Fragen und Antworten: Was passiert beim Weltklimagipfel?
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Künstler Greg Mitchell vollendet sein Wandgemälde zum Thema Klimakrise, das die brennende Erde und die Aufschrift „While you were talking“ („Während ihr geredet habt“) an der Seite der St. John's Church in Edinburgh, anlässlich der UN-Klimakonferenz in Glasgow, zeigt.
© Quelle: Jane Barlow/PA Wire/dpa
Glasgow. Den Weltklimagipfel in Schottland halten viele Menschen für die letzte Chance, den menschengemachten Klimawandel noch unter Kontrolle zu bringen. Die Veranstaltung gilt als das wichtigste UN-Klimatreffen seit Paris im Jahr 2015, als sich die Nationen auf das Ziel einigten, die globalen Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten.
Zwei Wochen lang verhandeln die Länder der Erde mit Zehntausenden von Unterhändlern und Unterhändlerinnen, Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern, Unternehmen sowie Bürgern und Bürgerinnen darüber, welche Maßnahmen sie zum Schutz des Klimas ergreifen können.
Fragen und Antworten zur Weltklimakonferenz im Überblick:
Weltklimagipfel erklärt: Warum der UN-Gipfel in Schottland so wichtig ist
Der Weltklimagipfel findet 2021 in Glasgow statt. Aber wer berät dort über was? Und bringt das am Ende überhaupt was?
© Quelle: RND
Wann und wo findet die Klimakonferenz statt?
Die 26. Weltklimakonferenz (COP26) findet vom 31. Oktober bis zum 12. November in Glasgow, Schottland, statt. Eigentlich war die COP26 schon für den November vergangenen Jahres geplant, wurde jedoch aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben. Ausrichter ist Großbritannien in Partnerschaft mit Italien. Tagungsort ist der Scottish Event Campus, das größte Ausstellungs- und Kongresszentrum des Landes.
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Blick aufs Tagungsgelände: Die COP26 wird im Scottish Events Centre (SEC) am Ufer der Clyde stattfinden.
© Quelle: Getty Images
Welche Länder nehmen an der Klimakonferenz teil?
An der Weltklimakonferenz nehmen 196 Staaten sowie die EU teil. COP26 steht dabei für „Conference of the Parties“: Gemeint ist das Treffen aller Vertragsparteien unter der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Im Grunde sind also alle Länder der Erde bei dem Treffen in Glasgow vertreten.
Welche Ziele verfolgt die UN-Klimakonferenz?
In Glasgow dreht sich alles darum, wie bis Mitte des Jahrhunderts global Netto-Nullemissionen (ein Gleichgewicht zwischen der Menge an produzierten und der Atmosphäre wieder entzogenen Emissionen) erreicht werden können. Der Plan lautet, das 1,5-Grad-Ziel in „erreichbarer Nähe“ zu halten.
Um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, muss die Welt laut Klimawissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um fast die Hälfte reduzieren. Über diese Punkte wird daher verhandelt:
- Die Staaten sollen ehrgeizigere Ziele bei der Emissionsminderung bis 2030 vorlegen und ihre Anstrengungen zur Klimarettung verstärken, etwa den Ausstieg aus der Kohle beschleunigen.
- Zudem sollen detaillierte Regeln für die Zusammenarbeit der Staaten unter Artikel 6 des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbart werden. Dieser bietet ihnen etwa die Möglichkeit, Emissionsreduktionen untereinander zu handeln.
- Ein dritter Punkt ist die Klimafinanzierung für arme Länder: Die Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und -anpassung an Staaten im Globalen Süden zu zahlen. Sie haben diese Verpflichtung jedoch nicht eingehalten. Nun soll geklärt werden, wie es mit der Klimafinanzierung ab 2025 weitergeht.
Welche Länder werden eine entscheidende Rolle spielen?
Ohne die großen Player läuft nichts: Sie werden bestimmen, ob die Welt schnell den richtigen Pfad beim Klimaschutz einschlägt.
- China und Indien treten ohne aktualisierte Klimapläne zur COP26 an. China baut nicht nur weiterhin neue Kohlekraftwerke, sondern stößt auch mehr Emissionen aus als alle anderen Länder – mehr als die USA und Deutschland zusammen –, obwohl sich das Land verpflichtet hat, bis 2060 Netto-Nullemissionen zu erreichen. Indien setzt als weltweit drittgrößter Emittent weiterhin auf Kohlestrom.
