Wie steht es um den sozialen Wohnungsbau?
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100.000 Sozialwohnungen sollen jährlich entstehen. (Symbolbild)
© Quelle: dpa
100.000 Sozialwohnungen jährlich: Mit diesem Versprechen ist die Bundesregierung im vergangenen Jahr angetreten. Allerdings stehen die Pläne für mehr sozial geförderten Wohnraum auf wackligen Beinen. Erst vor wenigen Tagen warnte ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden, Mietervereinigungen und der Industrie vor einem „Kollaps“ im sozialen Wohnungsbau. Nur mit wesentlich mehr Mitteln als ursprünglich eingeplant könne die 100.000er-Marke erreicht werden, so der Tenor. Das Bündnis Soziales Wohnen bezog sich dabei auf Zahlen des Pestel-Instituts, nach denen der soziale Wohnungsbau seit Jahren zurückgeht. Allein im vergangenen Jahr sei die Zahl um nahezu 27.400 auf 1,1 Millionen gesunken, heißt es.
Auch aktuelle Zahlen aus Berlin lassen Zweifel an dem Vorhaben aufkommen. Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, ist in diesem Jahr nicht ein einziger Antrag auf Förderung zum Bau einer Sozialwohnung eingegangen. Das bestätigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der Zeitung. Eigentlich hatte sich die Hauptstadt eine Zielmarke von 5000 Sozialwohnungen pro Jahr gesetzt.
Zwar hat die derzeitige Situation in Berlin mit Unstimmigkeiten im Senat zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu tun. Doch auch andernorts kommen gerade etliche Neubauprojekte derzeit ins Stocken. Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, steht mit vielen Bauherren, die sozialen Wohnungsbau betreiben, in Kontakt. „Im Moment sagen mir Wohnungsunternehmen, dass sie alles, was nicht schon angefangen wurde, erst einmal auf Eis gelegt haben“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). An vielen Standorten seien die Mieten nicht mehr durchsetzbar.
Verschiedene Hindernisse kommen zusammen
Jan-Marco Luczak, wohnungs- und baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sieht mehrere Gründe für diese Entwicklung. „Die Bau- und Energiepreise explodieren, die Zinsen steigen, Fachkräfte und Baumaterialien sind knapp“, sagte er dem RND. Zahlreiche Projekte kämen ins Stocken oder würden ganz abgesagt. Luczak übt dabei Kritik an der Regierung: Statt entschlossen gegenzusteuern, würden die Ampelregierung, aber auch der Berliner Senat die Lage verschärfen. „Auf Bundesebene sorgen die mehrfachen Förderstopps für maximale Verunsicherung. In Berlin passt der Senat seit Monaten die veralteten Förderbedingungen nicht an“, bemängelt er.
Dabei bräuchten Investoren jetzt dringend eine Förderperspektive – sowohl für den sozialen Wohnungsbau als auch für den Neubau im Allgemeinen. „Die Planungsprozesse müssen zudem endlich digitalisiert und damit schneller gemacht werden. Statt zusätzlicher kostentreibender Vorschriften braucht es eine radikale Entschlackung bei den Bauvorschriften.“ In Berlin sei nun eine Bauordnung beschlossen worden, die alles noch teurer mache und derzeit im parlamentarischen Verfahren hänge. Das sorge bei Bauherren für maximale Verunsicherung – und sei „Gift für den gewollten Neubau“.
Wichtig ist auch ein Systemwechsel. Geförderte Wohnungen dürfen nicht länger aus der Sozialbindung fallen. Es muss endlich gelten: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung.
Caren Lay,
wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion
Auch von der Linksfraktion hagelt es Kritik. „Der soziale Wohnungsbau befindet sich im Sinkflug“, sagte die wohnungs- und baupolitische Sprecherin Caren Lay dem RND. Der Bestand an Sozialwohnungen sei mit knapp 1,1 Millionen auf einem historischen Tiefstand. „Dieser Niedergang muss dringend beendet werden. Die Bundesregierung scheint allerdings die Dimension des Problems noch nicht erkannt zu haben“, so Lay. Nötig sei nun viel mehr Geld – die Linke fordere 15 Milliarden Euro für sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau. Jedoch gehe es eben nicht nur darum: „Wichtig ist auch ein Systemwechsel. Geförderte Wohnungen dürfen nicht länger aus der Sozialbindung fallen. Es muss endlich gelten: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung“, so die Linken-Politikerin.
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Doch nicht überall sieht es um die Sozialwohnungen so düster aus wie in Berlin. Zwar kann Deutschlands drittgrößte Stadt München noch keine Angaben zu den Anträgen machen, allerdings ist der Stadtverwaltung zufolge die Zahl der Sozialwohnungen etwas gestiegen: Gab es 2021 in der bayerischen Hauptstadt noch knapp 44.000 geförderte Wohnungen, waren es im März 2022 mehr als 46.700, heißt es auf RND-Anfrage. In Köln hingegen ging die Zahl etwas zurück. Dort gab es laut einer Sprecherin Ende 2020 noch 38.381 öffentlich geförderte Wohnungen, Ende 2021 waren es nur noch 37.916.
Das Bundesbauministerium hält an dem Ziel von 400.000 Wohnungen jährlich – 100.000 davon Sozialwohnungen – weiter fest. Das bestätigte eine Sprecherin am Montag erneut. Bis 2026 stelle man eine „Rekordsumme“ von 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Zudem setze Geywitz auf die Förderung von Genossenschaftswohnen oder von Jungem Wohnen für Azubis und Studierende.
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