Kolumne „Von oben gesehen“

Bin ich bereit, das Risiko Raumfahrt einzugehen?

Eine Mission ins All ist riskant – das Sterberisiko liegt bei 1:65.

Eine Mission ins All ist riskant – das Sterberisiko liegt bei 1:65.

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Eine Mission ins All ist ungefähr genauso riskant wie eine Expedition zum Mount Everest – Sterberisiko: 1:65. Mit meiner eigenen Auswahl für die Mission „Die Astronautin“ musste ich mich der Frage stellen, ob ich bereit bin, dieses Risiko einzugehen. Besonders häufig werde ich gefragt, ob ich keine Angst vor dem Start habe – das liegt vielleicht angesichts der Tonnen von Treibstoff, die dabei gezündet werden, nahe. Niemand hat mich je nach der Landung gefragt.

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20 Jahre ist es her, dass ich im Vorübergehen auf einem Fernseher das eingeblendete Banner gelesen habe: Der Funkkontakt zum Space Shuttle Columbia ist abgebrochen. Erste Bilder der zerborstenen Raumfähre folgten bald. Wenige Minuten später klingelte das Telefon. Mein Vater: „Ich glaube, du musst kommen.“ Ich fuhr sofort zu meiner Familie, wo wir in den folgenden Tagen versuchten, zu erfassen, was nicht fassbar war: Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wurde die gesamte Crew der STS 107 wenige Minuten vor der Landung getötet. Und „Crew“ bedeutete: sieben Frauen und Männer, Mütter und Väter, sieben zerrissene Familien.

Gedenktage an Unglücke sind wichtig für die Raumfahrtgemeinde

Ich weiß noch, wie sehr mich damals die Heftigkeit meiner eigenen Trauer überrascht hat. Dass Raumfahrt kein risikoarmes Unterfangen ist, war uns allen auch vor Columbia klar. Die Bilder des Challenger-Unglücks waren selbst mir immer präsent, obwohl ich die Explosion kurz nach dem Start als damals Zweijährige gar nicht selbst gesehen hatte. Und so zitterte ich im Jahr 2000, beim Raketenstart meines Vaters, abgeschottet von Medien und unter psychologischer Betreuung, bis sein Shuttle sicher im Orbit war. Wie sorglos verfolgen wir im Gegenzug dazu seine Landung, als wir im Gras neben der Landebahn standen. Und wie schnell wurde uns wenige Jahre später durch Columbia klar: Es hätte auch unsere Familie treffen können.

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Jährlich erinnert ein Gedenktag der Nasa an die aktiv im Training, bei Start oder Landung verunglückten Menschen. Weil sich die Unglücke von Apollo 1 (27. Januar 1967), Challenger (28. Januar 1986) und Columbia (1.Februar 2003) alle innerhalb einer Woche jähren, fällt dieser Tag immer auf den letzten Donnerstag im Januar. Auch wenn diese Unglücke schon weit in der Vergangenheit liegen, ist der Gedenktag ein wichtiger Tag für die Raumfahrtgemeinde: Mit großem Respekt wird den Verstorbenen Platz in der Gegenwart eingeräumt, werden beispielsweise Flughäfen, Schulen und Straßen nach ihnen benannt. Außerdem wird darüber gesprochen, was getan werden muss, um solche Unglücke in Zukunft zu verhindern.

Fatale menschliche Fehlentscheidungen dürfen sich nicht wiederholen

Nach Columbia wurden auf einer Fläche von mehr als 5000 Quadratkilometern wochenlang mehr als 84.000 Teile der Raumfähre gesammelt. Über Jahre hinweg wurden diese Informationen ausgewertet – um zu verstehen, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Um zu entscheiden, welche Abläufe geändert werden müssen. Und um zu begreifen, welche Fehler sich nie wieder wiederholen dürfen. Denn wie auch schon bei Challenger ergab die unabhängige Untersuchung, dass technisches Versagen erst in Kombination mit menschlichen Fehlentscheidungen zu dem fatalen Unglück führen konnte.

Kleinstmögliches Risiko bei größtmöglicher Sicherheit, so lautet die Devise. Für mich ist aus vielen Gründen das verbleibende Risiko klein genug, um mich einer möglichen Mission zur Raumstation zu stellen. Trotzdem gilt: Das Bild, das mich auf meinem Weg Richtung All trägt, ist nicht der erfolgreiche Start, die Schwerelosigkeit im All – sondern die geglückte Landung.

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Insa Thiele-Eich ist Meteorologin und forscht an der Universität Bonn an den Zusammen­hängen zwischen Klimawandel und Gesundheit. Seit 2017 trainiert sie im Rahmen der Initiative „Die Astronautin“ als Wissenschaftsastronautin für eine zweiwöchige Mission auf der Internationalen Raumstation – und wäre damit die erste deutsche Frau im All. Sie ist Mitglied im Stadtrat von Königswinter für die Königswinterer Wählerinitiative. Hier schreibt sie alle zwei Wochen über Raumfahrt, den Klimawandel und die faszinierende Welt der Wissenschaft.

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