Asiatische Hornisse: der neue Feind der Honigbiene – oder nur ein Missverständnis?
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Die Asiatische Hornisse ist vielen Imkerinnen und Imkern ein Dorn im Auge. Denn sie frisst Honigbienen.
© Quelle: RND-Illustration/Patan, Fotos: Pixabay, IMAGO
Rolf Witt ist verärgert – und das hat mit einem kleinen Insekt zu tun: der Asiatischen Hornisse. Sein Unmut richtet sich jedoch nicht gegen das Tier selbst, sondern gegen die Reaktionen, die es bei vielen Menschen auslöst. „Meiner Meinung nach werden übertriebene, unsachliche Behauptungen über die Hornisse in die Welt gesetzt und zu viel Panik geschürt“, sagt der Biologe. Er spielt auf Warnungen von Imkerverbänden an, die die Hornisse als neuen Feind der Honigbiene bezeichnen, als gefährliche invasive Art, die ihre Bienenvölker vernichtet. „Die Asiatische Hornisse ist nicht die Art, die unseren Honigbienen zu schaffen macht“, stellt Witt klar, „sondern das ist eher das geringe Blütenangebot, die Umweltgifte und so weiter.“
Doch wie kam es zu diesem Missverständnis?
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Wieso der Klimawandel der Hornisse hilft
Die Vespa velutina, so der lateinische Name der Asiatischen Hornisse, stammt eigentlich aus Südostasien. Unbemerkt findet sie ihren Weg nach Europa, vermutlich mithilfe asiatischer Importwaren in Schiffscontainern. Das erste Mal entdeckt wird sie 2004 in der Nähe der französischen Stadt Bordeaux. Innerhalb kurzer Zeit schafft sie es, sich über weite Teile Frankreichs zu verbreiten und erreicht schließlich auch andere Länder wie Belgien, Spanien, die Niederlande oder Italien.
In Deutschland gelingt der erste Nachweis der Hornissenart 2014 in der baden-württembergischen Stadt Waghäusel, etwa 22 Kilometer Luftlinie von Heidelberg entfernt. Von dort aus verbreitet sie sich in benachbarte Bundesländer wie Hessen und Bayern; inzwischen lebt sogar eine Inselpopulation in Hamburg. Genaue Zahlen, wie groß die Beständen hierzulande sind, gibt es nicht, unter anderem weil die Hornisse ihre Nester hoch oben in den Bäumen baut, versteckt im dichten Blätterwerk, wo sie nur schwer zu finden sind.
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Erst wenn die Bäume ihre Blätter verlieren, kommen die Nester der Asiatischen Hornisse zum Vorschein.
© Quelle: DLR-WO/FBI Mayen/dpa
In die Karten spielt der Asiatischen Hornisse bei ihrer Ausbreitung der Klimawandel. Dadurch, dass es selbst im globalen Norden immer wärmer und die Winter dort immer milder werden, findet die Hornisse mehr Lebensräume. Studien wie die des Muséums National d‘Histoire Naturelle in Paris prognostizieren, dass die Insekten in naher Zukunft sogar in skandinavische Länder vordringen könnten. Witt ist überzeugt: „Auch ohne Klimawandel würde die Art zumindest in Teilen Süddeutschlands vorkommen.“
Asiatische Hornisse ist in Europa vogelfrei
Dass sich die Asiatische Hornisse so schnell und stark in Europa verbreitet hat, hat dazu geführt, dass sie seit 2016 auf der Unionsliste steht. Dort benennt die Europäische Union alle Tier- und Pflanzenarten, die mit ihrer Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme beeinträchtigen und so der biologischen Vielfalt schaden können.
Und mit dieser Aufnahme auf der Unionsliste hat nach Ansicht von Otto Boecking das „Dilemma“, wie er es nennt, seinen Lauf genommen. Denn ist eine Art als invasiv eingestuft, sind die Staaten verpflichtet, sie in einem frühen Verbreitungsstadium zu bekämpfen. Ist eine flächendeckende Bekämpfung nicht mehr möglich, sieht die Verordnung Managementmaßnahmen vor.
„Wenn man die Asiatische Hornisse schon bekämpft, dann doch bitte mit Sinn und Verstand“, fordert der Wissenschaftler des Laves-Instituts für Bienenkunde in Celle. Das bedeutet zum Beispiel, keine Fallen aufzustellen. Denn der Beifang an anderen, teils seltenen Arten sei so groß, dass man damit einen viel größeren Schaden anrichte, erklärt Boecking. Daten aus Frankreich hätten ohnehin gezeigt, dass die Beseitigungsmaßnahmen keinen Einfluss auf die Verbreitung der Hornisse haben.
In Frankreich wird die Asiatische Hornisse massiv bekämpft. Laut Boecking investiere das Land jedes Jahr mehrere Millionen Euro, um die Insekten zu beseitigen. Breitet sich die Hornissenart so aus wie prognostiziert, könnten ähnliche Ausgaben auch auf Deutschland zukommen. „Die Frage ist doch, ob man Maßnahmen ergreift und dafür Geld verwendet, das für andere Naturschutzmaßnahmen dann fehlt, und am Ende hat es gar keinen Effekt“, gibt der Bienenexperte zu bedenken.
