Sonntagslieferung: Dieser Internethändler fordert die Gewerkschaften heraus
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Den Einkauf an die Tür liefern lassen – immer mehr Supermärkte bieten das an. Allerdings haben sich die großen Ketten bisher gegen Arbeit am Sonntag gesperrt.
© Quelle: DPA
Hannover. Beinahe sah es nach einem Flop aus. Als die Politik zu Beginn der Corona-Krise den Weg für Sonntagsöffnungen freimachte, winkten die großen Supermarktketten ab. Schon jetzt sei die Belastung der Mitarbeiter zu hoch, hieß es von Seiten der Konzerne. Damit schien das Thema vom Tisch zu sein – vorerst.
Jetzt aber scheint doch ein Unternehmen die Gunst der Stunde nutzen zu wollen. Der Online-Supermarkt Picnic beliefert seine Kunden auch sonntags. Das Angebot ist zwar zunächst nur auf bestimmte Regionen in Nordrhein-Westfalen beschränkt – allerdings will das Unternehmen mit niederländischen Wurzeln den Service ausweiten, wie die “Welt” berichtet. Der Testlauf startet in der rheinischen Stadt Viersen.
Sonntag ist Ruhetag – eigentlich
Um Lebensmittelengpässe zu vermeiden, hatte sich die Politik Anfang März entschieden, dass Supermärkte auch sonntags öffnen dürfen. Der Gesetzgeber setzt in Deutschland bei der Regelung der Arbeitszeit verhältnismäßig enge Grenzen. Es gilt der Grundsatz, dass der Sonntag Ruhetag ist. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) kennt zwar Ausnahmen für bestimmte Branchen, für den Handel allerdings gilt: Kein Verkauf am Sonntag.
Branchenvertretern ist das schon lange ein Dorn im Auge. Die Gewichte im Handel haben sich längst verschobene, E-Commerce legt immer weiter zu – und die Corona-Krise wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Laut Statistischem Bundesamt ist die Anzahl der Online-Transaktionen zwischen der 13. Kalenderwoche (ab dem 23. März) bis zur 18. Woche um 50 Prozent gestiegen. Der Handel drängt daher auf eine Liberalisierung – und auf mehr Sonntage, an denen die Kunden auch im Laden shoppen können.
Dagegen allerdings laufen Gewerkschaften und Kirchen Sturm. Sie verteidigen den arbeitsfreien Sonntag – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Für die Kirchen ist der arbeitsfreie Sonntag als Tag der Gottesdienste und Familien ein Kulturgut. Auch die Arbeitnehmerseite sperrt sich gegen Öffnungen. So befürchtet die Gewerkschaft Verdi, dass der Druck auf Mitarbeiter weiter steigt, das Privatleben leidet.
Gewerkschafter: “Ich finde das dreist!"
Als “absolut nicht notwendig” bezeichnet Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzel- und Versandhandel bei Verdi, entsprechende Pläne, wie Picnic sie vorantreibt. Es gebe keine Engpässe mit Lebensmitteln, und die Zeit der Hamsterkäufe sei vorbei. Zu Sonntagslieferungen hat der Gewerkschafter eine klare Meinung. “Ich finde das dreist!”, sagte Akman dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Sollte der Lebensmittelhändler an seinen Plänen festhalten, müsse er mit Widerstand rechnen – auch rechtlichem.
In der Vergangenheit hat Verdi sich mehrfach erfolgreich vor Gericht gegen Liberalisierungen gewehrt. Die Kommunen dürfen zwar Sonntagsöffnungen vereinzelt zulassen. Allerdings nur dann, wenn zeitgleich ein nichtkommerzielles Event stattfindet und wenn der Einkauf nicht im Zentrum dieser Veranstaltung steht. Picnic hingegen geht es nach eigenen Angaben nicht um weltanschauliche Debatten – sondern darum, Engpässe zu entschärfen.
Sechs Wochen Wartezeit
Der Lebensmittel-Newcomer, der seit zwei Jahren auf dem deutschen Markt aktiv ist, expandiert laut “Welt” zwar, dabei läuft aber noch längst nicht alles rund. So betrage die Wartezeit bis zur ersten Lieferung aktuell sechs Wochen. Das Unternehmen hat reagiert und ein zweites Kühllager in Herne errichtet – drei Monate früher als geplant.
Damit will Picnic die coronabedingte hohe Nachfrage befriedigen. Am liebsten auch am Sonntag.
RND