Das müssen Sie zur Nitrat-Debatte wissen

Düngen mit Gülle – wie hier auf dem 1055 Meter hohen Auerberg in Bayern vor dem Panorama der Alpen – sorgt für erhöhte Nitratwerte im Boden und somit später im Wasser.

Düngen mit Gülle – wie hier auf dem 1055 Meter hohen Auerberg in Bayern vor dem Panorama der Alpen – sorgt für erhöhte Nitratwerte im Boden und somit später im Wasser.

Was ist Nitrat?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nitrate sind Salze der Salpetersäure (HNO3) und sehr gut in Wasser löslich. Als Mineraldünger werden sie in der Landwirtschaft in Form von Kalium-, Kalzium-, Natrium- oder Ammoniumnitrat verwendet. In Böden und Gewässern können auch organische Stickstoffverbindungen durch biologische Prozesse in Ammonium (NH4+) umgewandelt werden, das dann durch Bodenbakterien unter Anwesenheit von Sauerstoff (aerob) in einem mehrstufigen Prozess zu Nitrat oxidiert (Nitrifikation) wird. Organische Stickstoffverbindungen sind u.a. in Wirtschaftsdünger (Gülle) enthalten. Nitrat wird von den Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen.

Lesen Sie auch: Letzte Gnadenfrist für Deutschland bei zu hohen Nitratwerten im Grundwasser

Welche Grenzwerte gibt es für Nitrat?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die in der EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG für Grundwasser europaweit einheitlich festgelegte Qualitätsnorm von 50 mg Nitrat je Liter wurde in der deutschen Grundwasserverordnung als Schwellenwert in derselben Höhe (50 mg Nitrat je Liter) verankert. Die EU-Trinkwasserrichtlinie sieht einen Qualitätsstandard von ebenfalls 50 mg Nitrat je Liter vor. Diesen Wert hat die deutsche Trinkwasserverordnung als Grenzwert in die Liste der chemischen Parameter übernommen. Das Gesundheitsamt darf nach Trinkwasserverordnung Abweichungen vom Grenzwert vorübergehend zulassen, sofern sie gesundheitlich unbedenklich sind, ein einwandfreies Wasser anderweitig nicht verfügbar ist und der Wasserversorger einen Sanierungsplan vorlegt. Falls die zugelassene Abweichung für bestimmte Bevölkerungsgruppen doch eine besondere Gesundheitsgefahr bedeuten könnte, stellt das Gesundheitsamt sicher, dass diese informiert und gegebenenfalls auf zusätzliche Schutzmaßnahmen hingewiesen werden.

Lesen Sie auch: Forscher düngen genau nach Bedarf – und verhindern Nitrat im Grundwasser

Was ist der Unterschied zwischen Trinkwasser, Rohwasser und Grundwasser?

Trinkwasser ist Wasser für den menschlichen Gebrauch. Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, es kann nicht ersetzt werden. Laut den Definitionen der EU-Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG und der deutschen Trinkwasserverordnung ist darunter alles Wasser zu verstehen, das zum Trinken, zum Kochen, zur Zubereitung von Speisen und Getränken oder insbesondere zu den folgenden anderen häuslichen Zwecken bestimmt ist. Rohwasser ist das Wasser, das einem Gewässer zur Nutzung als Trinkwasser entnommen wird. In den Fällen, in denen das gewonnene Wasser nicht die erforderliche Güte besitzt, muss es zu Trinkwasser aufbereitet werden. Grundwasser ist Teil des Wasserkreislaufs. Es stammt ganz überwiegend aus Regenwasser, das durch den Boden und den Untergrund bis in die Grundwasserleiter sickert. Oberflächennahe Grundwasservorkommen versorgen Pflanzen mit Wasser und bilden wertvolle Feuchtbiotope. Das Grundwasser tritt in Quellen zu Tage und speist Bäche und Flüsse. Gerade in den regenarmen Zeiten des Jahres stammt ein großer Teil des Wassers in unseren Flüssen aus dem Grundwasser. Qualität und Menge des Grundwassers beeinflussen damit auch die Oberflächengewässer. Die Trinkwasserversorgung wird in Deutschland zu fast 70 % aus Grund- und Quellwasser gedeckt. Etwa 30% des Trinkwassers werden aus Oberflächengewässern, d.h. aus See- und Talsperren, entnommen oder über Grundwasseranreicherung und Uferfiltration gewonnen.