Hornisse ist ein Allesfresser
Hornissenexperte Witt hält die allgemeine Bekämpfung der Asiatischen Hornisse für ein Vorgehen, „bei dem das ökologische Grundverständnis fehlt“. So sei es etwa „völlig sinnfrei“, in den Wintermonaten verwaiste Nester aufwendig aus den Bäumen zu entfernen. Zumal von der Hornisse kein erhöhtes Gefahrenpotenzial für den Menschen ausgehe. „Harmlos ist sie nicht“, sagt Witt, „aber das ist eine Honigbiene auch nicht.“ Wer nicht allergisch auf Insektenstiche reagiert, empfindet den Stich der Asiatischen Hornisse genauso schmerzvoll wie den der Europäischen Hornisse.
Was unterscheidet die Asiatische von der Europäischen Hornisse?
Optisch sind beide Hornissenarten nur schwer voneinander zu unterscheiden, auch wenn es farbliche Unterschiede gibt. So ist der Körper der Asiatischen Hornisse überwiegend schwarz, ihre Beine gelb, was ihr im Englischen den Namen „yellow-legged hornet" einbrachte (auf Deutsch: „gelbbeinige Hornisse"). Ihr Hinterleib und ihr Kopfschild sind orange bis gelblich. Die Europäische Hornisse, die geringfügig größer ist, hat wiederum eine rotbraune Grundfärbung des Kopfes, der Brust und Beine. Ihr Hinterleib ist schwarz-gelb. Unterschiede gibt es auch bei ihren Nestern: Die Asiatische Hornisse baut größere Nester (bis zu 100 Zentimeter) mit mehr Waben (vier bis zehn Stück), schreibt das bayrische LWG-Institut für Bienenkunde und Imkerei. Außerdem bevorzugt die Hornissenart für ihren Nestbau hohe Bäume und fliegt seitlich in ihr Nest hinein. Die Europäische Hornisse baut ihre Nester (bis 60 Zentimeter groß mit fünf bis acht Waben) hingegen bevorzugt in geschützten Höhlen und mit einem Flugloch an der Unterseite. Der größte Unterschied zwischen beiden Arten ist jedoch ihr Schutzstatus: Während die Asiatische Hornisse in Europa stark verbreitet ist, gilt die Europäische Hornisse laut Nabu mittlerweile als bedrohte Art.
Und auch die Honigbienen bringt die Hornisse nach Einschätzung der Experten nicht zum Aussterben. „Ja, die Asiatische Hornisse kann eine gewisse Bedrohung darstellen“, sagt Boecking, „aber wir wissen auch, dass starke Völker mit ihr klarkommen.“ Geschwächte Völker haben es hingegen schwerer, sich gegen die Hornisse zu verteidigen. „Die Hornisse verhält sich opportunistisch – das heißt, sie nimmt das, was am meisten vorkommt.“ In städtischen Gebieten, wo vermehrt Bienenstöcke zu finden sind, frisst die Asiatische Hornisse folglich mehr Bienen, dort, wo kaum Honigbienen leben, entsprechend weniger. „Man kann nicht sagen, sie ernährt sich ausschließlich von Honigbienen“, stellt Boecking klar. „Das ist regelrecht Blödsinn.“ Auf ihrer Speisekarte stehen auch Fliegen und Mücken, Käfer oder Wespen.
Grund dafür, warum die Asiatische Hornisse Honigbienen jagt, ist auch, dass sie eine leichte Beute darstellen. Die Honigbienen nähern sich langsam wie Hubschrauber ihren Bienenstöcken. Das macht es für die Hornisse, die ein talentierter Flugkünstler ist, leichter, sie rechtzeitig im Flug zu erwischen. „Ich sage immer: Die kann noch einen Salto rückwärts machen und schnappt sich dabei eine Honigbiene weg“, sagt Witt. Er räumt ein, dass die Asiatische Hornisse durchaus für geringe Verluste gerade bei schwachen Bienenvölkern sorgen kann, allerdings fresse auch die Europäische Hornisse Honigbienen – und die wird nicht als invasive Art eingestuft, sondern ist gesetzlich geschützt.
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Honigbienen sitzen auf einer Brutwabe aus einem Bienenstock: Die Bienen sind für die Asiatische Hornisse ein gefundenes Fressen.
© Quelle: Robert Michael/dpa
Wäre die Asiatische Hornisse nicht als invasive Art eingestuft und eine Bekämpfung damit nicht verpflichtend, müssten Imkerinnen und Imker die Tiere eigentlich gar nicht töten, um ihre Honigbienenvölker zu schützen. Sie könnten stattdessen „Vergrämungsmaßnahmen“, so nennt es Witt, anwenden. Hier gibt es verschiedene Optionen: Zum Beispiel könnten Lochbleche vor den Eingang des Bienenstocks montiert werden. Die Löcher darin sind so groß, dass gerade einmal die Bienen durchpassen, während die Hornissen zu groß dafür sind. Oder mit Zweigen und Büschen vor dem Flugbrett am Bienenstock kann die Jagd der Hornisse behindert werden. „Die Imkerschaft ist gefragt, da entsprechende spezifische Methoden zu entwickeln und Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Witt.
Klar ist jedoch: Egal, welche Maßnahmen gegen die Hornissenart eingesetzt werden, vollständig vertreiben lässt sie sich nicht mehr. „Man muss damit leben, dass sie da ist“, sagt Bienenexperte Boecking unumwunden. „Sie ist gekommen, um zu bleiben.“