Türkische Lira: erst ein tiefer Absturz, nun ein steiler Aufstieg

Eine Wechselstube in Istanbul (Symbolfoto). Der Kurs der türkischen Lira legte am Dienstag kräftig zu.

Eine Wechselstube in Istanbul (Symbolfoto). Der Kurs der türkischen Lira legte am Dienstag kräftig zu.

Athen. Wer zum Wochenbeginn seine türkische Lira in Devisen tauschte, um der Inflation ein Schnippchen zu schlagen, hat ein schlechtes Geschäft gemacht. Am Montagmorgen kostete der Dollar an den türkischen Wechselstunden 18,50 Lira. Am Dienstagmittag bekam man für einen Dollar nur noch 12,12 Lira zurück. Für den Euro, der am Montag erstmals mehr als 20 Lira kostete, gab es einen Tag später nur noch 14 Lira.

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Aber das ist nicht mehr als eine Momentaufnahme. In ein paar Tagen oder Wochen kann es schon wieder ganz anders aussehen. Von einem Comeback der Lira zu sprechen ist deshalb verfrüht. Mit dem jüngsten Kurssprung ist die Währung lediglich auf das Niveau von vor vier Wochen zurückgekehrt. Seit Beginn dieses Jahres ergibt sich immer noch ein Wertverlust von rund 40 Prozent.

Nun will Präsident Erdogan die Abwertungsspirale stoppen. Die Ersparnisse der Bürger sollen vor Wechselkursschwankungen geschützt werden, kündigte Erdogan an. Verluste wird die Zentralbank ersetzen. „Kein Bürger muss von nun an mehr seine Lira in ausländische Währung tauschen, weil er befürchtet, dass die Wechselkursschwankungen Gewinne aus Zinszahlungen zunichtemachen könnten“, so Erdogan.

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Die Rentenempfänger werde man ebenfalls entschädigen, versprach der Staatschef. Die Regierung will auch Unternehmen helfen, sich gegen Wechselkursrisiken abzusichern. Als Reaktion auf Erdogans Ankündigungen schoss der Lira-Kurs am Montagnachmittag um bis zu 20 Prozent nach oben. Am Dienstag setzte sich die Aufwertung fort. Ob die Erholung nachhaltig ist, bleibt aber abzuwarten.

Die extremen Schwankungen der Lira zeigen, wie unkalkulierbar die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Türkei sind. Wie sollen Exporteure ihre Preise kalkulieren, wenn sich die Wechselkurse innerhalb weniger Stunden um 10 oder 20 Prozent ändern? Wie sollen Importeure Bestellungen aufgeben, wenn sie nicht wissen, was sie für die Waren bezahlen müssen?

Am vergangenen Wochenende hatte der türkische Industrieverband Tüsiad an die Regierung appelliert, in ihrer Geldpolitik zu den „Regeln der ökonomischen Wissenschaft“ zurückzukehren. Erdogan reagierte scharf und beschuldigte den Verband, auf seine Entmachtung hinzuarbeiten: Die türkische Nation werde „nicht zulassen, dass Sie diese Regierung stürzen und durch eine ersetzen, die sie ausnützen können“, sagte Erdogan in Istanbul. Der türkische Staatschef sieht die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einer „Verschwörung ausländischer Geldbarone“ und spricht von einem „wirtschaftlichen Unabhängigkeitskrieg“, in dem sich die Türkei befinde.

Das akuteste Problem der türkischen Wirtschaft ist die Inflation. Sie beträgt offiziell 21,3 Prozent, aber unabhängige Ökonomen sehen die Teuerung bei über 50 Prozent. Eine Rückkehr der türkischen Geldpolitik zu den Regeln der Ökonomie ist in Erdogans Rettungsplan nicht zu erkennen. Der Staatschef setzt zur Inflationsbekämpfung auf Zinssenkungen. Im Gegensatz zur gängigen volkswirtschaftlichen Lehre vertritt er die Ansicht, dass hohe Zinsen zu hoher Inflation führen.

Er versprach am Montag, die Inflation werde infolge der Zinssenkungen „in wenigen Monaten zurückgehen“. Drei Zentralbankchefs, die sich seinem Kurs widersetzten, hat Erdogan bereits gefeuert. Auf seine Weisung hat die Notenbank trotz steigender Inflation die Leitzinsen in den vergangenen Monaten von 19 auf 14 Prozent gesenkt.

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Erdogans unorthodoxe Geldpolitik ist vor allem religiös begründet, nämlich im Zinsverbot des Islam: „Wir senken die Zinsen“, bekräftigte er jetzt. „Erwarten Sie nicht anderes von mir. Als Muslim werde ich tun, was die islamische Lehre erfordert.“

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