„Die Sonne stellt keine Rechnung“: Solarauto Sion soll 2023 serienreif sein
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Das Solarauto Sion wird in seriennaher Version in einem Zirkuszelt enthüllt.
© Quelle: Sebastian Widmann/SonoMotors
Kundenveranstaltungen haben viele Unternehmen. Die Sonne gefeiert wird dabei eher selten. Wenn das Unternehmen Sono Motors heißt und Solarautopionier ist, dann kann es Kunden aber wohl zur Feier unter dem Motto „Celebrate the Sun“ auf einem Zirkusgelände im Norden Münchens versammeln. Laurin Hahn gibt die Stimmungskanone. „Verbrenner waren gestern, Elektroautos sind die Gegenwart, aber Solarautos die Zukunft“, sagt der Mitgründer und Chef des Münchner Solarautopioniers. 2016 hat er das Start-up gegründet. Sechs Jahre und zwei Existenzkrisen später präsentieren Hahn und Mitgründer Jona Christians nun ihre Vision der automobilen Zukunft.
Das ist eine seriennahe Version des Sion, des ersten Solarzellenautos der Welt. 456 dieser Sonnenlicht in Strom umwandelnden Zellen sind in die Karosserie des geräumigen Fünfsitzers integriert. 112 Kilometer Reichweite tankt das Elektroauto wöchentlich im Schnitt, wenn es unter freiem Himmel steht, versprechen dessen Erfinder. „Das sind über 5800 Kilometer jährlich, fast die halbe Fahrstrecke, die ein Europäer durchschnittlich abdeckt, und die Sonne stellt keine Rechnung“, schwärmt Christians.
Solarauto Sion: Serienproduktion soll 2023 beginnen
Mit der jetzigen Version des Sion wollen er und Hahn alle nötigen Straßenzulassungen erhalten, bevor in der zweiten Hälfte 2023 beim finnischen Auftragsfertiger Valmet in Serie gebaut wird. Der Solar-Pkw ist Teil umfassenderer Pläne. Das zeigt der zur Feier vorgestellte Solarbus Kit. „Das ist ein serienreifes Nachrüstsystem mit acht Quadratmetern Solarzellen, die auf den gängigsten Zwölf-Meter-Bustypen vom Mercedes-Benz Citaro bis zum MAN City Lion montiert werden können“, erklärt Sono-Managerin Amy Butts.
Damit könnten Stromverbräuche wie für die Klimaanlage batterie- und spritschonend gedeckt werden. Rund 1500 Liter Diesel könne jeder Dieselstandardbus auf diese Weise jährlich sparen. Zugleich reduziere das zeitgleich den Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid um 4000 Tonnen. Finanziell amortisiert habe sich der solare Nachrüstsatz binnen drei bis vier Jahren.
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© Quelle: mhoch4
Erste Kunden dafür gebe es bereits, sagt Hahn. Namen dürfe man noch nicht nennen. Vertröstet wird auf die Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation diesen September in Hannover. Die Solarzellentechnologie tauge nicht nur für Busse, sondern auch für Lkw und Kühlfahrzeuge. Bei Letzteren könne man sogar 3400 Liter pro Fahrzeug und Jahr sparen, sagt Butts. Auch dafür gebe es erste Projektpartner. Sono will geschäftlich auf zwei Säulen stehen – der Produktion eigener Solarautos und der Lizenzierung der Solartechnologie für Vehikel anderer Art.
Solarmodule für jedes Fahrzeug
„Wir haben uns zur Mission gesetzt, Solar auf jedes Fahrzeug zu packen, Solarmobile sind das nächste große Ding“, sagt Hahn. Ergänzt wird das durch eine App, mit der jeder Sion ausgestattet wird. Sie ist die Plattform zum Teilen des Solarautos. Carsharing ist ein weiteres Element, das private Mobilität künftig umweltschonend gestalten soll. Weil viele Fahrzeuge über 90 Prozent der Zeit nur herumstehen, gebe es so viele auf der Welt, erklärt Hahn. „Wir machen aus Stehzeugen wieder Fahrzeuge“, strahlt er.