- Die USA und Europa wollen sich für Fortschritte stark machen, im US-Senat bröckelt jedoch der Rückhalt für Joe Bidens Vorhaben, ein gewaltiges Investitionspaket für Infrastruktur, Soziales und Klimaschutz zu verabschieden.
- Eine Schlüsselrolle kommt COP26-Gastgeberland Großbritannien zu, das sich zum Vorreiter der Klimawende erklärt hat. Ihre Emissionen wollen die Briten bis 2035 im Vergleich zu 1990 um 78 Prozent senken. Allerdings ist auch Atomkraft Teil des Wegs zur Klimaneutralität 2050.
Warum ist das Treffen in Glasgow so wichtig?
Die im Vorfeld des Gipfels versprochenen nationalen Klimaschutzbeiträge der Staaten haben laut einem Bericht des UN-Klimasekretariats eine Erhitzung um 2,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts zur Folge – verfehlen das Paris-Abkommen also komplett. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagt, die Welt befindet sich bei der Erderhitzung auf einem „katastrophalen Weg“.
1,5 Grad könnten laut dem Weltklimarat IPCC schon 2030 erreicht sein. Würde das aktuelle Emissionsniveau beibehalten werden, wäre das CO₂-Restbudget (die Menge an Treibhausgasen, die für das Einhalten des 1,5-Grad-Ziel noch ausgestoßen werden darf) in rund zehn Jahren „aufgebraucht“.
Kurz gesagt: Die Weltklimakonferenz 2021 in Schottland gilt als Wichtigste seit Langem zur Nachbesserung der 2015 in Paris beschlossenen Punkte.
Wer ist bei dem Gipfel alles mit dabei?
An der Weltklimakonferenz nehmen in erster Linie Regierungsdelegationen der beteiligten Länder teil, angeführt von mehr als 190 Staats- und Regierungschefs und Staats- und Regierungschefinnen. Darüber hinaus sind Vertreter und Vertreterinnen aus der Zivilgesellschaft, von NGOs und Medien dabei.
Rund um die COP26 werden Proteste von bis zu 150.000 Klimaaktivistinnen und Klimaktivisten erwartet, die parallel zu den entscheidenden Klimagesprächen auf die Straße gehen. Die Schwedin Greta Thunberg, Begründerin der Fridays-for-Future-Bewegung, nimmt ebenso daran teil wie die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer.
Auch zahlreiche Prominente haben ihr Kommen angekündigt. Von den britischen Royals werden Prinz Charles und Herzogin Camilla sowie Prinz William und Herzogin Kate erwartet. Queen Elizabeth II. hat ihre Reise nach Glasgow aus gesundheitlichen Gründen jedoch abgesagt.
Wie Corona-sicher ist die Veranstaltung?
Die anhaltende Pandemie stellt eine große Herausforderung für ein Treffen dar, an dem Vertreterinnen und Vertreter aus allen Teilen der Welt teilnehmen sollen. Selbst mit einem Jahr Verschiebung erweist sich die Situation als schwierig.
Die britische Regierung hat angeboten, allen Delegierten Impfstoffe zukommen zu lassen, die diese benötigen. Die erforderliche Quarantänezeit für Vertreter und Vertreterinnen von Ländern der „Roten Liste“ will sie von zehn auf fünf Tage halbieren. Laut offiziellen Stellen sind tägliche Corona-Tests zum Zutritt auf das COP26-Gelände nötig.
Seit wann gibt es die Weltklimakonferenz?
Die erste Klimakonferenz – der sogenannte Erdgipfel – fand 1992 in Rio de Janeiro statt. Seit 1995 tagen die Staaten der Erde jedes Jahr aufs Neue in verschiedenen Städten. Bekannte Treffen fanden zum Beispiel 1997 in Kyoto, 2009 in Kopenhagen und 2015 in Paris statt.
Die COP26 ist – wie der Name schon sagt – das 26. Treffen der Vertragsstaaten.
Wie läuft eine Klimakonferenz ab?
