Die Wälder brennen – was tun?
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Ein Hügel in Kalifornien leuchtet unter rauchigem Himmel: “Die Feuer bestätigen unsere filmischen Albträume.”
© Quelle: Ringo H.W. Chiu/FR170512 AP/dpa
Aus der Ferne konnte Robert Pagan beobachten, wie sein Haus den Flammen zum Opfer fiel. Neun Jahre habe er daran gebaut, erzählt der 80-Jährige der “LA Times”. In nur 20 Minuten habe das Feuer es bei “lebendigem Leibe” verbrannt. “Ich stehe unter Schock”, sagt Pagan.
Seit Mitte August wüten an der US-Westküste Dutzende Feuer. Nicht nur in Kalifornien, auch in Oregon und Washington brennen Wälder. Das Feuer vernichtet Häuser, Existenzen und Menschenleben. Die brennenden Wälder sind aber auch ein weltweites Symbol. Die lodernden Flammen, der beißende Rauch, ein apokalyptischer, oranger Himmel über San Francisco – das alles setzt eine globale Katastrophe in Szene: eine Welt, die buchstäblich in Flammen steht. Was ein globaler Temperaturanstieg von einem Grad Celsius bedeutet, lässt sich schwer fassen. Doch Extremwetterereignisse wie Waldbrände, Hurrikans oder wochenlange Dürren machen den Klimawandel plötzlich greifbar.
Was kommt? Viel mehr Feuer, viel häufiger, das viel mehr Land verbrennt.
David Wallace-Wells, Wissenschaftsjournalist
Es brennt wieder und wieder
“Die Feuer bestätigen unsere filmischen Albträume”, schreibt auch der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist David Wallace-Wells in seinem bereits 2019 erschienenen Buch “Die unbewohnbare Erde”. Er bezieht sich dabei unter anderem auf die “historischen” Waldbrände 2018 in Kalifornien, bei denen rund 7900 Quadratkilometer Fläche verbrannte. Ein trauriger Rekord, der 2020 bereits eingestellt ist. Doch in seinem Buch warnt Wallace-Wells schon: “Was kommt? Viel mehr Feuer, viel häufiger, das viel mehr Land verbrennt.”
Er sollte recht behalten. Nach verheerenden Bränden im vergangenen Jahr steht der Amazonas auch 2020 an vielen Stellen in Flammen. Seit Wochen toben Brände im brasilianischen Pantanal, mehr als ein Fünftel des weltgrößten Binnenfeuchtgebiets ist bereits zerstört. In Australien bricht 2019 ein wochenlanges Feuer aus, das mehr als eine Milliarde Tiere und zahlreiche Menschen das Leben kostet. Auch Deutschland hat mit Feuern zu kämpfen: Im vergangenen Jahr gab es hierzulande 1523 Waldbrände, bilanziert das Umweltbundesamt. Betroffen war eine Fläche von 2711 Hektar – die größte seit 27 Jahren.
Der Klimawandel spielt natürlich eine Rolle
Es ist nicht leicht, genau zu bestimmen, welchen Anteil der Klimawandel an einem einzelnen Extremwetterereignis hatte. Aber vor allem ist es müßig. Ob der menschengemachte Klimawandel einen Hurrikan nun 40 Prozent oder 30 Prozent hat stärker werden lassen, mag für Experten von großem Interesse sein, “aber für alle praktischen Zwecke liefert die Debatte keine wirkliche Bedeutung oder Einsicht”, schreibt Wallace-Wells. Denn der Klimawandel spielt immer eine Rolle. So auch im Westen der USA, wo die verheerenden Waldbrände natürlich auch eine Folge der globalen Erderwärmung sind: Diese trage seit etwa 20 Jahren wesentlich dazu bei, dass Dürreflächen sowie extrem ausgetrocknete Streu und Vegetation im Westen der USA zunehmen, sagt etwa die Waldbrandexpertin Kirsten Thonicke vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) der Nachrichtenagentur dpa. Dann reichten ein kleiner Funke und extreme Winde schon aus, um Brände mit großem Zerstörungseffekt entstehen zu lassen.
