Plan für Industriestrompreis: Habeck will günstigere Energie für Unternehmen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/LZH53IJOSJBMTEWR6O5YRXK6SA.jpeg)
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, bei der Konferenz der Grünen-Bundestagsfraktion «Grüne Wärme für alle»
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will der Industrie zu günstigerer Energie verhelfen. Am Freitag legte der Grünen-Politiker ein Konzept für einen zweistufigen Industriestrompreis vor. Darin schlägt er staatliche Hilfen mit einem Volumen von bis zu 30 Milliarden Euro vor. Ziel sei es, wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen.
Viele Industriebetriebe ächzen unter den gestiegenen Strompreisen. Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände fordern seit langem einen Industriestrompreis. Befürchtet wird, dass Unternehmen wegen der im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland Produktion ins Ausland verlagern.
„Die energieintensiven Unternehmen sind die Basis der deutschen Industrie und damit unseres Wohlstands“, heißt es in einem Papier Habecks. Viele dieser produzierenden Unternehmen, etwa der Chemie-, Stahl-, Metall-, Glas- oder Papierindustrie, lieferten die Grundstoffe für die Produkte, mit der die deutsche Industrie international erfolgreich sei.
Habeck will „Transformationsstrompreis“
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise habe diese Unternehmen sehr hart getroffen. „Der Energiepreisschock gefährdet akut Deutschlands Wohlstand und seine starke industrielle Basis.“ Es sei mit den Energiepreisbremsen gelungen, die Lage in Deutschland zu stabilisieren. „Das Erreichte dürfen wir jetzt nicht gefährden. Deutschland braucht seine Grundstoffindustrien genauso wie neue Zukunftsindustrien.“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SUXJXPIWORDNBLHNMVWTSMEM5M.png)
Unbezahlbar
Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Habeck will langfristig einen „Transformationsstrompreis“. Die Industrie soll von günstigem Strom aus erneuerbaren Energien profitieren. Maßnahmen dazu, etwa mehr Flächen für Windräder, brauchten aber Zeit, um zu wirken und dauerhaft die Versorgung energieintensiver Unternehmen mit erneuerbarem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen zu garantieren.
Deswegen soll es in einer Zwischenphase bis 2030 einen „Brückenstrompreis“ geben von 6 Cent pro Kilowattstunde für einen „klar definierten“ Empfängerkreis, der aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müsse.
Finanzbedarf von rund 25 bis 30 Milliarden Euro
„Die deutsche Industrie hat sich auf den Weg gemacht und ist bereits dabei, ihre Prozesse umzustellen, die es für eine klimaneutrale Produktion weltweit braucht“, sagte Habeck laut einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. „Auf diesen Weg müssen wir unterstützen, denn dieser Weg sichert uns auch in Zukunft einen starken wettbewerbsfähigen Standort mit nachhaltigen Arbeitsplätzen.“
Die Kosten eines Industriestrompreises hänge wesentlich von der weiteren Entwicklung der Marktpreise ab, heißt es in dem Papier. Nach aktueller Lage ergebe sich für den Zeitraum nach Auslaufen der Strompreisbremse ein Finanzbedarf bis 2030 von rund 25 bis 30 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen.
Finanzminister Lindner ist skeptisch
Dieser in der Corona-Pandemie errichtete Fonds wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern. Finanziert werden mit bis zu 200 Milliarden Euro vor allem die Strom- und Gaspreisbremse. Wegen sinkender Preise könnte die Finanzierung der Bremsen aber deutlich günstiger werden.
„RND vor Ort“ mit Robert Habeck: „Im Grunde bewundere ich die jungen Leute für ihre Courage – alle“
Energiewende, Ampelkonflikte und Vetternwirtschaft – die Highlights von „RND vor Ort“ mit Robert Habeck.
© Quelle: RND
Die rechtlichen Hürden für die Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds seien hoch, heißt es im Papier. „Eine verfassungsrechtlich saubere Lösung erfordert zwingend neue parlamentarische Beschlüsse.“
Ein Industriestrompreis ist in der Regierungskoalition umstritten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat Vorbehalte. Auf direkte staatliche Hilfen zu setzen, sei „ökonomisch unklug“ und widerspreche den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, schrieb er in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. Lindner hatte sich auch schon gegen eine Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds ausgesprochen.
Spahn: Industriestrompreis ist wichtiges Thema
Der Brückenstrompreis soll nach Habecks Konzept nur auf 80 Prozent des Verbrauchs Anwendung finden, um Effizienzanreize zu schaffen. Bedingungen sollen unter anderem Tariftreue und eine Standortgarantie sein. Der Brückenstrompreis solle „komplexe Wertschöpfungsketten und gute Arbeitsplätze“ erhalten, die Grundlage für die Ansiedlung der Industrien „von morgen“ schaffen und den Rahmen für die schnelle Umstellung auf klimaneutrale Produktionsweisen setzen.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte, ein Industriestrompreis sei ein wichtiges Thema für den Industriestandort Deutschland. „Daher kommt es auch sehr auf die genaue Ausgestaltung an. Wir schauen uns das Konzept konstruktiv an und prüfen den Vorschlag. Eine Frage haben wir aber: was sagt eigentlich der Finanzminister dazu? Es ist schon bemerkenswert, dass dieses Konzept angesichts der Wichtigkeit des Themas nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wurde.“
Kritik aus der FDP-Fraktion
Die Kritik ließ am Freitag nicht lange auf sich warten. „Die FDP-Fraktion sieht den Vorstoß von Minister Habeck sehr kritisch“, sagte Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Auswahl des Empfängerkreises ist willkürlich und der angemeldete Finanzbedarf ist nicht leistbar“, so Houben.
„Die FDP-Fraktion sieht den Vorstoß von Minister Habeck sehr kritisch“
Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher FDP-Fraktion
Deutschland müsse stattdessen mit guten Rahmenbedingungen bei der Industrie punkten, um sie im Land zu halten. „Eine fragwürdige Dauersubventionierung ist hingegen nicht nachhaltig“, so der FDP-Politiker.
Mittelstandschef sieht Mittelstand benachteiligt
Markus Jerger, Vorsitzender der Bundesvereinigung Der Mittelstand, begrüßte zwar die Pläne. Angesichts der „einsetzenden schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands“ sei die Absicht, den Strompreis für Unternehmen auf ein im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiges Niveau zu deckeln, „dringend, zwingend und notwendig“, sagte Jerger dem RND.
Der Brückenstrompreis dürfe jedoch nicht wesentlich höher als vier Cent je Kilowattstunde liegen „Zudem muss er diskriminierungsfrei auch für mittelständischen Unternehmen gelten, nicht nur für energieintensive Großunternehmen und erst dann auslaufen, wenn die durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien erzielte Strommenge für spürbar sinkende Marktpreise sorgt“, forderte Jerger.
Begrenzung des Empfängerkreises „existenzbedrohend“
„Es kann doch nicht sein, dass insbesondere große Nutzer, also energieintensive Unternehmen an den günstigen Strom kommen“, so der Mittelstandschef. „Es ist unverantwortlich, wenn von vornherein nur diese energieintensiven Produktionen begünstigt werden“, so Jerger weiter. Das benachteilige sämtliche mittelständischen Zulieferer.
„Außerdem sollte das Bundeswirtschaftsministerium zur Kenntnis nehmen, dass durch Zulieferbeziehungen praktisch der gesamte deutsche Mittelstand im internationalen Wettbewerb steht, eine Begrenzung des Empfängerkreises für den Brückenstrompreis nicht nur falsch ist, sondern existenzbedrohend“
RND/dpa/jap