In Kliniken am schlimmsten

„Es gibt keine Strategie“: Im Gesundheitswesen fehlt immer mehr Personal

Nicht nur Krankenhausbeschäftigte sehen schwarz, sondern auch Bevölkerung und vor allem die Ärzteschaft.

Nicht nur Krankenhausbeschäftigte sehen schwarz, sondern auch Bevölkerung und vor allem die Ärzteschaft.

München. Renate Köcher hat eine klare Meinung. „Die Politik widmet dem Problem zu wenig Aufmerksamkeit, es gibt keine Strategie dagegen“, sagt die Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts für Demoskopie. Für den Finanzdienstleister MLP hat das Institut einen Gesundheitsreport erstellt, der Alarmglocken schrillen lässt. Demnach spitzt sich der Ärztemangel vor allem auf dem Land und in Ostdeutschland zu.

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Speziell gesetzlich Versicherte klagen über lange Wartezeiten und vorenthaltene Leistungen. Von der Zukunft erwarten Bevölkerung und vor allem die Ärzteschaft eine Verschlimmerung der Lage sowie kaum Hilfe von der Politik. Seit zweieinhalb Jahren werde in Gesundheitsfragen nur über die Pandemie geredet, aber die größeren Probleme lägen anderswo, warnt Köcher.

Eine einzige gute Nachricht

Das kann man beim Studium des mittlerweile elften MLP-Gesundheitsreports so sehen. Darin bewerten zwar acht von zehn Bürgern und neun von zehn Ärzten die deutsche Gesundheitsversorgung als insgesamt positiv. Das ist es aber schon mit guten Nachrichten – denn es bröckelt.

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29 Prozent aller Bürger und Bürgerinnen sehen heute Verschlechterungen in der Versorgung. 2019 waren es noch 20 Prozent. Jeder Dritte nimmt in seiner Region aktuell Ärztemangel wahr. In Ostdeutschland und auf dem Land ist es aktuell jeder Zweite gegenüber gut einem Drittel 2019. Ärzte sehen noch schwärzer.

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Nichts aus der Corona-Pandemie gelernt?

Zwei Drittel der Gesamtbevölkerung klagen über lange Wartezeiten beim Arzt, gut ein Drittel klagt über aus Kostengründen vorenthaltene medizinische Leistungen. „Im Vergleich dazu ist die Pandemie ein Problem zweiter Ordnung“, findet Köcher. Die habe Defizite im deutschen Gesundheitssystem offengelegt. Aber die Mehrheit befragter Ärzte fürchtet, dass daraus gesundheitspolitisch keine Lehren gezogen werden.

So würden Gesundheitsdaten weiterhin nicht zusammengeführt. Die Ausstattung von Gesundheitsämtern bleibe mangelhaft. Nur jeder dritte Bürger glaubt, dass Deutschland für eine neue Pandemie besser gerüstet sei. Dabei nimmt Zwei-Klassen-Medizin immer mehr Gestalt an. Nur 5 Prozent aller Privatversicherten spüren Verschlechterungen im Gesundheitswesen. Seitens gesetzlich Versicherter ist es das Sechsfache.

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Am schlimmsten ist es in Krankenhäusern

Hausärzte spürten steigende Belastung mehr als Fachärzte und sagen eine Verschärfung der Lage voraus, erklärt Köcher. Gut zwei Drittel der niedergelassenen Ärzte schätzen es als mindestens schwer ein, einen Nachfolger für die eigene Praxis zu finden.

Am schlimmsten aber seien Gegenwart und Perspektive aber in Krankenhäusern, sagt die Meinungsforscherin. 57 Prozent aller dortigen Ärzte würden von Ärztemangel berichten, weitere 23 Prozent ihn für die nächsten Jahre erwarten. Es fehle zunehmend auch anderes Fachpersonal wie Krankenpflegerinnen und ‑pfleger. In vier von fünf Krankenhäusern sei das der Fall.

Was nun helfen kann

Auf die einzelne Fachkraft kommt damit in Praxis und Krankenhaus immer mehr Arbeit zu. Ärzte klagen zugleich über ausufernde Bürokratie. Für Köcher ist deren Abbau ein Stellhebel zur raschen Entschärfung der Lage. Mehr Telemedizin könne helfen. Zudem müsse der Zugang zu einem Medizinstudium vereinfacht werden. Pflegeberufe müssten dringend aufgewertet werden, was weniger eine Frage der Bezahlung als eine der Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten sei.

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Aber viel Hoffnung haben weder Bevölkerung noch Ärzteschaft, dass sich etwas spürbar zum Besseren verändert. Weil die Politik zu sehr mit aktuellen Krisen wie dem Krieg in der Ukraine oder der Inflation beschäftigt sei.

Vom diskutierten Einstieg von Investoren ins Gesundheitswesen erwarten Ärzte eher eine Verschärfung der Lage, weil sich dann noch mehr auf Ballungsräume konzentriere und nach Wirtschaftlichkeit entschieden werde. „Die Probleme sind alles andere als leicht zu bekämpfen“, stellt Köcher klar. Zunächst müssten sie aber erst einmal auf die politische Tagesordnung.

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