Eines ist daher schon heute klar: Die Welt, wie wir sie einmal kannten, wird es so nicht mehr geben. Vereinfacht lässt sich sagen: Für uns Menschen wird es unangenehmer. Wenn immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt, “so wird diese wärmer und in der Folge verändern sich die Wetterabläufe, unter deren Bedingungen wir uns vor Hunderten oder Tausenden Jahren angesiedelt haben und an die wir bis heute gewöhnt sind”, schreibt der Wetterexperte Sven Plöger in seinem aktuellen Bestseller. Wallace-Wells hält es für unwahrscheinlich, dass die Konditionen so extrem werden, dass kein Leben auf der Erde mehr möglich ist. Aber dass ganze Regionen am Ende dieses Jahrhunderts unbewohnbar sind? Das schon, ja.
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Juniper Hills: Ein Gebäude an der Cima Mesa Road in Juniper Hills steht in Flammen, während sich das Bobcat-Feuer, angetrieben von starken Winden, immer weiter ausbreitet.
© Quelle: Allison Dinner/ZUMA Wire/dpa
Jede Region hat ihr eigenes Klimarisiko
Auf verschiedene Regionen kommen dabei verschiedene Risiken zu. Die “New York Times” hat in diesen Tagen eine eindrückliche Karte veröffentlicht. Der dazugehörige Artikel trägt den Titel: “Jeder Ort hat sein eigenes Klimarisiko. Welches ist es dort, wo du lebst?” County für County lässt sich daran ablesen, mit welchen Herausforderungen seine Bewohner zu kämpfen haben werden. So ist zum Beispiel das Risiko für Waldbrände im Shasta County in Kalifornien sehr groß und das für Wassermangel groß. Callhoun County, gelegen im texanischen Osten, muss sich unter anderem auf den Anstieg des Meeresspiegels und Hurrikans gefasst machen. Im Landesinneren der USA werden extreme Hitze und Wassermangel zum Problem.
Dass es in den betroffenen Gebieten in Kalifornien zu großen und gefährlichen Waldbränden kommen kann, ist also eigentlich bekannt. Sie sind ein alljährlich wiederkehrendes Problem. In Kalifornien mit 40 Millionen Einwohnern leben jedoch immer mehr Menschen in feuergefährdeten Regionen. Denn verschiedene Zwänge führen dazu, dass dort (immer wieder) gebaut wird: ein Staat, der gegen die große Obdachlosigkeit kämpft und dringend günstigen Wohnraum benötigt. Menschen, die nach einer Katastrophe möglichst schnell in die ihnen vertraute Umgebung zurückkehren möchten. Gute, nachvollziehbare Gründe. Es handle sich um einen “sich selbst fortsetzenden Zyklus von Waldbränden”, fasst die “New York Times” das Dilemma zusammen. Es zeigt, wie schwierig es sein kann, angemessen auf den Klimawandel zu reagieren – auch wenn man die Risiken kennt.
Auch in Deutschland wird es mehr Waldbrände geben
Risikoanalysen, Prognosen und Modelle gibt es auch für Deutschland: Gegenwärtig gehen sie, laut Plöger, grob gesagt davon aus, dass zum Beispiel die Sommer bis 2100 um 2,5 bis 3,5 Grad wärmer werden könnten, die Winter sogar bis zu vier Grad. Im Sommer wird es weniger regnen (vor allem im ohnehin trockenen Nordosten), im Winter dagegen deutlich mehr. Auch Waldbrände werden in Deutschland kein Einzelfall bleiben: “Risikountersuchungen sagen für die kommenden Jahrzehnte ein steigendes Waldbrandrisiko für Deutschland voraus. Dies liegt im Wesentlichen an erhöhten Temperaturen und rückläufigen Niederschlägen in den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmonaten”, teilt das Umweltbundesamt mit.
Das Perfide daran: Der Klimawandel begünstigt nicht nur die Feuer, die Feuer begünstigen auch den Klimawandel. “Wenn wir viele Waldbrände und damit Waldsterben erleben, wird auch weniger CO₂ gebunden”, sagt der Potsdamer Klimaforscher Fred Hattermann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Aus CO₂-Senken werden CO₂-Quellen. Doch größer als die Bedrohung durch Waldbrände, sagt Hattermann, seien im Moment die Probleme, die sich für die deutschen Wälder durch den Wassermangel oder Borkenkäfer ergeben. Probleme, die allerdings auch mit dem Klimawandel zusammenhängen.
