Steigende Ölpreise: Deutschlands Autofahrern droht ein teurer Sommer
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Analysten rechnen mit steigenden Spritpreisen in Deutschland. (Symbolbild)
© Quelle: Matthias Balk/dpa
Frankfurt. Hiesige Autofahrer sollten aufmerksam die Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Iran beobachten, sofern sie gesteigertes Interesse an der Entwicklung der Spritpreise haben. Denn vom Fortschritt der Gespräche wird abhängen, ob der Iran seine Ölförderung wieder hochfahren darf, was wiederum maßgeblich für die Entwicklung der Rohölpreise sein wird. Und von diesen hängt ab, ob sich Benzin und Diesel weiter verteuern. Aktuell spricht vieles dafür.
Am Dienstagnachmittag kostete ein Fass (159 Liter) der weltweit wichtigsten Sorte Brent fast 71 Dollar. So teuer war das Ausgangsprodukt für Kraft- und Schmierstoffe seit Mitte Juli 2019 nicht mehr. Mehrere Einflussfaktoren wirken dabei zusammen, was die Händler an den Rohstoffbörsen dazu bringt, auf steigende Notierungen in den nächsten Monaten zu wetten, wodurch zugleich die aktuellen Spotpreise für kurzfristige Lieferungen in die Höhe getrieben werden.
Iran liefert Benzin nach Venezuela
In dem südamerikanischen Land ist wegen einer schweren Wirtschaftskrise derzeit Treibstoff extrem knapp.
© Quelle: Reuters
Da ist vor allem die Pandemie. Seit dem Ende der ersten harten Lockdowns im vorigen Jahr kennt der Ölpreis eine klare Richtung: nach oben. Anfang Juni 2020 kostet ein Fass Brent-Öl um die 38 Dollar. Damals gab es noch ein gigantisches Überangebot. Die großen Lager waren bis an den Rand voll. Öltanker mussten sogar als Zwischenlager genutzt werden. Die staatlichen Ölfördergesellschaften und die privaten multinationalen Konzerne hatten die Gewinnung des zähflüssigen Rohstoffs zunächst gar nicht so schnell zurückfahren können wie die Nachfrage sank.
Das änderte sich mit den Lockerungen im Frühsommer, die mehr Mobilität und damit auch einen höheren Spritverbrauch mit sich brachten. Die im Herbst und Winter folgenden Beschränkungen konnten dem Auftrieb des Ölpreises nichts anhaben, weil schon damals auf die Eindämmung der Pandemie durch Impfstoffe gesetzt wurde.
In den vergangenen Wochen hat nun die schnelle Erholung der Weltwirtschaft durchgeschlagen, mit der die Nachfrage nach dem Stoff, der noch immer die globale Ökonomie antreibt, und wieder deutlich gestiegen ist.
Opec kalkuliert mit hoher Nachfrage und schrumpfenden Lagerbeständen
Die Ölschwemme sei weitgehend verschwunden und die Bestände in den Rohöllagern würden in der zweiten Hälfte des Jahres sehr schnell schrumpfen – so schätzen die Strategen des Ölkartells Opec+ die aktuelle Lage ein. Dem losen Verbund gehören neben den Staaten auf der arabischen Halbinsel unter anderem auch Russland an.
Beobachter erwarteten, dass die Opec+ nun den Zeitpunkt gekommen sieht, um die noch immer eingeschränkte Förderung wieder hochzufahren. So war es bereits vor Wochen vereinbart worden. Am Dienstag wollten die Mitgliedsländer des Kartells in einer Videokonferenz endgültig über die Ausweitung des Pumpens entscheiden.
Klar ist, dass viele Förderländer eine Entscheidung herbeisehnen. Die Regierungen – vor allem in Afrika – brauchen höhere Einnahmen aus dem Ölgeschäft, um ihre Staatshaushalte zu finanzieren. Aber auch Russland ist als führender Exporteur des Rohstoffs perspektivisch auf höhere Einnahmen angewiesen.
Analyst: Ölpreis pro Fass steigt auf 75 Dollar
Wayne Gordon, Analyst bei der Schweizer UBS-Bank, betonte im TV-Sender Bloomberg Television, dass die Opec-Strategie aufgehe. Er erwartet, dass der Ölpreis bis zum Jahresende auf 75 Dollar pro Fass steigen wird. Mit einer noch deutlich steileren Entwicklung rechnet Fereidun Fresharaki vom Beratungsunternehmen FGE. Schon im Sommer könne die 80-Dollar-Marke geknackt werden. Allerdings unter einer Einschränkung: Sofern zusätzliche iranische Lieferungen ausblieben.
Unter Experten herrscht Einigkeit, dass das Mullah-Regime den Atomvertrag wieder in Kraft setzen will, weil damit auch Ölexportbeschränkungen aufgehoben würden – das Land steckt in einer schweren Wirtschaftskrise und Wahlen stehen bevor. Völlig offen ist allerdings, wann eine Einigung erzielt wird. Ölminister Bijan Namdar Zanganeh hat bereits angedeutet, dass die Förderung schnell hochgefahren werden soll, wenn es so weit ist.
Steffen Bock, Chef der Verbraucherplattform Clever Tanken, geht denn auch davon aus, dass das weltweite Ölangebot demnächst wieder steigen und damit „allzu starken Preiserhöhungen entgegenwirken“ wird. „Nichtsdestotrotz werden die Rohölpreise in den kommenden Wochen auf einem hohen Niveau verharren – und damit auch die Kraftstoffpreise“, sagte Bock dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). In der Regel machen sich Bewegungen am Ölmarkt mit einer Verzögerung von drei bis vier Tagen an den Tankstellen bemerkbar.
Den Daten von Clever Tanken zufolge war der Mai der bislang teuerste Tankmonat in diesem Jahr. Für einen Liter Super E10 mussten Autofahrer im Schnitt rund 1,48 Euro zahlen. Das sind 31 Cent mehr als ein Jahr zuvor. Diesel kostete mit 1,33 Euro 28 Cent mehr.