Telekom-Servicechef Abolhassan: „Wir bauen die Tarife um“
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Das Logo der Deutschen Telekom.
© Quelle: Rainer Jensen/dpa
Frankfurt am Main. Ferri Abolhassan (57) kam 2008 zur Deutschen Telekom, wo er bis 2016 zunächst verschiedene Positionen bei T-Systems, dem IT-Dienstleister des Konzerns, innehatte. Im Oktober 2016 übernahm er die Geschäftsführung für den Servicebereich der Telekom Deutschland. Zum 1. Mai 2021 wurde ihm zusätzlich die Verantwortung für den hiesigen Privatkundenvertrieb übertragen. Im RND-Interview macht Abolhassan klar, dass die Qualität des Services in der Telekommunikationsbranche inzwischen den Unterschied macht. Er kündigt denn auch an, dass die Tarife des Magenta-Konzerns noch in diesem Jahr umgebaut werden, um kundenfreundlicher zu werden.
Herr Abolhassan, der Service der Telekom war einst berüchtigt, darüber wurden sogar Bücher geschrieben. Warum haben Sie dennoch den Job als Servicechef für Deutschland übernommen?
Wir mussten anfangs gegen Erfahrungen von Millionen Menschen, die sie über eine sehr lange Zeit gemacht hatten, ankämpfen – ein Image, das Sie so schnell nicht wegkriegen. Diese enorme Herausforderung hat mich gereizt.
Haben Sie die Entscheidung bereut?
Nein, ich hatte das Gefühl, dass ich einer wichtigen Firma für Deutschland eine neue Richtung geben kann. Die Grundsatzentscheidung war, so viel Service anzubieten, wie der Kunde nachfragt. Daraufhin haben wir viele der kostenorientierten Vorgaben radikal abgeschafft. Das hätte auch schiefgehen können.
Hat es nicht einfach auch an den Prozessen in einer der größten Serviceorganisationen in Europa gehapert?
Ja, die Organisation war in viele abgeschottete Silos gegliedert und deren Arbeit war stark von Kennzahlen getrieben. Ein Beispiel: Wenn die Mitarbeiter in einem Servicecenter maximal zehn Minuten für jeden Kunden haben, dann ist die Gefahr groß, dass der Mitarbeiter nach zehn Minuten auflegt oder weiterleitet, ohne den Kunden geholfen zu haben.
Mehr Geduld mit den Kunden
Und Sie haben einfach Geduld als Prinzip eingeführt?
Wir haben gesagt, ihr bleibt so lange dran, bis das Problem gelöst ist. Das hat letztlich sogar eine deutliche Reduktion der Kosten gebracht. Denn wir haben dadurch Wiederholungsanrufe vermieden. Inzwischen sind wir einige Schritte weiter und gerade dabei, den Service zu regionalisieren. Die 14 Regio-Center sind Ende des Jahres vollständig für ihre Kunden und auch für den Vertrieb verantwortlich. Wir bündeln alle kundennahen Aufgaben in einem großen Team.
Doch das, was als Drückerkolonne bezeichnet wird, gibt es noch immer.
Sie meinen den Tür-zu-Tür-Vertrieb. Wir sind dabei, diesen Kanal mit einem eigenen verbindlichen Verhaltenskatalog seriöser aufzustellen. Denn das ist für uns ein wichtiger Vertriebsarm. Das darf eben keine Drückerkolonne sein. Deshalb gibt es für die Mitarbeiter jetzt zehn goldene Regeln beim Dialog mit den Kunden. Ich lese nach wie vor alle an den Vorstand gerichteten Beschwerden. Ich sage Ihnen, das ist schwer. Aber es hilft uns, Fehler zu identifizieren und Prozesse zu ändern.
Hat der Service eine wachsende Bedeutung, weil sich die Produkte der großen Telekommunikationsunternehmen immer mehr angleichen?
Ganz klar ja. Service ist aus meiner Sicht der Differenzierer.
Zumal seit 1. Dezember 2021 das neue Telekommunikationsgesetz gilt, das vor allem kürzere Kündigungsfristen vorschreibt. Macht sich das bemerkbar?
Wir sehen Veränderungen, seit die neuen Regeln gelten. Allerdings gehören wir zu den Gewinnern. Wir bekommen mehr neue Kunden, als wir verlieren. Das werden auch die Wettbewerber bestätigen. Und die Bewegung nimmt zu. Das zwingt uns, wach zu bleiben. Jeden einzelnen Kunden, der uns verlassen will, kontaktieren wir noch einmal, um zu lernen, was wir noch besser machen können.
Wie wäre es zum Beispiel, das abzuschaffen, was viele Nutzer als Tarifdschungel wahrnehmen – sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk? Viele sind zum Beispiel verärgert über Locktarife für die ersten sechs Monate, denen dann ein mehr als doppelt so hoher Tarif folgt.
Ich nehme diese Kritik an und kann sie nur bestätigen. Das ist allerdings eine Besonderheit der gesamten Branche in Deutschland. Das hat seine Wurzeln in der „Geiz ist geil“-Mentalität – ein Spiel, das seit 20, 30 Jahren so geht. Aber: Ich kann versichern, dass wir unsere Tarife umbauen werden.
Was planen Sie konkret?
Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nur sagen, dass sich bei den Tarifen noch in diesem Jahr einiges verändern wird.
Warum Menschen Produkte aufschwatzen?
Vor allem viele ältere Menschen fühlen sich häufig überfordert von den Angeboten. Immer wieder hört man von Verbraucherschützern, dass Senioren, die nur telefonieren wollen, einen Vertrag mit einem Internetzugang und Magenta-TV angedreht bekommen. Muss das sein?
Bei den Haustürgeschäften haben die Kunden ein vierwöchiges Widerrufsrecht. Und wir sind darüber hinaus noch sehr kulant. Und bei Menschen oberhalb des 80. Lebensjahres machen wir solche Verträge an der Haustür gar nicht mehr. Warum sollten wir den Menschen Produkte aufschwatzen? Uns nutzt ein inaktiver TV-Kunde überhaupt nicht. Denn der gibt das Magenta-TV früher oder später zurück.
In regelmäßigen Abständen kursiert der Vorwurf, dass die Telekom Handynummern an fragwürdige Unternehmen oder gar an Kriminelle weitergibt. Was ist da dran?
Ich kann Ihnen versichern: Wir geben keine Handynummern oder andere Kundendaten weiter. Da sind wir sehr strikt. Wir kommen aus einer Vergangenheit, die uns sehr sensibilisiert hat für dieses Thema. Aber es ist so, dass andere Kundenstammdaten haben, die dann zum Beispiel SMS-Nachrichten mit gefährlichen Phishing-Anhängen verschicken. Aber von uns bekommt niemand Adressen.
Da hat in jüngster Zeit die Firma 1N Telecom für viel Verunsicherung gesorgt, weil sie Telekom-Kunden anschreibt und versucht, unter Bezug auf Ihr Unternehmen diese Kunden abzuwerben.
Das ist auch für uns ein Ärgernis. Die arbeiten mit einem Bluff. Gegen diese Firma laufen seit November vorigen Jahres einige gerichtliche Verfahren. Wir sind dagegen rechtlich vorgegangen – unter anderem mit Abmahnungen und strafbewehrten Unterlassungserklärungen. Es gibt keinerlei Verbindungen zu uns.
Glasfaserleitungen sind die Zukunft
Der Glasfaserausbau ist ein anderes viel diskutiertes Thema. Wie heftig kämpfen Sie um die Kunden?
Glasfaserleitungen sind ganz klar die Zukunft der Telekommunikation. Sie sind anderen Technologien deutlich überlegen. Deshalb hat der Glasfaserausbau höchste Priorität für uns. Wir investieren hier insgesamt 30 Milliarden Euro, allein in diesem Jahr bauen wir zwei Millionen Anschlüsse in Deutschland. Richtig ist auch, dass es hier einen harten Wettbewerb gibt, Stadtwerke machen mit und auch internationale Finanzinvestoren. Wir unterscheiden uns vom Wettbewerb in einer Hinsicht: Wo wir antreten, bauen wir in jedem Fall aus. Egal, wie hoch die Anschlussrate in einer Kommune ist. Andere fangen erst an, wenn sie eine gewisse Anzahl Kunden sicher haben.
Ihre Rivalen bringen den Vorwurf des sogenannten Überbauens vor. Wo ein anderer Anbieter antritt, steht plötzlich auch die Telekom vor der Tür. Wäre es nicht sinnvoller, nur eine Leitung zu legen, die dann alle Anbieter nutzen können? Der Wettbewerb könnte dann über die attraktivsten Tarife laufen.
Wir können nicht verhindern, dass andere, die ebenfalls Glasfaserleitungen bauen wollen, an dieselbe Haustür wie unsere Leute klopfen. Wir haben unsere Ausbaupläne, andere Unternehmen auch. Gebietsabsprachen zwischen Unternehmen sind verboten. Wir bauen dort aus, wo wir Deutschland versorgen wollen. Der Anbieter mit dem besseren Angebot wird den Kunden gewinnen. Da kann es passieren, dass in einer Straße zwei Kabel liegen. Das ist für den Kunden erst einmal eine gute Sache. Denn dann hat der Kunde nämlich die Auswahl. Wie gesagt: Wir halten unsere Versprechen und sagen nicht nach einem Jahr: Tut uns leid, machen wir nicht, weil es sich nicht gelohnt hätte. Im Übrigen kooperieren wir mit anderen Unternehmen, oft auch regionalen Anbietern wie Stadtwerken.
Verhält sich die Telekom bei der Auswahl der Ausbaugebiete nicht wie ein Rosinenpicker, der sich die lukrativsten Regionen herausnimmt, aber die Versorgung auf dem Land vernachlässigt?
Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir bauen bundesweit – in den Städten und auf dem Land. Für den ländlichen Ausbau haben wir sogar ein eigenes Unternehmen gegründet: Glasfaser Plus. Dieses Joint Venture mit dem australischen Finanzinvestor IFM soll bis 2028 vier Millionen zusätzliche FTTH-Anschlüsse auf dem Land und in Fördergebieten ausbauen. Hinzu kommen im gleichen Zeitraum acht Millionen Anschlüsse aus unserem Eigenausbau. So werden in den ländlichen Regionen insgesamt zwölf Millionen Glasfaseranschlüsse entstehen. Sie sehen: Wir lassen auch ländliche Gebiete nicht aus.