Während der zweiwöchigen Veranstaltung wird sich jeden Tag auf ein anderes Thema konzentriert, beginnend mit Finanzen, Energie und dann Jugend und öffentliche Teilhabe. Der Ablauf der Meetings ist in einem Zeitplan geregelt. An den ersten beiden Tagen werden verschiedene Staatsoberhäupter Erklärungen zur Notwendigkeit der Bekämpfung des Klimawandels abgeben und Vorschläge zur Emissionsbegrenzung unterbreiten. Am Ende der Konferenz soll der Weltöffentlichkeit ein Abschlusskommuniqué präsentiert werden.
Die Aktivitäten bei einer COP26 finden in zwei verschiedenen Zonen statt – der Blauen Zone und der Grüne Zone. In der Blauen Zone treffen sich die Delegierten der Länder zu formellen Verhandlungen und informellen Konsultationen.
Die Grüne Zone ist für die breite Öffentlichkeit bestimmt. Laut den Organisatoren wird es ein breites Spektrum an Veranstaltungen geben, darunter Workshops, Kunstausstellungen und Installationen sowie Präsentationen und musikalische Darbietungen.
Was wurde bei der Klimakonferenz in Paris beschlossen?
Bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris haben sich die Vertragsstaaten auf das Pariser Abkommen geeinigt, mit dem die Erderhitzung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, möglichst jedoch bei 1,5 Grad begrenzt werden soll. Das Übereinkommen von Paris wurde als großer Durchbruch gefeiert.
Die Emissionen sind seitdem allerdings weiter gestiegen, von 35,21 Gigatonnen 2015 auf 36,44 Gigatonnen im Jahr 2019 – ein Anstieg von etwa 3,5 Prozent. Seit 1992, dem ersten Weltklimagipfel, sind sie um über 60 Prozent gestiegen.
Fünf Jahre Pariser Klimaabkommen: Ambitionierte Ziele – und eine miese Bilanz
Von 1,5-°C-Ziel weit entfernt: Die Welt hält sich nicht an die Klimavorgaben von Paris. US-Präsident Donald Trump trat 2017 sogar aus dem Abkommen aus.
© Quelle: Maximilian Arnhold/RND
Warum hat man sich auf das 1,5-Grad-Ziel geeinigt?
Ein unkontrollierter Klimawandel hat weitreichende und schwerwiegende Auswirkungen auf Mensch und Natur. Die Begrenzung auf zwei Grad würde beispielsweise etwa ein Drittel der Weltbevölkerung regelmäßig großer Hitze aussetzen, was zu gesundheitlichen Problemen, Nahrungsmittelknappheit und mehr hitzebedingten Todesfällen führt.
Bei 1,5 Grad wären die Auswirkungen zwar ebenfalls ernst, aber weniger gravierend. Hitzetage wären weniger häufig, der Meeresspiegelanstieg fiele etwas geringer aus. Laut Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern gibt es ein geringeres Risiko, dass sogenannte Kipppunkte im Klimasystem überschritten werden, die den Klimawandel noch mal deutlich beschleunigen.
Dennoch bedeutet auch eine Erhitzung auf 1,5 Grad eine Verschlechterung des aktuellen Zustands: Die globale Temperatur ist seit 1850 bereits um 1,2 Grad angestiegen. Jedes weitere Zehntelgrad verschlimmert die Folgen.
Ist das Pariser Abkommen rechtlich bindend?
Einige Teile ja, andere nein. Der rechtlich bindende Charakter bezieht sich auf die nationalen Beiträge der Länder zur Emissionsminderung, die sogenannten Nationally Determinded Contributions (NDCs). Die Vertragsparteien müssen laut Artikel 4 des Pariser Abkommens innerstaatliche Minderungsmaßnahmen ergreifen, um ihren national festgelegten Beitrag zu erreichen.
Allerdings: Wie ehrgeizig diese Zusagen sind, ist Sache des jeweiligen Landes.
Die Länder müssen zudem ihre national festgelegten Beiträge alle fünf Jahre aktualisieren. Nach Paris 2015 war das also für den Gipfel in Glasgow der Fall – der auf 2021 verschoben wurde. Obwohl sie ein Jahr länger für die Einreichung Zeit hatten, haben aktuell über 70 Länder ihre NDCs noch gar nicht eingereicht.
