Ryanair-Personalchef über Staatshilfen für Lufthansa: “Abhängig wie ein Süchtiger”
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Ryanair kündigte vor Kurzem die Schließung der Basis Hahn und eine wahrscheinliche Schließung der Basis Weeze an.
© Quelle: María José López/EUROPA PRESS
Corona hat die Luftfahrt in eine schwere Krise gerissen. Das bekommt auch der Billigflieger Ryanair zu spüren. Dennoch betont Personalchef Darrell Hughes, dass er möglichst viele Beschäftigte im Unternehmen halten will. Allerdings warnt er nun vor Entlassungen bei den Flugbegleitern, wenn es im Konflikt um Gehaltskürzungen keine Einigung geben sollte. Hughes fordert zudem, dass hiesige Flughafenbetreiber effizienter werden müssen, um die Kosten für seine Airline zu reduzieren, erzählt er im Interview.
Deutsche Flughäfen arbeiten mit zu hohen Kosten
Herr Hughes, gerade haben Sie verkündet, Ihre Basis in Düsseldorf aufzugeben. Wie stark wird Ryanair seine Kapazitäten in Deutschland noch zurückfahren? Und es gibt immer wieder Spekulationen, dass Ryanair auch den Hahn im Hunsrück komplett aufgeben wird. Weeze am Niederrhein soll wegfallen. Was ist daran wahr?
Darrell Hughes: Wir haben im Juli die Schließung der Basis Hahn und eine wahrscheinliche Schließung der Basis Weeze angekündigt und sind derzeit noch dabei, unseren Winterflugplan zu finalisieren. Dabei muss ich genau erklären: Eine Basis bedeutet, dass die Flugzeuge dort übernachten. Die Crews sind an diese Airports gebunden. Die Flughäfen werden aber nach wie vor angeflogen von Maschinen, die anderswo stationiert sind. Wir waren in Hahn sehr erfolgreich. Und wir sind in Gesprächen mit den Betreibern, um herauszufinden, welche Kostensenkungen für uns möglich sind, um den Flugbetrieb dort fortzuführen. Deutsche Flughäfen arbeiten generell mit sehr hohen Kosten. Sie müssen effizienter werden. Wir haben im Moment aber keine Pläne, den Flugbetrieb in Hahn oder in Weeze komplett einzustellen.
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Darrell Hughes arbeitet seit 19 Jahren für Ryanair. Als Personalchef ist er für mehr als 20.000 Beschäftigte zuständig. Der irische Billigflieger bezeichnet sich selbst als Europas größte Fluggesellschaft. Vor der Covid-Pandemie beförderte das Unternehmen mit seiner Kernmarke und den Töchtern Buzz, Lauda und Malta Air zuletzt rund 150 Millionen Fluggäste jährlich. Ryanair verfügt über 470 Mittelstrecken-Flugzeuge.
© Quelle: privat
In Deutschland haben Sie gerade noch andere Probleme. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verweigert den Piloten, die bei Ihrer Tochter Malta Air arbeiten, das Kurzarbeitergeld. Wie ist der aktuelle Stand?
Zunächst hat die BA unseren Antrag genehmigt, aber dann doch wieder zurückgenommen. Wir haben gemeinsam mit der Pilotengewerkschaft VC dagegen protestiert. Wir haben Beschäftigte, die in Deutschland angestellt sind, die deutsche Steuern zahlen und in die deutsche Sozialversicherung einzahlen, denen aber das Kurzarbeitergeld verweigert wird.
Diskussionen über Kurzarbeitergeld halten an
Das Hauptargument ist aber, dass Malta Air kein deutsches Unternehmen ist.
Das wollen wir nun vor Gericht klären. Die Piloten leben in Deutschland, sie kehren nach ihrem Arbeitstag zu einem deutschen Flughafen zurück. Für uns ist das Verhalten der BA völlig unverständlich.
Nun argumentiert die Gewerkschaft Verdi, bei früheren Verhandlungen über die Bildung von Betriebsräten hätte Ryanair immer betont, Malta Air sei kein deutsches Unternehmen, deshalb könnten auch keine Betriebsräte nach deutschem Recht gegründet werden. Stimmt das?
Wir haben von Anfang an die Forderung von Verdi akzeptiert, einen Betriebsrat zu bilden. Ich verstehe nicht, worauf die Argumentation von Verdi abzielt, zumal die Bildung von Betriebsräten nichts mit Kurzarbeitergeld zu tun hat.
Vorgehen in den europäischen Staaten teils sehr unterschiedlich
Sind Sie sauer auf den deutschen Staat?
Ich möchte betonen, dass die deutsche Regierung, einen guten Job macht. Dass allen Reisenden Covid-Tests angeboten wurden, war eine sehr vernünftige Politik. Die Erfolge dieser Strategie lassen sich an den relativ niedrigen Infektionsraten in Deutschland ablesen. Leider sieht es nun aber danach aus, als würde es von Oktober an verschärfte Quarantäneregeln geben. Aber: Wir sehen erheblich mehr Schwierigkeiten in anderen Ländern, die teilweise mit extremen Restriktionen arbeiten, wie in Ungarn, wo es den Bürgern verboten ist, das Land zu verlassen. Wir wünschen uns eine koordinierte pan-europäische Vorgehensweise.
Was macht Sie so sicher, dass Restriktionen überzogen sind?
Wir haben in den vergangenen drei Monaten gesehen, dass das Fliegen selbst kein signifikanter Faktor für die Verbreitung des Covid-Virus ist. Gleichzeitig ist aber die Mobilität über die nationalen Grenzen hinweg ein enorm wichtiger Faktor für eine funktionierende Ökonomie und eine funktionierende Gesellschaft.
