Was Sie über die Thomas-Cook-Pleite wissen müssen
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Statt Selfie im Urlaub nur ein Schnappschuss von der Anzeigetafel: Die Thomas-Cook-Insolvenz würfelt die Reisepläne und die Reisebranche durcheinander.
© Quelle: Alastair Grant/AP/dpa
Mit Thomas Cook hat in der Nacht zu Montag einer der größten und ältesten Reiseveranstalter Europas seine Insolvenz verkündet. Trotzdem ist die Lage unübersichtlich: Während die britische Regierung die größte Rückholaktion für Touristen seit dem Zweiten Weltkrieg angekündigt hat, ist die Lage in Deutschland noch relativ übersichtlich.
Was ist passiert?
Am Montagmorgen teilte Thomas Cook mit, einen Insolvenzantrag gestellt zu haben, weil kurzfristig etwa 200 Millionen britische Pfund (226 Millionen Euro) zur Fortführung der Geschäfte fehlen. Insgesamt sind etwa 600.000 Reisende betroffen, außerdem zahlreiche Kunden, die bereits über Thomas Cook gebucht haben.
Wie trifft das die Kunden?
Es zeichnet sich ab, dass bis zu 150.000 britische Urlauber im Ausland festsitzen könnten, die britische Regierung hat deshalb ein großflächiges Rückholprogramm unter dem Namen „Operation Matterhorn“ gestartet. Das britische Recht sieht in solchen Fällen eine Zuständigkeit der Regierung vor.
In Deutschland hingegen haben Reiseveranstalter Versicherungen, die im Krisenfall Rückflüge finanzieren. Ob trotzdem deutsche Kunden festsitzen, ist aktuell schwer einzuschätzen. Die zu Thomas Cook gehörende Condor-Airline kündigte zwar an, aus rechtlichen Gründen keine Thomas-Cook-Kunden mehr in den Urlaub zu fliegen – Rückflüge sollen aber weiterhin möglich sein.
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Auf gebuchte, aber noch nicht begonnene Urlaube müssen Thomas-Cook-Kunden hingegen erst mal verzichten – was zu Entsetzen bei Reisenden führte. „Wir wurden aus der Schlange gezogen. Wir fliegen nicht. Das war’s mit dem Urlaub", erzählte ein geschockter Kölner am Terminal des dortigen Flughafens. Ein Lichtblick: Die Chancen, Geld zurückzubekommen, stehen dank jüngster EU-Regelungen recht gut, sagen Anwälte.
Sind auch deutsche Thomas-Cook-Unternehmen betroffen?
Der Insolvenzantrag gilt zunächst nur für die Muttergesellschaft Thomas Cook Group plc. Allerdings ist davon auszugehen, dass einige Tochter-Unternehmen nachziehen werden, weil ihnen das Geld ausgehen könnte. Bislang haben die deutschen Veranstaltertöchter wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt.
„Condor-Flüge werden weiterhin durchgeführt, obwohl die Muttergesellschaft Thomas Cook Group plc Insolvenz eingereicht hat“, heißt es hingegen bei der Condor-Fluggesellschaft, die ebenfalls zu Thomas Cook gehört.
Wie konnte es dazu kommen?
Thomas Cook hat schon länger wirtschaftliche Probleme. Bereits im Jahr 2012 retteten mehrere Banken den Konzern nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme mit frischem Geld vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft kam erschwerend hinzu, ebenso anhaltende Unsicherheit rund um den Brexit, die die Urlaubsfreude der britischen Kundschaft dämpft.
Besteht noch Hoffnung auf eine Rettung durch die britische Regierung?
Eher nicht. Der britische Verkehrsminister Grant Shapps hat die Entscheidung der Regierung verteidigt, den Reisekonzern Thomas Cook nicht mit einer großen Finanzspritze vor der Pleite zu retten. „Ich fürchte, das hätte sie nur für eine sehr kurze Zeit über Wasser gehalten“, sagte Shapps am Montag dem Sender BBC in London. Auch die britische Luftfahrtbehörde warf dem Reiseveranstalter vor, eine notwendige Modernisierung verschlafen zu haben.
Die britische Opposition kritisierte das scharf. John McDonnell von der größten Oppositionspartei Labour warf der Regierung vor, dem Reisekonzern aus „ideologischer Voreingenommenheit“ nicht geholfen zu haben. Ähnliche Kritik übte die Transportgewerkschaft TSSA: „Die Regierung hatte viele Möglichkeiten, Thomas Cook zu helfen, hat sich aber für das ideologische Dogma entschieden, anstatt Tausende Jobs zu retten“, sagte Gewerkschaftschef Manuel Cortes.
Wie geht es jetzt weiter?
Die deutsche Thomas Cook lotet nach eigenen Angaben derzeit letzte Optionen aus. „Sollten diese scheitern, sieht sich die Geschäftsführung gezwungen, für die Thomas Cook GmbH, Thomas Cook Touristik GmbH, die Bucher Reisen & Öger Tours GmbH und möglicherweise auch weitere Gesellschaften Insolvenzantrag zu stellen“, teilte das Unternehmen mit. Für die Airline Condor ist außerdem ein Überbrückungskredit der Bundesregierung im Gespräch.
Zumindest für die Deutsche Tui könnte die Insolvenz eine Chance sein. „Der Markt schreit nach einer Konsolidierung“, sagte jüngst Tui-Chef Friedrich Joussen in einem Interview der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Denn die ganze Branche steht aufgrund eines geänderten Reiseverhaltens unter Druck. Im Gegensatz zu Thomas Cook hat die Tui ihr Geschäftsmodell aber angepasst und trat zuletzt weniger als Reiseveranstalter denn als Hotel- und Kreuzfahrtkonzern auf.
Derweil schlägt sich die Pleite auch in Urlaubsregionen nieder. Sorgen bereiten den Hoteliers in Griechenland vor allem die noch ausstehenden Zahlungen des Konzerns. „Es wird unvermeidlich zu Ausfällen kommen“, sagte Tourismusminister Charis Theocharis dem griechischen Fernsehsender Skai. In Tunesien hatten Hotels angesichts der drohenden Pleite am Wochenende bereits Thomas-Cook-Kunden eine Abreise verweigert, sie bestanden auf Barzahlungen.
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