Nach Angaben der UN werden die globalen Emissionen bis 2030 um 16 Prozent steigen, wenn die Länder der Welt keine drastischen klimapolitischen Maßnahmen ergreifen.
Welche Ziele wurden beim 25. Weltklimagipfel festgelegt?
Der vergangene Klimagipfel 2019 in Madrid (COP25) wird von der Bundesregierung als Enttäuschung gesehen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte nach Abschluss der Verhandlungen, die Ergebnisse seien leider „nicht den dringend nötigen Fortschritten beim Klimaschutz gerecht geworden“.
Die Länder hatten 2015 in Paris vereinbart, ihre Klimazusagen alle fünf Jahre zu überprüfen (siehe oben). Bis zur COP26 in Glasgow sollten demnach alle Vertragsstaaten überarbeitete Klimaschutzzusagen bis 2025 sowie eine Langfriststrategie bis 2050 vorlegen. Eigentlich sollten diese neuen, ehrgeizigeren nationale Emissionsminderungsziele in Madrid verbindlich zugesagt werden.
Länder wie China und Brasilien lehnten es jedoch ab, die Länder zu verpflichten, im nächsten Jahr bessere Zusagen zu machen. Sie argumentierten, dass dies die Entscheidung jedes Landes selbst sein sollte.
Was bringen Klimakonferenzen eigentlich?
Auch wenn Fortschritte bei der Bekämpfung der Klimakrise erzielt wurden, haben ganze 25 Treffen bisher nicht die Trendwende gebracht. Die USA sind unter dem ehemaligen US-Präsident Donald Trump zwischenzeitlich sogar aus dem Pariser Abkommen ausgetreten. An den Weltklimakonferenzen gibt es folglich viel Kritik:
- Das zentrale Problem: Beschlüsse müssen die 196 Teilnehmerstaaten und die EU einstimmig fällen, was den Konsens heftig erschwert. Richtung Minimalkompromiss.
- Menschen aus dem Globalen Süden – den in der Klimakrise am meisten bedrohten Gebieten – kommen laut Klimaaktivistinnen und - aktivisten weniger zu Wort als Vertreterinnen und Vertreter aus Ländern, die zu den Hauptverursachern der Klimakrise zählen. Ihre Regierungen sind oft auch in deutlich kleineren Delegationen auf den Konferenzen vertreten, als diejenigen der reichen Industriestaaten. Damit schwinden ihre Einflussmöglichkeiten, obwohl sie am meisten betroffen sind.
- Viele Klima- und Naturschützer sowie Klima- und Naturschützerinnen stellen zudem die Art der Treffen infrage: Nach Glasgow werden wie jedes Jahr Tausende Regierungsvertreterinnen und -vertreter klimaschädlich mit dem Flugzeug um die Welt reisen.
Gleichzeitig sind die COPs das einzige Forum, wo wirklich die ganze Welt zusammenkommt, um über den Kampf gegen den Klimawandel zu beraten. Einzelnen Ländern bleibt natürlich immer auch die Möglichkeit, selbst als gutes Beispiel voranzugehen, ihre Klimaziele zu erhöhen und sich mit anderen willigen Partnern zusammenzuschließen.
Was sind Deutschlands Klimaziele?
Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden, fünf Jahre früher als ursprünglich geplant. Der Bundestag hat dazu Mitte Juni dem von der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD vorgelegten verschärften Klimaschutzgesetz zugestimmt. Die verbindlichen Emissionsreduktionsziele (im Vergleich zu 1990) lauten:
- bis 2030: Reduktion um 65 Prozent
- bis 2035: Reduktion um 77 Prozent
- bis 2040: Reduktion um 88 Prozent
- bis 2045: Reduktion um 100 Prozent
Die Europäische Union will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Deutschland hatte sich bislang an den EU-Klimazielen orientiert und kein eigenes nationales Ziel für die Klimaneutralität bestimmt. Bis heute sind die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent gesunken.
Ob eine mögliche Ampelkoalition den Zeitpunkt der Klimaneutralität vorzieht, ist ungewiss. Der Kohleausstieg soll laut Sondierungspapier „idealerweise“ bis 2030 (statt wie ursprünglich geplant bis 2038) erfolgen.
RND/ma