So will die GroKo aus der Kohle aussteigen

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde in Brandenburg.

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde in Brandenburg.

Nach langen Verhandlungen hat sich die schwarz-rote Koalition auf die Bedingungen für den Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Stein- und Braunkohle geeinigt. Wir erläutern, wofür die Bundesregierung viele Milliarden Euro ausgeben will.

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Wann wird der Kohleausstieg endgültig festgeklopft?

Das Gesetzespaket steht für Freitag auf der Tagesordnung des Bundestages. Laut Wirtschaftsministerium wurde in der Nacht zu Dienstag eine sogenannte Formulierungshilfe beschlossen. Es gilt deshalb als sicher, dass die Koalitionsfraktionen den Bestimmungen dann endgültig zustimmen. Die Umsetzung soll schon im September dieses Jahres beginnen. Deutschland wäre damit das erste große Industrieland, das sowohl ein Ende der Atomkraft als auch ein Abschalten der Kohlekraftwerke zum Zwecke des Klimaschutzes verbindlich beschlossen hat.

Wann wird die letzte Kilowattstunde Kohlestrom ins deutsche Netz eingespeist?

Das soll spätestens im Jahr 2038 der Fall sein. Die letzten Kilowattstunden werden aus großen Braunkohlekraftwerken am Niederrhein und in der Lausitz kommen. Womöglich wird der Zeitpunkt von den Betreibern aber auch freiwillig vorgezogen. Das hängt stark von der CO₂-Bepreisung ab. Denn bereits in den vergangenen Monaten lag der Preis für die Kohlendioxidemissionen, den die Kraftwerke zahlen müssen, auf dem Niveau des Strompreises an den Rohstoffbörsen – die Betreiber haben daran also nichts verdient. Viele Braunkohlekraftwerke wurden zeitweise heruntergefahren.

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Wie wird der Ausstieg gestaffelt?

Die Stilllegungen werden sukzessive vorgenommen. Bei der Braunkohle gilt: Je älter das Kraftwerk, umso früher wird stillgelegt. Dafür gibt es fixe Entschädigungen. Für die Steinkohle wird ein Versteigerungsmechanismus eingeführt: Wer die günstigsten Entschädigungen anbietet, kommt zum Zug. Dabei wurden Höchstwerte pro Megawatt Leistung festgelegt. Die Zahlungen vom Staat sollen sinken, je später das Kraftwerk vom Netz geht. Das soll einen Anreiz bieten, möglichst schnell die Anlagen abzuschalten. Das Unternehmen Uniper, einer der größten Steinkohleverstromer, plant beispielsweise einen sehr zügigen Ausstieg.

Was war an dem Mechanismus umstritten?

Dass die Braunkohle, die besonders viel CO₂ ausstößt, länger Strom erzeugen darf als die etwas umweltfreundlichere Steinkohle – daran wird aber nicht mehr gerüttelt. Massive Kritik gab es zudem von den Betreibern der Steinkohlekraftwerke. Darunter sind auch viele Stadtwerke. Hauptpunkt: Die Stilllegungen mittels Versteigerungen sollten nur bis 2026 laufen, um danach ohne Entschädigung abschalten zu können. Nun ist erstens eine zusätzliche Versteigerung eingeführt worden – die Kraftwerke müssen erst im Jahr 2027 vom Netz – und die Höchstwerte für die Gebote wurden deutlich nach oben gesetzt.

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Welche Rolle spielt die Kraft-Wärme-Kopplung bei dem Kompromiss?

Eine ganz wichtige. In vielen Ballungsgebieten wird die Wärme, die beim Verbrennen der Kohle entsteht, gewissermaßen als Abfallprodukt genutzt – um Wohnungen zu heizen und Industrieanlagen mit Wärme zu versorgen. Wegen dieser Funktion sollen die Anlagen weiterlaufen. Allerdings müssen sie auf den Betrieb mit Erdgas umgestellt werden. Dafür sind staatliche Zuschüsse geplant. Doch aus Sicht vieler Betreiber – vor allem Stadtwerke – waren die dafür ursprünglich vorgesehenen Summen zu niedrig angesetzt. Sie werden jetzt spürbar auf 390 Euro pro Kilowatt Leistung erhöht. Der Verband der kommunalen Unternehmen hat diese Änderung ausdrücklich begrüßt.

Wie sieht es mit den “jungen” Steinkohlekraftwerken aus?

Das war ein besonderer Streitfall, auch weil noch vor gut einem Jahrzehnt die Bundesregierung Stadtwerke und andere Betreiber ermunterte, neue Steinkohlekraftwerke zu bauen. Für Anlagen, die seit 2010 in Betrieb gingen, wird nun eine Sonderregelung geschaffen. Sie sieht vor, dass in den Jahren 2022, 2026 und 2029 überprüft wird, wie es um diese Kraftwerke steht. Kommen sie weder bei den Ausschreibungen noch bei der Förderung zur Umrüstung zum Zuge, soll eine andere Form für Entschädigung gefunden werden.

Was geschieht in den Braunkohlerevieren am Niederrhein und in Ostdeutschland?

Die betroffenen Bundesländer (NRW, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg) erhalten vom Bund finanzielle Hilfen in Höhe von insgesamt 40 Milliarden Euro. Da in diesen Regionen die Braunkohle ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, soll mit dem Geld der Strukturwandel gefördert werden. Neue Unternehmen, aber auch Bundesbehörden sollen angesiedelt werden.

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Wäre ein schnellerer Ausstieg nötig?

Es gibt zahlreiche Studien, die einen schnelleren Ausstieg etwa schon bis 2030 durchspielen. “Diverse Kohlekraftwerke werden viel zu spät abgeschaltet, und die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks in Datteln wird abgesegnet”, sagte denn auch Oliver Krischer, Bundestagsfraktionsvize der Grünen, dem ReaktionsNetzwerk Deutschland. Der Kohleausstieg werde mit der schwarz-roten Einigung nicht besser, sondern nur teurer. Die Betreiber der Steinkohlekraftwerke könnten nun bis zu 1,6 Milliarden Euro über die Ausschreibungen erhalten. Das seien noch einmal 170 Millionen Euro mehr als im ursprünglichen Entwurf.

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