Die Durststrecke der Tui ist noch nicht zu Ende
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Die Check-in-Schalter füllen sich wieder.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Hannover. Der Touristikkonzern Tui muss ohne den erhofften Reiseboom durch das Jahr kommen. Zwar berichtet Konzernchef Friedrich Joussen von einem „erfolgreichen Neustart“ in die Sommersaison, aber Diskussionen um Risikogebiete und Reisebeschränkungen schlagen immer wieder auf die Buchungen durch.
Der Konzern hat die Kapazitäten für den Sommer deshalb gekürzt. Die gute Nachricht der Zwischenbilanz: „Zum ersten Mal in der Krise verbrennen wir kein Geld“, sagte Joussen. Das Unternehmen habe trotz eines weiteren hohen Verlusts keine Liquiditätssorgen.
Auf halbem Weg zur Normalität
Bisher sind bei dem hannoverschen Reiseveranstalter 4,2 Millionen Buchungen für die Sommersaison eingegangen, davon 1,5 Millionen seit Mai. Joussen sprach von einer „sehr guten Nachricht“. Gegenüber dem vergangenen Jahr, als das Geschäft praktisch lahmgelegt war, ist das zwar ein riesiger Sprung – aber nur der halbe Weg zur Normalität: Vor Corona zählte Tui rund neun Millionen Gäste in der Sommersaison.
Im Frühjahr hatte der Konzern noch geplant, rund 75 Prozent der üblichen Kapazität bereitzuhalten, jetzt sollen es nur noch 60 Prozent sein. Das liege vor allem am späten Buchungsstart in Großbritannien, wo lange Reisebeschränkungen galten, sagte ein Unternehmenssprecher.
„Die Kundennachfrage und Buchungsdynamik sind ungebrochen hoch, sobald staatliche Reiseeinschränkungen zurückgenommen werden“, sagte Joussen. Das Geschäft sei extrem abhängig von der Politik: „Wo der Staat die normale unternehmerische Freiheit zurückgibt, sind wir sehr erfolgreich – wo Staaten eingreifen und die unternehmerische Freiheit beschränken, zeigen sich diese Eingriffe in den Buchungen.“
Wer nicht oder kaum gefährdet ist, sollte seine Freiheitsrechte jetzt umfassend zurückerhalten.
Friedrich Joussen,
Tui-Chef
Der Tui-Chef fordert, Corona-Maßnahmen nicht mehr nur von der Inzidenz abhängig zu machen, und sieht angesichts der Impffortschritte keinen Grund mehr für allgemeine Einschränkungen: „In Europa stehen jedem Impfwilligen Impfangebote zur Verfügung, schwere Verläufe nehmen nicht merklich zu, und die Gesundheitssysteme sind nirgends in Europa überlastet“, sagte Joussen. „Wer nicht oder kaum gefährdet ist, sollte seine Freiheitsrechte jetzt umfassend zurückerhalten.“ Nach Unternehmensangaben ist der Anteil der mit Covid infizierten Reiserückkehrer minimal, die Inzidenz liege weit unter eins.
Viele Kunden buchen einen Stern mehr
An Nachfrage fehle es nicht, und die Gäste zahlen mehr: Im Durchschnitt werden 9 Prozent mehr für eine Reise ausgegeben als früher. Nach Joussens Angaben liegt das nicht an Preiserhöhungen, sondern am Mix: Die Menschen buchen längere Reisen und im Zweifel einen Hotelstern mehr.
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Tui-Chef Friedrich Joussen.
© Quelle: Peter Steffen/dpa
Trotzdem steckt Tui geschäftlich noch in einem tiefen Tal. In den Monaten April bis Juni – das ist das dritte Quartal des Tui-Geschäftsjahrs – machte der Konzern 650 Millionen Euro Umsatz. Ein Jahr zuvor waren es auf dem Höhepunkt der Pandemie nur 72 Millionen, Normalmaß aus dem Jahr 2019 sind allerdings 4,7 Milliarden Euro.
Die Kosten wurden zwar drastisch gedrückt, aber unterm Strich blieben trotzdem 940 Millionen Euro Nettoverlust. Für die ersten neun Monate des Geschäftsjahrs 2020/2021 summiert er sich nun auf 2,4 Milliarden Euro und hat das Eigenkapital aufgezehrt. Seit Beginn der Pandemie wird das Unternehmen mit Staatshilfe am Leben erhalten.
Anzahlungen füllen die Kasse
Trotzdem sieht Joussen die Finanzlage vergleichsweise entspannt. Nicht zuletzt die Anzahlungen auf die gebuchten Reisen haben Geld in die Kasse gebracht und im Quartal einen positiven Cashflow von 320 Millionen Euro ermöglicht – den ersten seit Pandemiebeginn. Außerdem wurden Kredite über 4,7 Milliarden Euro mit einem Bankenkonsortium bis Sommer 2024 verlängert und Hotels an die Riu-Gruppe verkauft. Aktuell hat Tui gut 3 Milliarden Euro Liquidität verfügbar. Im nächsten Schritt werde auch die Profitabilität wiederkommen, sagte Joussen.
Damit hat das Unternehmen nach seinen Worten „alle Zeit der Welt“, um ein Konzept für die künftige Kapitalausstattung und ein Ende der Staatshilfe zu entwickeln. „Wir wollen etwas tun“, sagt Joussen, denn das Hilfspaket ermöglicht auch den Einstieg des Staates mit mehr als 25 Prozent Stimmenanteil im Unternehmen – und daran haben weder Vorstand noch Aktionäre ein Interesse.