„No jab, no job“: Wie britische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit verpflichtender Impfung vorpreschen
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Der National Health Service (NHS) erwägt eine Impflicht für seine Belegschaft.
© Quelle: Jane Barlow/PA Wire/dpa
London. Die Londoner Sanitärfirma Pimlico Plumbers sucht Mitarbeiter. Doch ohne Piks kein Job, so die deutliche Ansage des Gründers und Chefs Charlie Mullins. Die Stellenausschreibung beschränkt sich nicht nur auf die Qualifikationen der möglichen Bewerber, sondern ist vor allem coronageprägt: „Hatten Sie Ihre Impfung und sind Sie auf der Suche nach einer neuen, spannenden Rolle?“
„Ich weiß, dass es Kritiker gibt, die das als Menschenrechtsfrage bewerten, aber ich will lediglich gewährleisten, dass sowohl unser Personal als auch unsere Kunden sicher sind“, sagt Charlie Mullins. Zudem vermittele man dadurch zusätzliches Vertrauen in das rund 450 Mitarbeiter zählende Unternehmen.
Doch Mullins geht noch weiter. Jeder Angestellte, der ohne guten Grund bis zum 1. Januar nicht geimpft ist, soll laut Medienberichten gefeuert werden. „Mit den Impfungen haben wir das Werkzeug, jeden Teil der Gesellschaft wieder zu öffnen, deshalb lasst es uns angehen“, so der Brite – und brandmarkte Impfverweigerer als „Feiglinge“.
Regierung will Impfpflicht in der Pflege
Doch es sind nicht nur einzelne Firmen, die im Königreich auf verpflichtende Impfungen setzen. Auch die Regierung will eine Covid-Impfung für Angestellte in der Pflege zum Muss machen. Ab Oktober könnte also jenen Beschäftigten in Heimen, die den Piks verweigern, die Kündigung drohen, wie vor wenigen Wochen der mittlerweile zurückgetretene Gesundheitsminister Matt Hancock bekannt gab. Die Regel würde nur für England gelten.
Damit aber nicht genug. Geprüft wird auch eine Ausweitung der neuen Vorschrift auf alle Angestellten des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS mit Patientenkontakt. „No jab, no job“, wurde das Modell auf der Insel getauft. „Keine Impfung, keine Arbeit.“
Doch Gewerkschaften warnen davor, dass ein Impfzwang den ohnehin unter Personalmangel leidenden Gesundheitssektor weiter auslaugen könnte – oder es zumindest schwieriger machen würde, Stellen neu zu besetzen. Die Vorschrift beträfe letztlich rund 1,5 Millionen Mitarbeiter. Einzelne private Pflegeheimbetreiber haben die Immunisierung derweil bereits verpflichtend gemacht.
Tiefes Trauma durch die Pandemie
Für Beobachter kam der Schritt kaum überraschend. In Großbritannien sitzt das Trauma der Pandemie tief. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 40.000 Menschen in Pflege- und Altersheimen an den Folgen einer Covid-Erkrankung gestorben sind. Und nun steigt in Großbritannien die Zahl der Neuinfektionen seit Wochen wieder drastisch an, vor allem aufgrund der Ausbreitung der zuerst in Indien nachgewiesenen Delta-Variante des Coronavirus.
Hoffnung setzen die Behörden auf die erfolgreiche Impfkampagne und die hohe Impfbereitschaft der Menschen. Rund 86 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind einmalig geimpft, fast zwei Drittel haben bereits beide Dosen verabreicht bekommen.