Auslastung der Flugzeuge deutlich geringer als vor der Krise
Aber vorerst wird diese Mobilität stark eingeschränkt sein. Wie lange hält das Ryanair noch aus?
Die Internationale Luftfahrtorganisation geht davon aus, dass das Passagieraufkommen das Vorkrisenniveau nicht vor 2024 erreichen kann. Das wird sehr herausfordernd. Wir wissen, dass wir die Nachfrage mit billigeren Tickets stimulieren müssen. Denn die Auslastung unserer Flugzeuge ist erheblich geringer als vor der Krise. Deshalb sind uns längerfristige Vereinbarungen mit unserer Belegschaft, die über vier Jahre laufen, so wichtig.
Wie geht es jetzt mit den Malta-Air-Piloten weiter?
Wir versuchen, den Fall so schnell wie möglich vor Gericht zu klären. In der Zwischenzeit werden die Piloten von uns weiterbezahlt. Wir sind im August 60 Prozent unseres regulären Flugplans geflogen und müssen unsere Kapazität im September und im Oktober um 20 Prozent reduzieren. Die Piloten arbeiten derzeit also auf Teilzeitniveau.
Unsicherheit für alle Fluggesellschaften derzeit groß
Was steht in den Wintermonaten noch alles bevor?
Wir werden im Winter im Vergleich zum Vorjahr merklich weniger Passagiere haben. Worauf es konkret hinausläuft, ist noch nicht klar. Die Unsicherheit für alle Fluggesellschaften ist derzeit enorm. Wir werden in ganz Europa herausgefordert durch das Zusammenspiel von Quarantänemaßnahmen und Reisebeschränkungen. Die Vorschriften ändern sich täglich. Für unsere Belegschaften bedeutet das: Wir haben Vereinbarungen getroffen, die unsere Kosten senken und zugleich die Jobs der Beschäftigten sichern. Das haben wir auch mit der VC für die Piloten so vereinbart. Wir versuchen mit aller Kraft, so viele Mitarbeiter wie möglich im Unternehmen zu halten. Bei anderen Fluggesellschaften werden Piloten entlassen.
Und wie sieht es bei den Kabinencrews aus? Die Verhandlungen mit Verdi wurden abgebrochen, weil Sie laut Gewerkschaft ein Angebot gemacht haben, das den Flugbegleitern weniger Gehalt als das Arbeitslosengeld bringen würde.
Das stimmt nicht. Wir haben Verdi einen Vorschlag gemacht mit ähnlichen Konditionen wie für die Piloten, was von der VC akzeptiert wurde. Wir haben vorgeschlagen, die Gehälter zwischen 5 und 10 Prozent abzusenken. Nach vier Jahren wollen wir auf das vorherige Niveau zurückkehren. Zudem wollen wir die Arbeit neu verteilen als Alternative zu Entlassungen. Mit mehr als 90 Prozent der Kabinencrews in Europa haben wir solche Vereinbarungen bereits abgeschlossen. Ich verstehe, dass Gehaltseinbußen für Flugbegleiter herausfordernd sind, aber wir haben gerade eine sehr herausfordernde Situation. Deshalb werden wir an Entlassungen von Kabinenmitarbeitern in diesem Winter möglicherweise nicht vorbeikommen.
Massive Verzerrungen durch staatliche Rettungsaktionen in der Branche
Sehen Sie eine Chance, die Verhandlungen wieder aufzunehmen?
Unsere Tür ist immer offen. Wir haben aber bereits drei Monate verhandelt. Und wir haben nicht die Zeit, noch weitere drei Monate zu verhandeln.
Wird es im Winter in der Branche insgesamt größere Arbeitslosigkeit geben, weil Airlines insolvent werden?
Schon in normalen Zeiten sehen wir viele Insolvenzen. Durch die Covid-Krise wird die Konsolidierung noch verstärkt. Schwächere Airlines werden entweder verschwinden oder von Wettbewerbern übernommen. Zugleich gibt es in der Branche aber auch massive Verzerrungen durch staatliche Rettungsaktionen. Das hat zur Folge, dass auch ineffiziente und defizitäre Flugbetriebe aufrechterhalten werden, die in normalen Zeiten nicht überlebensfähig wären.
Lufthansa arbeitet nicht so, wie eine moderne Fluggesellschaft arbeiten müsste
Wie beurteilen Sie das neun Milliarden Euro schwere Hilfspaket für die Lufthansa?
Lufthansa ist abhängig von der staatlichen Hilfe wie ein Süchtiger von seiner Droge abhängig ist. Das Geld wird aber nicht genutzt, um das Unternehmen effizienter zu machen, was über viele Jahre vom Management versäumt wurde.
Aber auch Ryanair hat von der britischen Regierung Staatshilfe über rund 670 Millionen Euro erhalten.
Dabei handelt es sich aber um einen Kredit, der im März nächsten Jahres zurückgezahlt werden muss. Um das klarzumachen: Wir haben nichts gegen staatliche Hilfen für Airlines, wenn diese Hilfen nicht diskriminierend sind. Etwa in Form günstiger Kredite oder in Form von Steuerermäßigungen für alle Fluggesellschaften und orientiert an der Größe der Airline im jeweiligen Markt. Die Regierungen in der EU suchen sich jetzt aber jeweils ihre nationalen Champions aus, die ganz normale private Unternehmen sind und nun mit Steuergeld vollgepumpt werden. Der deutsche Steuerzahler bezahlt für die Ineffizienz der Lufthansa, die nicht so arbeitet, wie eine moderne Fluggesellschaft arbeiten müsste.