unwetterkatastrophe, ein Faktencheck: Welchen Einfluss hat der Klimawandel?

Auch in Belgien hat es schwere Überschwemmungen gegeben. Hier: Ein Mann steuert ein Boot auf dem Hochwasser einer Straße nach heftigen Regenfällen.

Auch in Belgien hat es schwere Überschwemmungen gegeben. Hier: Ein Mann steuert ein Boot auf dem Hochwasser einer Straße nach heftigen Regenfällen.

Erst kam der Regen, dann die Überschwemmungen, Hochwasser und Zerstörungen mit für Deutschland unvergleichbarem Ausmaß. Über 100 Tote, immer noch zahlreiche als vermisst Gemeldete, zerstörte Landstriche und Gemeinden. Extremes Wetter hat die Katastrophe ausgelöst.

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Meteorologinnen und Meteorologen sprechen bei Tief „Bernd“ von einer „blockierenden Wetterlage“: Dabei setzen sich größere Hoch- und Tiefdruckgebiete über mehrere Tage fest – und können insbesondere im Sommer zu Extremen führen: also Hitzewellen, Dürren, besonders starken Niederschlägen und Unwetter. Solche Ereignisse gab es auch schon vor dem menschengemachten Klimawandel. Aber die Erderwärmung spielt bei der Intensität trotzdem eine Rolle, betonen Forschende. Sechs Fragen und Antworten dazu im Überblick:

1) Ist Tief „Bernd“ auf den Klimawandel zurückzuführen?

Studien zum aktuellen Unwetter und dem Einfluss des Klimawandels gibt es noch nicht – weil Tief „Bernd“ gerade erst über Deutschland gezogen ist. Einen direkten Zusammenhang zwischen der gegenwärtigen Lage im Westen Deutschlands und dem Klimawandel kann die Wissenschaft also nicht aufweisen. „Es ist nach wie vor sehr schwierig, Einzelereignisse kausal auf den Klimawandel zurückzuführen“, erläutert Dr. Sebastian Sippel vom Institut für Klima und Atmosphäre an der Technischen Hochschule Zürich. „Das dürfte auch für den aktuellen Starkregen gelten.“

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Allerdings kann die Forschung mittlerweile nachträglich in vielen Einzelfällen von Starkregen und auch Hitze aufzeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten solcher Ereignisse wie auch häufig die Intensität solcher Ereignisse durch den Klimawandel zunehmen. Das sei durch physikalische Gesetzmäßigkeiten und Analysen von Trends in Beobachtungsdaten vielfach belegt, betont Klimaexperte Sippel.

Schon vor mehr als zehn Jahren hat die Klimaforschung vorausgesagt, dass extreme Niederschläge mit dem Klimawandel stärker ausfallen und häufiger vorkommen werden.

Dr. Jakob Zscheischler,

Klimawissenschaftler

„Bei den extremen Niederschlägen, die wir in den letzten Tagen in Europa erleben, handelt es sich um Extremwetter, dessen Intensität sich durch den Klimawandel verstärkt und mit zunehmender Erwärmung weiter verstärken wird“, sagt auch Dr. Friederike Otto, Direktorin des Environmental Change Institute (ECI). „Das wissen wir sowohl aus der Physik als auch von Beobachtungen und Klimaprojektionen.“

Die Erkenntnis ist nicht neu. „Schon vor mehr als zehn Jahren hat die Klimaforschung vorausgesagt, dass extreme Niederschläge mit dem Klimawandel stärker ausfallen und häufiger vorkommen werden“, sagt Dr. Jakob Zscheischler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern.

2) Ist es denn speziell in Deutschland wärmer geworden?

Dass es in Deutschland immer wärmer wird, zeigen die Daten des Deutschen Wetterdienstes. Das letzte Jahrzehnt war demnach rund 1,9 Grad Celsius wärmer als die ersten Jahrzehnte (1881 bis 1910) der Aufzeichnungen. Das Tempo des Temperaturanstiegs habe in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren deutlich zugenommen. Seit den 1960er-Jahren war hierzulande jedes Jahrzehnt deutlich wärmer als das vorherige.

