Tumoren per 3-D-Druck: Sind Tierversuche in der Krebsforschung vermeidbar?
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Mikroskopische Aufnahme des 3-D-biogedruckten Glioblastommodells. Die biogedruckten Blutgefäße sind mit Endothelzellen (rot) und Perizyten (cyan) bedeckt. Die Blutgefäße sind von einem Gewebe umgeben, das aus Gliblastomzellen (blau) und den Mikroumgebungszellen des Gehirns (grün) besteht.
© Quelle: Tel Aviv University
Tel Aviv. Forscher haben einen Krebstumor samt Gefäßsystem in einem 3-D-Drucker hergestellt. Das Modell ähnelt dem Tumor eines Patienten wesentlich stärker als konventionell im Labor kultivierte Tumorzellen. Die Wissenschaftler um Ronit Satchi-Fainaro von der Universität Tel Aviv hoffen in der Fachzeitschrift „Science Advances“ zudem, dass mithilfe gedruckter Tumoren eines Tages Tierversuche in der Krebsforschung und -therapie ersetzen werden könnten.
Die Forschung am Tumormodell begann mit einer Erkenntnis zu Glioblastomen – den häufigsten Hirntumoren bei Erwachsenen: Treffen Zellen solcher Tumoren auf bestimmte Zellen des Immunsystems – sogenannte Mikroglia –, wird das Protein P-Selectin produziert. Dieses Eiweiß fanden die Wissenschaftler um Satchi-Fainaro zwar in Tumoren von Patienten, aber nicht in Glioblastom-Zellkulturen.
Tumorwachstum konnte im Modell gebremst werden
Deshalb entwickelten sie eine Methode, um Glioblastom-Zellen zusammen mit dem umliegenden Körpergewebe dreidimensional zu drucken. Mit einer Biotinte, die Zellen aus den Wänden von Blutgefäßen enthielt, druckten sie ein mehrfach verzweigtes Gefäßsystem, das durchströmt werden kann. In diesem Modell konnte das Team um Satchi-Fainaro das Wachstum des Tumors bremsen, indem es P-Selectin hemmte. Dies gelang auch im Tierversuch, aber nicht in Zellkulturen in der Petrischale.
„Dieses Experiment hat uns gezeigt, warum potenziell wirksame Medikamente selten die Klinik erreichen, nur weil sie Tests in 2-D-Modellen nicht bestehen, und umgekehrt: warum Medikamente, die im Labor als phänomenaler Erfolg gelten, in klinischen Studien letztlich scheitern“, wird Satchi-Fainaro in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. Im 3-D-Tumormodell kann demnach die Wechselwirkung zwischen Tumorzellen und Mikroglia oder anderen Zellen stattfinden, ebenso können neben Blutzellen auch Tumorzellen im Gefäßsystem zirkulieren.
Behandlungen könnten am personalisierten Modell getestet werden
Die Wissenschaftler sehen als Einsatzgebiete gedruckter Tumoren die Krebsforschung generell wie auch die personalisierte – also individuell maßgeschneiderte – Medizin: „Wenn wir eine Probe aus dem Gewebe eines Patienten zusammen mit seiner extrazellulären Matrix entnehmen, können wir aus dieser Probe 100 winzige Tumoren im 3-D-Bioprinting erstellen und viele verschiedene Medikamente in verschiedenen Kombinationen testen, um die optimale Behandlung für diesen speziellen Tumor zu finden“, sagt Satchi-Fainaro.
Erik Jung vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg begrüßt diese neue Methode: „Das ist ein interessanter Ansatz mit dem Potenzial, in Zukunft die personalisierte Medizin voranzubringen und Tierversuche zu reduzieren.“ Gerade für die personalisierte Medizin sei es wichtig, über die Genanalyse hinaus weitere Verfahren für eine individuelle Behandlung zur Verfügung zu haben. Bei Glioblastomen sei der Ansatz „eine Therapie für alle“ bisher wenig erfolgreich gewesen. Eine Einschränkung gedruckter Tumoren sei jedoch, dass womöglich nicht immer genügend Tumorgewebe für diese Methode zur Verfügung stehe.
RND/dpa