Kann ich Trinkwasser noch bedenkenlos konsumieren?

Ja, unbedingt: Trinkwasser ist das bestüberwachte Lebensmittel. Seine Qualität ist durchweg sehr gut bis gut. Das gilt auch für die praktisch flächendeckende Einhaltung des Grenzwertes für Nitrat. Der Grenzwert von Nitrat in Höhe von 50 mg Nitrat je Liter erklärt sich dadurch, dass Säuglinge, die jünger als drei bis sechs Monate sind, ein weniger saures Magenmilieu haben als ältere Kinder. Dadurch kommt es zu einer Besiedlung mit anderen Bakterien als bei Erwachsenen, was wiederum zu einer Reduktion des Nitrates zu Nitrit führen kann. Gelangt das Nitrit ins Blut wird der Blutfarbstoff Hämoglobin zu Methämoglobin oxidiert. Methämoglobin kann keinen Sauerstoff binden, es kommt folglich zu einer reduzierten Sauerstoffaufnahme. Dieser Effekt ist als Säuglingszyanose oder „blue infant syndrome“ bekannt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Darf man Leitungswasser trinken? Stiftung Warentest zur Wasserqualität in Deutschland

Wie haben sich die Stickstoffüberschüsse entwickelt und woher stammen diese?

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kann synthetischer Stickstoffdünger industriell in einigen Regionen massiv ausgebaut werden. Gerade dort kommt es zu erheblichen Nährstoffüberschüssen. Jauche, Gülle, Mist oder Gärreste aus Biogasanlagen werden meist vor Ort ausgebracht, können aber nicht vollständig von den angebauten Pflanzen aufgenommen werden. Der überschüssige Stickstoff verbleibt nur zum Teil im Boden und wird zum größeren Teil als Nitrat mit dem Niederschlagswasser in das Grundwasser transportiert oder entweicht als Ammoniak, Stickstoff und Lachgas in die Atmosphäre.

Lesen Sie auch: Gülle-Regeln für Bauern: Klöckner erhöht Druck auf Länder

Warum werden auch in Gebieten ohne oder nur mit geringer Viehhaltung zum Teil die Schwellenwerte für Nitrat im Grundwasser überschritten?

Die Nitratbelastung des Grundwassers wird neben den durch hohen Tierbesatz hervorgerufenen Nitrateinträgen auch durch die Art der angebauten Pflanzen beeinflusst. Bestimmten Sonderkulturen (Gemüse wie Spargel, Brokoli, Salat, etc.) wird noch kurz vor der Ernte Stickstoff zugeführt, der aber von der Pflanze nur noch in geringem Maße verwertet werden kann und somit zu großen Teilen im Boden verbleibt und dann in das Grundwasser gelangt. Zudem spielen auch standörtliche Gegebenheiten eine Rolle. So sind folgende Faktoren ungünstig für den Nitrateintrag: geringe Grundwasserneubildungsrate, sehr geringe Grundwasserfließgeschwindigkeit verbunden mit einer sehr geringen Grundwasseraustauschrate, ungünstige Schutzfunktion der Deckschichten, geringe Grundwasserflurabstände, geringes Nitratrückhaltevermögen des Bodens und ein hohes Stickstoffmineralisationspotential.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Lesen Sie auch: Landwirte warnen vor strengeren Düngeregeln

Was steht im Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Deutschland zur Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie?

Das Urteil in der Rechtssache C-543/16 erging am 21.06.2018. Streitgegenstand war die Nicht-Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie 91/676/EWG durch Deutschland. In dem Urteil folgte der EuGH in allen gerügten Punkten der Auffassung der Kommission. Demnach hat Deutschland gegen die Nitratrichtlinie verstoßen, indem keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen wurden, um das unzureichende deutsche Aktionsprogramm (in Form der Düngeverordnung) zu überarbeiten. Das Urteil des EuGH ist in allen Punkten nachvollziehbar und gut begründet. Die erheblichen Mängel des alten Aktionsprogramms wurden mit der in 2017 überarbeiteten Düngegesetzgebung zum Teil behoben. Die Forderungen der Kommission sind aber nicht komplett umgesetzt und bei fünf von sechs Teilen der Rüge 2 gibt es nach wie vor Defizite. RND/dk

Mehr aus Wissen

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken