Versicherer zahlen nicht: Gastwirte haben Ärger mit Corona-Versicherungen

Nur als Schatten auf dem Tisch, der von der Sonne und einem Aufkleber auf dem Schaufenster erzeugt wird, gibt es Messer und Gabel in einem wegen der Corona-Epidemie geschlossenen Lokal.

Nur als Schatten auf dem Tisch, der von der Sonne und einem Aufkleber auf dem Schaufenster erzeugt wird, gibt es Messer und Gabel in einem wegen der Corona-Epidemie geschlossenen Lokal.

Kaum eine Berufsgruppe ist derzeit so hart vom Coronavirus getroffen wie Gastwirte. Aber viele von ihnen glauben, eine Police dagegen in Händen zu halten. Sie heißt Betriebsschließungsversicherung. Die springt ein, wenn ein Betrieb wegen Krankheit oder dem Auftreten von Erregern zusperren muss.

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“Wir haben etliche Fälle, wo sich Betroffene auch gegen Infektionsrisiken abgesichert wähnten”, sagt Hans-Georg Jenssen. Er ist Rechtsanwalt und Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM). Das Problem sei, dass sich die meisten Versicherer quer stellen. „Sie zahlen nicht“, sagt Jenssen.

Es gibt auch Ausnahmen

Zumindest treffe das auf einen Großteil der Konzerne zu. Es gebe aber auch Ausnahmen wie Signal-Iduna oder HDI. “HDI zahlt und fühlt sich auch dazu verpflichtet”, sagt ein Sprecher des Konzerns in Hannover. Bei anderen wie Assekuranz-Marktführer Allianz ist das anders. Wobei sich dort ein Umdenken anbahnen könnte. “Wir lehnen nicht pauschal ab sondern prüfen jeden Einzelfall”, sagt eine Allianz-Sprecherin zum immer heißer werdenden Eisen.

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Denn die Aufregung unter Gastronomen und beim BVDM ist groß. Die Makler des Verbands müssen es derzeit ausbaden, dass vermeintlich gegen Corona versicherte Wirtsleute, die von ihrer Versicherung kein Geld bekommen, bei ihnen Zorn und Verzweiflung abladen. Jenssen hat deshalb einen Brandbrief verfasst und ist gerade dabei, einen weiteren an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu schreiben.

Vorurteile bestätigt?

Der BDVM-Vorstand sieht ausgerechnet zu Corona-Zeiten ein grundsätzliches Glaubwürdigkeitsproblem. “Eine Vielzahl von Kunden, die von der Leistungsablehnung betroffen sind, werden ihr Vorurteil bestätigt sehen, wenn es darauf ankommt, leisten Versicherer eben doch nicht”, kritisiert er und mahnt Solidarität der Versicherungswirtschaft an. In Frankreich gebe es die. Dort habe die Assekuranz in einen Solidarfonds 200 Millionen Euro eingezahlt, der Leistungen an Versicherte finanzieren soll, die von einer Police nicht zweifelsfrei abgedeckt sind. Solche Zweifel sieht der BDVM aber bei Betriebsschließungsunterbrechungen nicht einmal.

Jenssen bereitet deshalb Musterklagen vor, bei denen er sich vor Gericht gute Chancen ausrechnet, Versicherungskonzerne zu Zahlungen zu zwingen. In einem Beispiel gehe es um täglich 6.000 Euro, die ein Hotel einen Monat lang von einem Versicherer erhalten soll, wenn es wegen eines Krankheitserregers schließen muss. Den gesamten Streitwert bringt das auf 180.000 Euro.

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Wie viele Policen es gibt, ist unklar

Auch die Düsseldorfer Rechtsanwaltskanzlei Wilhelm betreut mittlerweile eine steigende Zahl von Restaurantbesitzern, Barbetreibern und Hotelbetrieben, deren Versicherer sich stur stellen. Wegen unklarer Klauseln hält man auch dort die Klagechancen für hoch. Gleiches gilt für die Berliner Kanzlei Wirth, die allein rund 100 Gastronomen vertritt.

Um welche Summen es insgesamt geht und wie viele der umstrittenen Policen in Deutschland im Umlauf sind, weiß oder sagt niemand. Es gebe dazu keine Zahlen, erklärt der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Versicherer selbst mauern. Es gehe um eine größere Zahl von Policen mit beträchtlichen dahinter stehenden Summen, vermutet Jenssen. Sonst würden sich die Konzerne derzeit nicht so ablehnend geben. “Es ist kein kleines Geschäft”, heißt es bei einem der führenden deutschen Assekuranzkonzerne hinter vorgehaltener Hand. Von dreistelligen Millionensummen für größere Konzerne ist die Rede. Gekauft haben die Policen hierzulande außer Gastronomen vor allem auch Hoteliers und Arztpraxen.

Gastwirte brauchen schnelle Hilfe

Rein rechtlich könnte der Teufel im Detail liegen. Manche der umstrittenen Policen würden Leistungen auf einzeln aufgelistete Krankheiten und ihre Erreger beschränken, andere sich auf das Infektionsseuchengesetz beziehen. Im letzteren Fall greift die Police, im anderen Fall nicht – zumindest nach Lesart von Versicherern. Der jetzige Coronavirus sei nur eine Abwandlung bekannter Viren und im Schutz enthalten, entgegnen Kritiker.

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Sollte es auf Rechtsstreits hinauslaufen, müssten Kläger selbst im Erfolgsfall Jahre auf Geld vom Versicherer warten. Betroffene brauchen aber sofort Hilfe. Bleiben Versicherer hart, drohten Gruppenklagen, warnt Jenssen. Wegducken in der Krise sei eine schlechte Taktik. Das sehe man am gesellschaftlichen und politischen Echo, das Adidas & Co mit dem Aussetzen von Mietzahlungen für ihre geschlossenen Läden erzielt haben. Das hat die Assekuranz offenbar erkannt. Es gebe Gespräche mit der Politik auf Bundes- und Landesebene zur Einrichtung eines Solidarfonds nach französischem Vorbild, sagen mehrere Insider übereinstimmend. Man wisse auch, dass es schnell gehen muss.

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