Studie: Meeresfischarten werden kleiner – Klimawandel als Ursache?
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Eine Nahaufnahme von Sardellen (Engraulis ringens). Sardellen sind Futterfische mit einer Größe von etwa 14 Zentimetern und werden fast ausschließlich zur Herstellung von Fischmehl und Fischöl verwendet. Peru ist der weltweit größte Produzent.
© Quelle: Arnaud Bertrand, IRD
Das Gebiet des Humboldtstroms vor der Westküste Perus ist ein reichhaltiger und produktiver Fischgrund, in dem heute vor allem Sardellen in großen Mengen gefangen werden. Während der letzten Warmzeit vor mehr als 110.000 Jahren, als die Welt wärmer war als heute, sah das anders aus: Damals tummelten sich vor allem kleinere Fischarten wie Grundeln in den Gewässern, wie ein internationales Forschungsteam im Fachmagazin „Science“ berichtet.
Der Klimawandel könnte die Artenzusammensetzung erneut in Richtung solch kleinerer Fischarten verschieben – mit weitreichenden Konsequenzen auch für die Ernährungssicherung des Menschen: „Diese kleinen Fischarten sind schwieriger zu ernten und weniger schmackhaft als Sardellen, was darauf hindeutet, dass unsere sich rasch erwärmende Welt eine Bedrohung für die globale Fischversorgung darstellt“, schreiben die Forschenden.
Fische passen sich sauerstoffarmer Umgebung an
Dass die Körpergröße von Fischen in sich erwärmenden Gewässern abnimmt, wird von vielen Expertinnen und Experten als eine Folge des Klimawandels erwartet. Der Grund: Wärmeres Wasser löst weniger Sauerstoff, gleichzeitig aber steigt der Sauerstoff- und Energiebedarf der Fische in wärmerer Umgebung. Kleinere Arten kommen unter diesen Bedingungen besser zurecht, weil ihr Sauerstoffbedarf vergleichsweise geringer ist als der größerer Tiere. Wie sich aber genau die Artenvielfalt mit dem Klimawandel ändern wird, ob sich mehr kleinere Arten ansiedeln oder ob die maximale Körpergröße von Arten sinken wird – darüber ist wenig bekannt.
Das Team um Renato Savatteci vom Center for Ocean and Society (CeOS) der Universität Kiel warf nun einen Blick in die Vergangenheit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Sedimente, die während der letzten Warmzeit vor etwa 130.000 bis 116.000 Jahren abgelagert wurden. Damals war das Wasser des Meeresgebiets etwa zwei Grad wärmer als heute. Sie analysierten unter anderem die in den Sedimenten abgelagerten Knochen von Fischen, vor allem die Wirbel.
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Dieses Bild zeigt mehrere Fischschuppen, die in marinen Sedimenten vor Peru gefunden wurden: Die von Sardellen (die drei Bilder in der ersten Zeile), Sardinen (die ersten Bilder in der zweiten und dritten Reihe), Seehecht (viertes Bild in der zweiten Reihe), Döbelmakrele (zweiten und dritten Bild in der zweiten Reihe), Makrele (letztes Bild in der ersten Reihe). Bilder sind nicht maßstabsgetreu.
© Quelle: Renato Salvatteci, Kiel Universi
Demnach unterschied sich die Fischgemeinschaft damals erheblich von der heutigen. Die heute dominierenden Peruanischen Sardellen (Engraulis ringens) kamen nur in geringer Zahl vor. Knapp 60 Prozent der untersuchten Wirbelknochen stammten von Grundel-ähnlichen Fischen, kleineren Arten, die an ein Überleben in sauerstoffarmer Umgebung angepasst sind. Hinweise auf ein Schrumpfen der Individuen bei größeren Arten fanden die Forscherinnen und Forscher nicht. Möglicherweise gebe es im Humboldtstrom einen umweltbedingten Kipppunkt, jenseits dessen die Sardellen nicht mehr dominanter Teil des Ökosystems sind, schreiben die Forschenden.
„Entwicklungsländer unverhältnismäßig stark betroffen“
Erste Hinweise auf entsprechende Veränderungen gibt es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge schon. Demnach sei in den vergangenen Jahrzehnten die Sauerstoffkonzentration in bestimmten Bereichen zurückgegangen, die Häufigkeit wärmeliebender Arten habe zugenommen, die Fangmengen der Sardellen seien rückläufig.
„Die Ergebnisse von Salvatteci und Mitarbeitern sind der jüngste Beweis dafür, dass eine wärmere Zukunft die ökologischen Gemeinschaften in den tropischen Ozeanen verändern wird, wovon Entwicklungsländer, in denen die Abhängigkeit von der Kleinfischerei besonders groß ist, unverhältnismäßig stark betroffen sind“, schreiben Moriaki Yasuhara und Curti Deutsch in einem „Science“-Kommentar zu der Studie.
Es sei denkbar, dass die Abwanderung bestimmter Fischarten aus den Tropen in kühlere, sauerstoffreichere Gewässer höherer Breiten einen Dominoeffekt auslöse. Die Fische könnten in Konkurrenz mit den dort heimischen Arten treten und diese wiederum weiter polwärts drängen. Dort könnte der Artenreichtum zunehmen, gleichzeitig aber wiederum heimische Arten verdrängt werden. „Im Ozean sind die stärksten Kräfte des Klimawandels vielleicht nicht so auffällig wie die Stürme und Waldbrände an Land. Doch kleine Veränderungen von Temperatur, Säuregehalt oder Sauerstoffgehalt des Meerwassers können erhebliche Auswirkungen auf die Meereslebewesen haben.“
RND/dpa/Anja Garms