Steigende Inflationsrate: Ausnahmsweise mal nichts tun

Die Inflationsrate liegt in Deutschland bei 4,1 Prozent – und somit auf einem Höchststand seit den frühen 1990er-Jahren.

Die Inflationsrate liegt in Deutschland bei 4,1 Prozent – und somit auf einem Höchststand seit den frühen 1990er-Jahren.

Frankfurt. Wie wär‘s, wenn Politikerinnen und Politiker sowie Notenbanker und Notenbankerinnen einfach mal nichts tun – zumindest in den nächsten drei bis sechs Monaten? Es geht um das Thema, das für eine steil ansteigende Aufregungskurve sorgt: die fast genauso steil ansteigende Inflation. Der offizielle Wert für September liegt bei plus 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

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Nach Corona-Lockdowns kam der Nachfrageboom

Tatsächlich hat sich da was zusammengebraut. Ein Gemisch, das es in dieser Zusammensetzung und Konsistenz bislang nicht gab. Erst das Wachkoma durch Corona-Lockdowns, dann die weltweit fast synchronen Lockerungen nebst einer Entfesselung der aufgestauten Nachfrage bei den Verbrauchern.

Ein Nachfrageboom bei Rohstoffen und allen möglichen anderen Materialien – vom Computerchip bis zur Dachlatte. Schiffe und Container wurden knapp. Und natürlich ein gigantischer Hunger nach Energie. Diese Auflistung ist schon selbsterklärend: Lieferengpässe und Preissteigerungen sind die Folge. Im Dezember könnten es hierzulande 5 Prozent werden.

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Gerät da etwas außer Kontrolle? Müssen die Konsumentinnen und Konsumenten dauerhaft mit weniger Kaufkraft rechnen? Diese Sorge ist unberechtigt. Schon allein wegen der vorübergehenden Absenkung der Mehrwertsteuer – bis Ende 2020. Ohne diesen sogenannten Basiseffekt würde die Teuerung jetzt nur bei gut 3 Prozent liegen. Die Aufschläge für Energie machen etwa einen weiteren Prozentpunkt aus.

Da voriges Jahr – wegen Corona-Beschränkungen – Kraftstoff außergewöhnlich billig war und die reduzierte Mehrwertsteuer die Preise zusätzlich drückte, fällt der Sprung nach oben in diesem Herbst besonders stark aus. 2022 wird die Inflation deshalb zügig und spürbar quasi von selbst sinken, weil dieser Basiseffekt sich verflüchtigt – wegen Rückkehr zu einer normalen Mehrwertsteuer und zu normaleren Energiepreisen im Zuge des Eindämmens der Pandemie Anfang 2021.

Die größte Gefahr bleibt das Coronavirus

Das Gemisch wird dann deutlich weniger toxisch. Richtig ist aber auch, dass die weltweite Nachfrage nach Strom, Gas, Öl und Benzin hoch bleibt, weil die globale Ökonomie ihren Erholungskurs fortsetzen wird. Genau aus diesem Grund wird auch die Sache mit den Lieferengpässen die Unternehmen noch einige Zeit beschäftigen. Der dauerhaft steigende Bedarf an Computerchips etwa lässt sich nicht durch das Umlegen eines Hebels beheben – denn es dauert Jahre, neue Fabriken zu bauen.

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Und die größte Gefahr bleibt das Coronavirus. Die deutsche Wirtschaft ist auch mit Schwellenländern eng verzahnt, wo wegen niedriger Impfquoten heftige Ausbrüche der Delta-Variante drohen – wie gerade in Vietnam, wo Schuhfabriken geschlossen werden müssen, was eine veritable Sneakerkrise ausgelöst hat. Der Turnschuhmangel ist ein eher harmloses Beispiel, aber er illustriert, wie fragil die Lieferketten sind.

Die EZB muss passiv sein

So etwas kann zwar an einen gefährlichen Kipppunkt führen: Stagflation – also der prekären Mischung aus Inflation mit stagnierender Wirtschaft. Doch davon sind wir noch sehr weit entfernt. Schließlich wächst die deutsche Wirtschaft trotz aller Fährnisse in diesem Jahr deutlich. Dass viele Firmen dennoch nicht mit Volllast produzieren, hat eben mit den Lieferengpässen zu tun, aber nicht mit einer fehlenden ökonomischen Dynamik, die von starker Nachfrage getragen wird.

Daraus ergibt sich auch die Rolle der Europäischen Zentralbank, die eine passive sein muss – mindestens bis ins Frühjahr 2022, wenn Verwerfungen durch die Pandemie verschwunden sind. Eine übereilte Zinserhöhung mit der Intention, die Inflation zu bekämpfen, würde derzeit wie Gift wirken.

Teureres Geld würde die Nachfrage bremsen, aber nicht dabei helfen, dass Schiffe in China schneller beladen und mehr Halbleiter, Rohstoffe und Turnschuhe ins Land geliefert werden.

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