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3) Gibt es inzwischen häufiger Starkregen in Deutschland?

Die Häufigkeit von Starkregenereignissen mit mehr als 25 Liter Regen hat in Deutschland in den letzten 20 Jahren stetig zugenommen. Auch das zeigen Datenauswertungen des Deutschen Wetterdienstes. Der zunehmende Trend sei auch in Zukunft wahrscheinlich, sagt die Bundesbehörde.

Dass speziell in Deutschland bei höheren Temperaturen zunehmend extreme Niederschläge zu erwarten sind, haben Forschende des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung aus Karlsruhe bereits in einer im Fachmagazin „Nature“ erschienenen Studie von 2013 deutlich gemacht. Für ihre Analyse kombinierten sie große Datensätze aus Radar- und Niederschlagsmessungen mit Temperaturaufzeichnungen, Wolkenbeobachtungen und Wettervorhersagen.

Hochwasserkatastrophe: Schwere Unwetter auch in Bayern und Sachsen
Ein Stra��enschild ist am 03.06.2013 in der Altstadt von Passau (Bayern) fast vom Wasser verdeckt. Die Hochwasserlage in Passau spitzt sich weiter zu. Foto: Andreas Gebert/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Der unwetterartige Regen hört nicht auf: Am Abend treffen schwere Unwetter Teile Bayerns, die Sächsische Schweiz und Österreich.

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4) Was haben wärmere Temperaturen mit Starkregen zu tun?

„Pro ein Grad Celsius Temperaturerhöhung kann die Atmosphäre etwa 7 Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen“, erklärt Sippel. Diese durch Erwärmung zusätzliche Feuchte führe daher in der langfristigen Tendenz zu höheren Niederschlagsmengen, insbesondere bei Starkregen.

Wegen dieser physikalischen Gesetzmäßigkeiten gehen Expertinnen und Experten aus der Klimaforschung und Meteorologie davon aus, dass langfristig in den mittleren Breiten Starkregenereignisse zunehmen. Aber auch eine natürliche Variabilität bei Niederschlagsereignissen müsse berücksichtigt werden.

5) Welche Rolle spielt der Jetstream?

Meteorologische Daten zeigen, dass sich in den letzten Jahren der Jetstream abgeschwächt hat. Das ist ein Starkwindband in rund zehn Kilometern Höhe. Die Folge: Tiefdruckgebiete wie „Bernd“ bewegen sich dann häufiger nur sehr langsam fort und laden ihre Regenmengen nur über einem Gebiet ab. Auch dieses Phänomen kann mit dem Klimawandel zusammenhängen, was Forschende als plausibel erachten.

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Aber: Die Datenlage dazu ist noch nicht eindeutig. Für aussagekräftige Langzeitmessungen müssen Expertinnen und Experten zufolge noch weitere zehn Jahre verstreichen. Der abgeschwächte Jetstream führt übrigens auch dazu, dass sich Hochdruckgebiete länger festsetzen. Die Folge sind dann Dürren und Trockenheit.

6) Wird das Wetter in Zukunft extremer werden?

Der globale Trend der Temperaturerwärmung geht weiter. „Das Wetter wird also auch extremer werden“, fasst Andreas Friedrich, Sprecher und Tornadobeauftragter des Deutschen Wetterdienstes, den Forschungsstand zusammen. Es werde mehr Hitze geben, 40 Grad und mehr, mit vielen Hitzetoten, die auftreten können. Es werde Dürreperioden geben, die die Landwirtschaft und Industriezweige schwer treffen können. Wenn ein Tiefdruckgebiet kommt, das nicht unbedingt häufiger entsteht, aber wenn, dann heftiger, gebe es sehr viel Regen in kurzer Zeit.

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