Erste Unternehmen ziehen Konsequenzen

Imageschaden statt Werbeeffekt: wie die Fußball-WM für Sponsoren zum Problem wird

Die WM in Katar beginnt bald, für Sponsoren wird das Turnier zum Balanceakt.

Die WM in Katar beginnt bald, für Sponsoren wird das Turnier zum Balanceakt.

München. In der Vergangenheit waren sportliche Großereignisse wie die am Sonntag beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Katar nicht nur für Fans, sondern auch für die Wirtschaft ein Fest. Bereitwillig machten Unternehmen Millionen für das Sponsoring der Events locker, in der Hoffnung, dass von dem Glanz der Veranstaltung und der Sportler etwas auf sie abstrahlt.

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Inzwischen allerdings haben sich – durch die Weltmeisterschaften in Russland und Katar sowie die Vergabe der Olympischen Winterspiele an China – die Vorzeichen verändert. Immer lauter wird die Kritik an Veranstalterländern und Sportverbänden. Frust und Ärger sind inzwischen so groß, dass sie negativ auf die Sponsoren abfärben. Statt eines Werbeeffekts droht ein Imageschaden – den die Unternehmen dann auch noch selbst bezahlt hätten.

WM für Sponsoren ein „Dilemma und Balanceakt“

„Für die Sponsoren der Fußball-Weltmeisterschaft ist das ein Dilemma und Balanceakt“, sagt der Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln, Jürgen Mittag. „Es ist diesmal nicht leicht, die Projektionsfläche der WM als Werbebühne zu nutzen, ohne in ein Negativszenario zu geraten“, so der Experte. Zwar habe es auch in der Vergangenheit immer Kritik an dem Turnier gegeben, räumt Mittag ein. „Aber so massiv wie diesmal war es noch nie.“

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Rund jeder zweite Deutsche will die WM aus Protest nicht im Fernsehen anschauen, sagen Umfragen. Auch der Trikotverkauf läuft schleppend. Exakte Absatzzahlen für DFB-Fanartikel und das Deutschland-Trikot habe er zwar noch nicht, sagt Stefan Herzog als Präsident des Verbands Deutscher Sportfachhandel. „Aber es ist bislang nicht ansatzweise die Hälfte dessen, was sonst bei Großereignissen dieser Art im Handel verkauft wird.“

Absatz von Fanartikeln stockt: „Nicht ansatzweise die Hälfte“ dessen, was sonst verkauft wird

Auch Verkäufer von TV-Geräten klagen über ausbleibende Geschäfte. Ersteht sonst gut jeder Zehnte bei sportlichen Großereignissen einen neuen Fernseher, sind es diesmal nur karge 3 Prozent, bedauert der heimische Verband für Konsumelektronik gfu.

Vor WM in Katar: Sportevent umstritten wie nie zuvor

Über die WM in Katar wird in Deutschland gestritten wie selten über ein Sportgroßereignis. Um den richtigen Umgang ringt auch die Bundesregierung.

Die eindeutigen Signale der Verbraucher setzen die WM-Sponsoren unter Zugzwang. Zumal auch Menschenrechtsorganisationen den Druck erhöhen. Amnesty International und andere haben bereits im Juli von 14 Unternehmenspartnern und WM-Sponsoren des Weltfußballverbands Fifa verlangt, sich für Arbeitsmigranten in Katar einzusetzen.

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Sie sollen gegenüber Fifa und Katar darauf dringen, dass Menschenrechtsverletzungen beendet werden. Außerdem sollten Sponsoren ihre finanzielle Macht nutzen, um Fifa und katarische Regierung zur Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Hinterbliebene der auf den WM-Baustellen gestorbenen Arbeiter zu bewegen.

Im Heimatland von Sardar Azmoun wird protestiert. Er selbst tritt mit der Nationalmannschaft bei der WM in Katar an.

Wie die regimekritischen Proteste in der Heimat die iranische Nationalmannschaft erreichen

Die andauernden Proteste im Iran strahlen auch nach Katar ab, wo die iranische Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft antritt. Die Demonstranten teilen ihre Botschaften über die sozialen Medien. Auch der für den Turnierkader nominierte Leverkusen-Profi Sardar Azmoun solidarisiert sich mit dem Protest.

