Stark in der Nische: Das bringt die Ausbildung in seltenen Berufen
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Die Ausbildungen in traditionellen Berufen, etwa im Schreiner-Handwerk, werden regelmäßig aktualisiert.
© Quelle: Daniel Maurer/dpa-tmn
Bonn/Berlin. Glasbläser, Drechsler oder Bogenmacherin: Besonders im Handwerk gibt es in manchen Berufen nur noch sehr wenige Auszubildende. Sterben diese Berufe nicht ohnehin bald aus? Und sollte man von einer Ausbildung absehen?
Zuerst einmal handle es sich nicht um aussterbende, sondern um seltene Berufe, stellt Monika Hackel vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn klar. Viel häufiger kommt es vor, dass Berufe, die technisch überholt sind, in neuen Berufen aufgehen. Die Tätigkeiten von Schriftsetzern und Flexografen sind zum Beispiel im Ausbildungsberuf Mediengestalter Digital und Print aufgegangen.
Traditionswissen in neuen Berufen
Das BIBB beobachtet die duale Berufsausbildung in Deutschland und aktualisiert oder überarbeitet gemeinsam mit den Sozialpartnern gegebenenfalls Ausbildungsinhalte. Dass ein Ausbildungsberuf komplett aufgelöst wird, komme nur sehr selten vor, so Hackel.
Während die meisten bereits vom Berufsfeld Mediengestaltung gehört haben, gibt es viele seltene Berufe, deren Namen man oft nicht einmal kennt. "Seltene Handwerke begegnen uns im Alltag eher wenig, sind aber aus unserem Leben nicht wegzudenken, zum Beispiel Bürsten- und Pinselmacher oder die Musikinstrumentenbauer", erklärt Volker Born, Berufsbildungsexperte beim Zentralverein des deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. Eigeninitiative und Recherche sind also wichtig, um auch von unbekannteren Berufen zu erfahren.
Auch das eigene Umfeld kann entscheidend sein, wie das Beispiel des Ziseleurs Franco Adamo zeigt. Nachdem er keinen Ausbildungsplatz als technischer Zeichner gefunden hatte, ermutigte sein Vater ihn, es als Ziseleur zu versuchen. Ähnlich wie Steinmetze arbeiten Ziseleure mit Meißel oder Feile: Sie gießen Bronze und bearbeiten Oberflächen, um Embleme und Skulpturen herzustellen.
Leidenschaft für Kunst und Architektur im Orgelbau
Für Judith Macherey dagegen war ein freiwilliges kulturelles Jahr (FKJ) in der Denkmalpflege entscheidend. So kam sie zu Klais, einer Werkstatt für Orgelbau in Bonn. Ihr Faible für Kunst und Architektur konnte die Abiturientin dann bei der Arbeit an der Orgel umsetzen. Nach dem FKJ hat sie eine Ausbildung zur Orgelbauerin begonnen und arbeitet derzeit an ihrer Abschlussprüfung.
Franco Adamo, der inzwischen seit 40 Jahren als Ziseleur arbeitet, hat keine Angst, dass sein Beruf vom technologischen Fortschritt bedroht wird. "Kein 3D-Drucker kann so ein gegossenes Relief herstellen und einer Figur eigenes Leben einhauchen." Außerdem seien moderne Maschinen wie die CNC-Fräse eine gute Ergänzung des Handwerks.
Experten in der Nische - auch international gefragt
Oft braucht es besonderen Wagemut, sich für einen seltenen Beruf zu entscheiden. Häufig ist ein Ortswechsel nötig, um einen Ausbildungsbetrieb oder eine Berufsschule zu finden. Und da es in der Regel nur noch wenige Betriebe in diesen Spezialgebieten gibt, muss man nach dem Abschluss womöglich den Weg in die Selbstständigkeit wagen.
Wer mit Leidenschaft dabei ist, kann die eigene Nischenposition aber auch als Alleinstellungsmerkmal hochhalten und sogar international gefragt sein. "Eine Orgel bleibt dort stehen, wo sie ist, da muss man schon selbst zu ihr kommen, um sie zu reparieren", sagt Macherey.
Besser etwas Seltenes als gar nichts gelernt
Selbst, wenn sich herausstellt, dass man den Ausbildungsberuf nicht das ganze Leben lang ausüben kann, sei es gut, eine abgeschlossene Ausbildung zu haben, betont Monika Hackel. "Mit einer abgeschlossenen Ausbildung ist das Risiko von dauerhafter Arbeitslosigkeit im Durchschnitt viermal geringer als ohne Abschluss."
Schließlich sammelt man in der Ausbildung Berufserfahrung und erwirbt auch viele berufsübergreifend wichtige Kompetenzen. Darauf können Weiterqualifizierungen oder Zusatzqualifikationen aufbauen. Es gilt: Besser etwas Seltenes gelernt als gar nichts gelernt.
RND/dpa