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9. September, Mittag in San Francisco: Die Waldbrände sorgen dafür, dass es in der Stadt dunkel bleibt.
© Quelle: imago images/Xinhua
Zwei Strategien: Anpassung und Vermeidung
Es reicht daher längst nicht mehr, den Klimawandel nur bekämpfen zu wollen. Selbst wenn es der Menschheit wie durch ein Wunder gelingen würde, von heute auf morgen keinerlei Treibhausgase mehr zu emittieren, müsste man immer noch mit einer zusätzlichen Erwärmung rechnen. “Die Gewichtung zwischen Vermeidung und Anpassung liegt irgendwo zwischen der Einsicht, dass wir eine weitere Erwärmung nicht vollständig verhindern können, und der Ahnung, dass wir ausschließlich auf Anpassung zu setzen nicht bezahlen können”, schreibt Plöger.
Insgesamt ist die Infrastruktur in Deutschland nicht an den Klimawandel angepasst.
Fred Hattermann, Klimaforscher
Doch genau dabei hinkt Deutschland, laut Hattermann, hinterher: “Insgesamt ist die Infrastruktur in Deutschland nicht an den Klimawandel angepasst.” Es sei “viel verschlafen” worden und eine schnelle Anpassung zum Beispiel an die erwarteten schwereren Niederschläge sei schwierig, so der Experte. “Das ist beim Parkplatz vielleicht noch nicht so dramatisch, aber was ist mit anderer kritischer Infrastruktur?” Oder mit dem Wald – wie muss er angepasst werden?
Derzeit treffe der Klimawandel auf ramponierte Wälder, sagte der Bestsellerautor und Förster Peter Wohlleben vor einigen Tagen im Deutschlandfunk. Durch Holzeinschlag und Rodungen in den vergangenen Jahrhunderten seien die Wälder zerstückelt und Biomasse entnommen worden, sodass Wasserkreisläufe nicht mehr richtig funktionierten. “Es bräuchte alte Wälder mit viel Biomasse, mit viel Totholz, was nämlich Wasser speichert”, erklärte der Waldexperte. Räume man die Wälder dagegen auf, würden sie trockener – und somit empfindlicher für Brände.
Tatsächlich plädierten einige Wissenschaftler aus Spanien, Polen, Schweden und Deutschland bereits im Juni im Wissenschaftsmagazin “Science” dafür, das klimabedingte Massensterben der Wälder in Europa nicht durch massenhafte Neuanpflanzungen von Setzlingen verhindern zu wollen. Stattdessen sollte die Pflege des vorhandenen Bestandes im Fokus stehen. Dort, wo nachgepflanzt werden soll, lautet eine Strategie, Monokulturen durch Mischwälder zu ersetzen. Welche Bäume dem Klimawandel die Stirn bieten können, ob es vielleicht sinnvoll ist, auf exotischere Arten zu setzen, darüber zerbrechen sich Förster, Waldbesitzer und Wissenschaftler derzeit den Kopf.
Kalifornien steht womöglich das Schlimmste noch bevor
In Kalifornien plädieren Experten derweil dafür, mehr auf “gute” Feuer zu setzen. Durch die langjährige Feuerunterdrückung in den Wäldern komme es zu einer Anhäufung von brennbarem Material und schließlich zu explosiven Großfeuern, erklärt der US-Ökologe Stephen Pyne. Durch häufigeres, kontrolliertes Abbrennen von dichter Vegetation, so wie es in der Natur regelmäßig vorkommen würde, könne man den Wald ausdünnen und regenerieren, glauben Experten.
Das Thema wird Kalifornien auf jeden Fall weiter beschäftigen. Entspannung ist erst einmal nicht in Sicht. Im Gegenteil: Dem kalifornischen Staat steht das Schlimmste möglicherweise noch bevor. Gewöhnlich erreicht die Feuersaison im späten Herbst nach einem langen trockenen Sommer ihren Höhepunkt. Aber “gewöhnlich” ist in Zeiten des Klimawandels vieles nicht mehr.
Mitarbeit: David Sander
mit dpa