Entdeckt: Fisch-Fossil als Zeuge des Weltuntergangs
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66 Millionen Jahre alter Zeuge: Fischfossil aus North Dakota, das Robert DePalma und seine Kollegen entdeckten.
© Quelle: Robert DePalma/University of Kansas/Getty
Kansas City. Der Einschlag des knapp zehn Kilometer großen Asteroiden vor rund 66 Millionen Jahren muss seinerzeit alles aber auch alles auf unserer Erde auf den Kopf gestellt haben. Mit rund 72.000 Stundenkilometern raste das Monstrum aus dem All auf die Welt zu. Die Luft vor dem Koloss, so schreibt es das renommierte Magazin „New Yorker“ in seiner aktuellen Ausgabe, war zusammengepresst und von der Urgewalt des Asteroiden erhitzt, als der beim Aufprall auf die Atmosphäre ein klaffendes Loch in die Schutzschicht des Blauen Planeten riss.
Dieser rabiate Eintritt in die Gashülle der Erde löste eine gewaltige Schockwelle aus, die mit Überschallgeschwindigkeit Richtung Boden raste – als tödliche Nachhut des Himmelskörpers. Der Einschlag des Planetoiden ins seichte Meer auf Höhe der heutigen südmexikanischen Halbinsel Yucatán erzeugte einen Krater von 29 Kilometern Tiefe und wirbelte 25 Trillionen Tonnen Geröll und Erdmassen in die Atmosphäre. Die Erdkruste reagierte wie ein Sprungtuch und wölbte sich kurz auf mehr als neun Kilometer Höhe. Die Kraft der freigesetzten Energie entsprach der von einer Milliarde Hiroshima-Bomben. Doch statt eines Atompilzes erzeugte der Aufprall eine Hahnenschwanz-artige Formation aus geschmolzener Materie, die wie ein gigantisches Tiefdruckgebiet des Todes in Form flüssigen Glases über der gesamten westlichen Hemisphäre abregnete.
Tausende Kilometer entfernt starb ein Fisch
3165 Kilometer Luftlinie von dem Ort bei der heutigen Stadt Chicxulub entfernt, an dem sich der Asteroid durch den gigantischen Aufprall pulverisierte und dessen Materie erst auf halber Strecke zum Mond zu kosmischem Staub zerfiel, starb ein Fisch. Genau genommen nicht nur einer, sondern alle, wurde doch das gesamte Leben im Umkreis von Tausenden von Kilometern ausgelöscht. Doch der eine Fisch aus der Hell Creek-Formation im US-Staat North Dakota, in dessen Kiemen flüssige Glassegmente strömten, dieser Fisch könnte der physische Nachweis jenes erdhistorischen Moments sein, als die Saurier starben und die Epoche der Kreidezeit vom Paläogen abgelöst wurde – jener geochronologischen Periode, die von vor 66 Millionen Jahren bis etwa 23,03 Millionen Jahren andauerte.
70 Prozent der Wälder auf der Erde verbrannten nach dem Einschlag, gigantische Tsunamis formten die Küsten des heutigen Golf von Mexiko neu. Monatelang verdunkelten die Trümmer des Einschlags die Sonne, die Photosynthese kam zum Erliegen. Mehr als 99,9999 Prozent sämtlicher Organismen, so der New Yorker, wurden vernichtet. Die Welt war ein vergifteter Ort und blieb es für lange Zeit. Noch heute ist eine schwarze, etwa drei Zentimeter dicke Sedimentschicht in der Erde, die sogenannte K-P-Grenze (Kreide-Paläogen-Grenze), materialisierter Zeuge der tödlichen Schicht, die damals den Planeten überzog.
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Auch der Fisch in den Badlands von North Dakota in einem Grabungsfeld namens Tanis wurde zum Opfer dieser kosmischen Katastrophe. Dass er bestens erhalten 66 Millionen Jahre überdauerte, macht ihn mit hoher Gewissheit zum Kronzeugen der Erdentwicklung. Er und seine vielen Artgenossen, die in der Hell-Creek-Formation verewigt sind, wurden offensichtlich nicht zerquetscht, sondern von der Mega-Flutwelle in einer Art Schleudergang von aufgewirbelter Erde begraben. Vor ihrem Tode inhalierten sie noch die flüssigen Glaströpfchen des Einschlags. Auch Federn, Blätter, Samen und Bernstein wurden gefunden. Innerhalb von einigen Dutzend Minuten legte die Megawelle den Weg von Yucatán nach North Dakota zurück, ein heutiger Tsunami hätte für die gut 3000 Kilometer rund 17 Stunden gebraucht.
Endlich ein Nachweis
Für Robert de Palma, einen 37-jährigen Geologie-Promovenden und Paläontologen an der Universität von Kansas, der den fossilen Nachlass des Asteroiden in North Dakota fand, seit 2004 in der Gegend forscht, und mit dem Paläontologen David Burnham jetzt eine Studie über den Fund verfasste, sind die Fossilien der zeitliche Nachweis für den Einschlag. Burnham bezeichnet die Fischfunde als, so wörtlich mit dem deutschen Begriff, "Lagerstätte" der K-P-Grenze.
Die Fische wurden so schnell eingeschlossen, dass sie dreidimensional erhalten blieben. Bisher galt die drei Meter breite Sedimentschicht in Hell Creek, die für Forscher die K-P-Grenze markiert, als fossilfrei. Man ahnte zwar, dass die Saurierpopulation auf der Erde infolge des Asteroiden-Einschlags ausgestorben sein musste – das faktische Fehlen fossiler Funde aus dieser Periode und in dieser Erdschicht ließ aber eben keinerlei wissenschaftlichen Nachweis zu. Bis jetzt.
Das Erbe unseres Planeten
„Die Leute haben immer gesagt, schon klar, dass dieser Aufprall die Dinosaurier tötete. Aber warum liegen dann hier nicht massenweise Saurier-Fossilien herum? Nun“, so sagt David Burnham, „nun haben wir Fossilien. Es sind zwar keine Saurier, aber ich bin mir sicher, dass wir die auch noch finden werden.“ Es sei genügend Material für ein halbes Jahrhundert an Forschung vorhanden.
Und de Palma ergänzt: „Es fällt mir wirklich nicht leicht, nicht komplett euphorisch bei diesem Thema zu sein. Wir haben eine Momentaufnahme einer der bedeutendsten und einschneidendsten Ereignisse vor uns, die unsere Erde jemals erlebt hat. Kein anderer Ort hat eine solche Vorgeschichte. Und dieses spezifische Ereignis hat Auswirkungen auf uns alle – auf alle Säugetiere auf der Welt. Denn hier liegt das eigentliche Erbe unseres Planeten. Nichts blieb nach dem Aufprall so wie es war. Wir wurden zum Planeten der Säugetiere, anstatt ein Planet der Saurier zu bleiben.“ Die stummen Zeugen von Hell Creek – sie sind eine nicht zu überhörende wissenschaftliche Sensation.
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