Warum die Anleger der Aktie trotz allem die Treue halten
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Zwischen Bullen und Bären steht es aktuell unentschieden.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Ein bisschen rätselhaft ist es schon. Bevor Russland die Ukraine angriff, stand der Deutsche Aktienindex bei rund 14.500 Punkten. Das ist fünf Wochen her, und man kann nicht sagen, dass sich seitdem nichts verändert habe in der Welt. Aber der Dax steht wieder bei rund 14.500 Punkten. Zwischendurch rutschte er um gut 10 Prozent ab, Schwamm drüber.
Wenig Hoffnungsvolles
Fairerweise muss man sagen, dass vorher schon etwas Luft aus den Kursen entwichen war. Seit Jahresbeginn schwächelte der Markt, die Rekordstände lagen längst hinter ihm, als die Panzer rollten. Trotzdem darf man staunen, wie der Aktienmarkt diese auch wirtschaftliche Katastrophe wegsteckt. Es ist ja nicht so, dass am 8. März – da begann der Dax seinen Wiederaufstieg – plötzlich irgend etwas besser geworden wäre.
Das Szenario bietet wenig Hoffnungsvolles. Ein Ende des Kriegs ist nicht absehbar und selbst wenn: Begleiterscheinungen wie chaotische Lieferketten und teure Energie werden lange nachwirken. Sie haben die Inflation auf mehr als 7 Prozent getrieben, und es sieht nicht nach schneller Besserung aus. Gleichzeitig werden wohl viele Unternehmen ihre Gewinnprognosen für dieses Jahr begraben müssen. Längst macht das Schreckenswort von der Stagflation die Runde: hohe Inflation bei müder Konjunktur.
Dass diese Konstellation den Aktienmarkt nicht nachhaltig ins Schleudern brachte, hat zwei Gründe. Einer ist die Geographie: Die Wirtschaftsräume Asien und Amerika trifft der Ukrainekrieg weit weniger als Europa. Der andere Grund heißt Tina. Das steht für „there is no alternative“ – Anleger haben keine Alternative zur Aktie.
Das Phänomen kennen wir seit Jahren, und man dachte, dass es mit steigenden Zinsen erledigt sein würde. Tatsächlich sind die langfristigen Zinsen deutlich gestiegen. Was allerdings kaum jemand auf der Rechnung hatte: Die Inflation stieg viel schneller. So mögen 0,6 Prozent für zehnjährige Bundesanleihen die höchste Rendite seit vier Jahren sein. Das hilft wenig, wenn die Inflation gleichzeitig 7 Prozent auffrisst. Das bedeutet eine fett negative Nettorendite – schlimmer als zu Zeiten, wo die Anleihen zwar im negativen Bereiche lagen, die Inflation aber auch nur bei 1,5 Prozent.
So setzen Anleger im Zweifel doch wieder auf Aktien. Nicht, weil die Perspektiven so rosig wären. Der Aktienmarkt bleibt extrem labil, vor allem wegen absehbar schrumpfender Unternehmensgewinne. Sie tun es allein wegen Tina.
Stefan Winter ist leitender Wirtschaftsredakteur des RND. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über Börse, Finanzmarkt, Aufstieg und Fall der Kurse – und die Unternehmen dahinter.