„Gigantische Aufgabe“: Wie Habeck den Ökostrom in acht Jahren verdoppeln will
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/64JOBELNCVC33GCMKDMARSRP5A.jpg)
Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Pressekonferenz zur „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“.
© Quelle: imago images/Future Image
Berlin. Deutschland hat bislang falsch gedacht. So sieht es Robert Habeck (Grüne), seit einem Monat Wirtschafts- und Klimaminister – und er hat große Pappschilder mit Schautafeln mitgebracht, die das Ergebnis dieses falschen Denkens veranschaulichen sollen.
Die Balken zeigen, wie stark der Ausstoß von klimaschädlichem Treibhausgas in Deutschland seit 1990 gesunken ist. Nicht schnell genug. Und wie der Anteil von Wind-, Solar- und anderen erneuerbaren Quellen gestiegen ist. Zu langsam, um die Klimaziele zu erreichen, die die vorherigen Bundesregierungen ins Gesetz geschrieben und international zugesagt haben.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 soll Deutschland den CO₂-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bei vorliegendem Tempo erreiche man allenfalls eine Minderung von 50 Prozent, so Habeck.
Also will er die Energiewende massiv beschleunigen und dafür bis zum Sommer zwei große Gesetzespakete auf den Weg bringen: Das Osterpaket soll im April vom Kabinett und bis zum Sommer vom Bundestag beschlossen werden. Es soll unter anderem den Solarausbau und die Windkrafterzeugung an Land beschleunigen, Förderverträge mit der Industrie für den Einsatz grünen Stroms forcieren und dafür sorgen, dass ab 2025 alle neuen Heizanlagen zu 65 Prozent mit Ökoenergie laufen.
Das Sommerpaket werde noch vor der Parlamentspause im Kabinett verabschiedet und soll bis Ende des Jahres beschlossen werden.
Habeck zu Klimazielen: „Wir starten mit einem gehörigen Rückstand“
Klimaschutzminister Robert Habeck will in den nächsten Monaten die Länder überzeugen, mehr Flächen für den Ausbau von Windkraft zur Verfügung zu stellen.
© Quelle: Reuters
Die Aufgabe ist „gigantisch“, sagt Habeck: „Wir haben es geschafft, in Deutschland in den letzten 30 Jahren die erneuerbaren Energien zu einem Anteil von 42 Prozent der Stromversorgung zu bringen.“ Das sei angesichts der anfänglichen Skepsis eine Leistung. „Aber wir haben dafür 30 Jahre gebraucht, und wir haben noch acht Jahre, den Anteil auf 80 Prozent zu bringen.“
Menge von Ökostrom muss sich mehr als verdoppeln
So sieht es der Koalitionsvertrag vor: eine Verdopplung in acht Jahren – und da sei noch nicht eingerechnet, dass der Strombedarf durch Technologien wie Elektroautos oder Wärmepumpen um ein Viertel steigen werde.
Deshalb müsse das Land künftig anders denken, sagt Habeck: nicht mehr ans Verhindern, sondern ans Ermöglichen. Im vorigen Jahr habe der Zuwachs an Windkraftanlagen auf See bei null gelegen, sagt er und tippt auf einen blauen Balken auf seinem Schild.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
An Land müssten die Bundesländer 2 Prozent ihrer Flächen für Wind- und Solarkraft freigeben, um den nötigen Ausbau zu ermöglichen. Doch dem kämen allenfalls Hessen und Schleswig-Holstein nahe, weshalb die Ampel das Zwei-Prozent-Ziel nun gesetzlich vorschreiben will. Da habe er intensive Gespräche vor sich, sagt Habeck. „Wo Abstandsregeln vorgehalten werden, um Verhinderungsplanung zu betreiben“, will er die Landesvorgaben sogar kippen.
Da das vor allem Bayern betrifft, reagiert die CSU sofort empört. Der Abstand von Wohnhäusern zu Windrädern „sichert Akzeptanz und sorgt für Bürgerbeteiligung“, schimpft CSU-Generalsekretär Markus Blume später.
Das Land stehe vor einer großen klimapolitischen Debatte, sagt Habeck. Es gehe nicht nur um technische Fragen, sondern auch um soziale, um kulturelle Identität ländlicher Räume, ums Verhältnis von Land und Stadt. „Das sind Fragen, die tief in die Gesellschaft eingreifen“, sagt der promovierte Philosoph. Zugleich könne man wieder Innovationsland werden.
Kritik von Fridays for Future
Für die Klimaaktivisten von Fridays for Future (FFF) passen die großen Worte nicht zum Wirken der Ampel: „Die Lücke zwischen den Versprechen im Klimaschutz und den tatsächlichen Emissionen war nie größer als heute“, sagt FFF-Sprecherin Carla Reemtsma dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Statt nun konsequent umzusteuern, entscheidet sich die Ampel weiter gegen jede einzelne Maßnahme, die den Ausstoß schnell senken würde.“ So ignoriere sie den Verkehrssektor, halte an fossilem Gas fest und lasse den viel zu niedrigen CO₂-Preis unangetastet, klagt Reemtsma.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Habeck weiß, dass sein Weg lang und die Zeit kurz ist. „Das, was wir uns vorgenommen haben, ist megaambitioniert“, sagt er, „aber erreichbar“. Aber: „Das kann nur gemeinsam funktionieren.“
Er betont, dass alle Maßnahmen, die mit Kosten für Bürger verbunden seien, sozialpolitisch flankiert würden. Als Beispiele nennt er den steigenden Mindestlohn sowie höhere Hartz-IV-Sätze. Die EEG-Umlage soll 2023 wegfallen. So spare jeder Haushalt 300 Euro jährlich.
Der Linkspartei geht das nicht schnell genug. „Wenn Preise für notwendige Energie explodieren, muss der Staat gegensteuern, darf nicht noch daran verdienen“, sagt Fraktionschef Dietmar Bartsch dem RND. „Warum können wir die Mehrwertsteuer auf Strom, Heizöl, Erdgas und Sprit nicht von 19 auf 7 Prozent senken, zumindest zeitweise?“ Für Familien könnte der Strompreis so um rund 200 Euro im Jahr sinken, so Bartsch. „Versorgung mit Energie gehört zum Grundbedarf.“