Mit Adidas, Coca-Cola, McDonald‘s und dem Brauriesen Inbev/Budweiser haben vier Unternehmen geantwortet und Engagement zugesagt. Amnesty begrüßt das. „Viel verbessert hat sich aber bislang nicht“, bedauert May Romanos als Nahost-Expertin der Menschenrechtsorganisation mit Blick auf Fifa und Katar. Die anderen aufgeforderten Konzerne, darunter alle neun aus Asien wie Hyundai-Kia, Hisense, Vivo oder Byju‘s, hüllen sich bis heute in Schweigen.

Sportpolitikprofessor Mittag sieht dennoch eine positive Entwicklung. Vor zehn Jahren hätten Sponsoren gesellschaftliche Kritik noch geschlossen ignoriert. Heute seien zumindest einige aufgewacht. „Die Sensibilität der Unternehmen wird größer“, beobachtet der Experte.

Werbung und Sponsoring werden zum Eiertanz

Typisch dafür sei ein aktueller Werbespot des Versicherers Ergo. Der blendet Katar als Veranstalterland völlig aus und fokussiert ausschließlich auf die deutsche Elf, indem auf amüsante Weise der deutsche Kader vorgestellt wird. Das Versicherungsunternehmen betont, kein Sponsor der Fifa zu sein, sondern einer des Deutschen Fußball-Bunds. „Ergo begrüßt die kritische Debatte zur Menschenrechtssituation im Gastgeberland, zum Vergabeverfahren und zur Nachhaltigkeit des Wettbewerbs ganz ausdrücklich“, erklärt ein Sprecher.

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WM-Sponsor Adidas wiederum betont, nicht an der Turniervergabe beteiligt gewesen zu sein. Zwar hofft das Unternehmen aus Herzogenaurach auf 400 Millionen Euro Extraumsatz durch die WM, was eine Steigerung im Vergleich zu dem Turnier vor vier Jahren in Russland wäre. Der Verkaufsschlager in diesem Jahr ist aber nicht das Trikot der DFB-Elf, sondern das von Mexiko.

Milliardengewinne und Mindestlohn

Katar gilt als eines der reichsten Länder der Erde mit einem Prokopf-Einkommen, das um mehr als die Hälfte über dem in Deutschland liegt. Aber nicht einmal der katarische Mindestlohn von umgerechnet 247 Euro monatlich wird dort an Arbeitsmigranten verlässlich ausgezahlt, rügt unter anderem die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Ihnen sei es auch gesetzlich verboten, Gewerkschaften zu gründen. Dem stellen die Menschenrechtler folgende Berechnungen gegenüber. Katar habe mehr als 200 Milliarden Euro für die WM ausgegeben. Die Fifa als Weltfußballverband werde an ihr mindestens sechs Milliarden Euro verdienen. Bislang vergeblich fordert Amnesty zugleich einen Entschädigungsfonds für Arbeitsmigranten im Volumen von 440 Millionen Euro.

Man sei daran beteiligt gewesen, dass die Internationale Arbeitsorganisation ILO in Katar eine lokale Niederlassung eröffnet und Katar einen Mindestlohn eingeführt hat, sagt der Sportartikelhersteller zum eigenen Engagement. Zudem unterstütze man die Schaffung eines Entschädigungsfonds für Arbeitsmigranten.

Die Positionierung von Adidas ist deutlich – aber nichts im Vergleich zu der des dänische Sportartikelherstellers Hummel. Der Ausrüster der dänischen Elf hat sein Firmenlogo in der gleichen Farbe gehalten wie das Fußballertrikot, was es kaum erkennbar macht. „Wir wollen nicht sichtbar sein bei einem Turnier, das Tausende Menschen das Leben gekostet hat“, schreibt Hummel in einem Post auf Instagram. Man unterstütze das dänische Team, aber nicht Katar als Ausrichterland.

„Hummel ist ein Vorreiter“, findet der Kölner Wissenschaftler Mittag. Überhaupt gingen Nord- und Zentraleuropäer voran, wenn es um klare Haltung gegenüber Staaten wie Katar geht. Der Rest laufe nur hinterher – und abseits westlicher Staaten nicht einmal das.

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