Im rüden Gegensatz zu dieser Euphorie steht die Sono-Börsenpräsenz. 2021 hat sich das Start-up an die US-Technologiebörse Nasdaq gerettet. Man muss das so ausdrücken. Ohne dort eingesammelte Gelder wäre Sono pleitegegangen. Gut 400 Millionen Euro habe sein Unternehmen per Börse, Investoren und Finanzierungszusagen erhalten, sagt Hahn. Was er nicht sagt, ist, dass die Sono-Aktie seit November gut 80 Prozent an Wert eingebüßt hat und zuletzt für unter 3 Dollar gehandelt wurde.
Daten zum Solarauto Sion
Für sein netto gut 25.000 Euro teures Solarauto Sion hat das Start-up Sono Motors schon vor Produktionsbeginn gut 19.000 Bestellungen nebst Anzahlungen erhalten. 418 Millionen Euro Umsatz winken. Aber Interessenten können noch vom Kauf zurücktreten. Binnen sieben Jahren will Sono rund 257.000 Sion bauen. Was das zweite Standbein angeht, spricht das Start-up von aktuell 19 Projekten zur Lizenzierung der Solartechnik und nennt als Partner MAN, die Münchner Verkehrsgesellschaft oder den Kühlfahrzeughersteller Chereau. Der Sion ist ein mit Solarzellen bestücktes Elektroauto, das mit voller Batterie gut 300 Kilometer weit fährt. Die Solarzellen steuern bei durchschnittlicher europäischer Witterung 16 Kilometer tägliche Zusatzreichweite bei. Pendlerinnen und Pendler in deutschen Großstädten müssen den Sion dadurch bis zu viermal weniger aufladen als Fahrer herkömmlicher Elektroautos mit ähnlicher Fahrzeugklasse und Batterie. Das Auto kann Strom auch wieder abgeben, um ein Haus mit Elektrizität zu versorgen, elektrische Geräte zu betreiben oder um ihn ins Netz einzuspeisen.
Das hat Gründe. Zum einen wurde der Serienstart des Sion erneut verschoben von Frühjahr auf die zweite Hälfte 2023. Nach ursprünglichen Plänen müsste das Solarauto schon am Markt sein. Zum anderen sollte es in Schweden vom Auftragsfertiger Nevs gebaut werden. Der ist Teil des um seine Existenz kämpfenden Evergrande-Konzerns aus China. Der Wechsel zum Auftragsfertiger Valmet in Finnland war der Not geschuldet. Die Skepsis von Börsianern ist greifbar.
Eigentlich sollte Sion schon am Markt sein: Die Skepsis an der Börse ist greifbar
Hahn wirkt aber entspannt. Das Marktumfeld sei sehr schwierig für Technologieaktien, meint er lediglich. Vor allem für Elektroauto-Start-ups gelte das. „Wir verspüren ein starkes Vertrauen unserer großen Investoren“, betont der Jungmanager. Von deren Seite gebe es kein Misstrauen wie das, das sich im Börsenkurs widerspiegelt. Hahn gibt sich auch zuversichtlich, dass bis zum Serienstart des Sion und trotz wachsender Anlaufverluste noch fehlende Mittel aufgetrieben werden.
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Gemessen an früheren Aussagen zum Finanzbedarf müssten das minimal 45 Millionen Euro sein. Hahn schweigt dazu. „Wir haben Zugang zu einem sehr großen Kapitalmarkt und zudem bewiesen, dass wir auch mit schwierigen Phasen umgehen können“, meint er. Letzteres kann man unterstreichen. Der Zugang zum Kapitalmarkt ist beim aktuellen Börsenkurs ein sehr relativer. Viel mehr als die Sonne sollte man vorerst besser noch nicht feiern.