Armin Papperger im RND-Interview

Rheinmetall-Chef: „Kein Land in Europa ist gut auf einen Überfall vorbereitet“

Rheinmetall-Vorstand Armin Papperger und ein Soldat stehen vor einem Kampfpanzer Panther KF51 (links) des Rüstungskonzerns Rheinmetall.

Rheinmetall-Vorstand Armin Papperger und ein Soldat stehen vor einem Kampfpanzer Panther KF51 (links) des Rüstungskonzerns Rheinmetall.

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Düsseldorf. Tradition und Moderne – in der Zentrale von Deutschlands größtem Rüstungskonzern Rheinmetall unweit des Düsseldorfer Flughafens liegt das eng beisammen. Zur Zeit des Kalten Krieges wurden an dem Standort im Stadtteil Derendorf Maschinengewehre und Munitionshülsen hergestellt, inzwischen ist auf dem alten Fabrikgelände ein modernes Quartier mit Büros, Lofts und schicken Wohnungen entstanden. Der Empfangsbereich der Konzernzentrale am Rheinmetallplatz 1 ist lichtdurchflutet, die Besprechungsräume gleich nebenan hingegen zeugen von der langen und wechselvollen Historie des Unternehmens: schwere Antikholzmöbel, dunkle Farben, ein Ölgemälde an der Wand. Hier empfängt Konzernchef Armin Papperger, 60, die RND-Redakteure zum Interview.

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Herr Papperger, der Aktienkurs Ihres Unternehmens hat sich seit Dezember 2021 verdreifacht, 2022 gab es ein Rekordergebnis, das Sie dieses Jahr übertreffen wollen. Sind sie ein glücklicher Mensch?

Sagen wir, ich bin ein beschäftigter Mensch. Und das macht mich nicht unglücklich.

Sie rechnen mit 20 bis 30 Prozent Wachstum – pro Jahr. Welchen Anteil an den glänzenden Geschäftsaussichten hat der russische Überfall auf die Ukraine?

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Einen entscheidenden. Ein Großteil unseres Wachstums ist auf den schrecklichen Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Kein Land in Europa ist gut vorbereitet für den Fall, dass ein Aggressor es überfällt. Das haben die Regierungen begriffen, deshalb steigt die Nachfrage nach unseren Produkten.

Unser Gefühl ist, dass das alles noch sehr langsam geschieht. Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr haben bislang kaum zu neuen Aufträgen geführt.

Im Jahr 2022 wurden nicht sonderlich viele Verträge geschlossen, da haben Sie recht. In diesem Jahr aber wird sich das ändern. Wir sind im Augenblick dabei, mehrere sehr große Aufträge zu verhandeln: Panzer, Munition, demnächst Flugabwehr – und Flugzeuge. Dabei geht es um lange Laufzeiten und viele Milliarden Euro.

Flugzeuge sind für Rheinmetall neu. Sie sollen Rumpfteile für den amerikanischen Kampfflieger F-35 produzieren, den die Bundeswehr als Ersatz für veraltete Tornado-Jets bestellt hat. Wie wichtig war die deutsche Bestellung für den Auftrag?

Das war ein wichtiger Türöffner. Ohne die Bestellung der F35-Jets für die Bundeswehr wäre die Produktion der Mittelteile kaum nach Deutschland gegangen. Wir werden die Teile für sämtliche Märkte außerhalb der USA produzieren. Das wird über Jahrzehnte Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland sichern.

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Wir werden die Teile für sämtliche Märkte außerhalb der USA produzieren. Das wird über Jahrzehnte Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland sichern.

Haben Sie schon einen Standort gefunden?

Ja, aber ich verrate noch nicht, welchen.

Kerngeschäft von Rheinmetall ist die Produktion von Munition, deren Bedeutung jahrelang unterschätzt worden ist. Jetzt können Sie gar nicht genug Geschosse herstellen. Wie viel Kapazität fehlt?

Bei der Panzermunition verfügen wir über die größte Fertigungskapazität der Welt. Da gibt es kein Problem. Anders sieht das bei Artilleriemunition mit dem Kaliber 155 Millimeter aus. Davon können wir derzeit 450.000 Schuss pro Jahr herstellen, aber allein die Ukraine benötigt bis zu eine Million Schuss. Mit dem spanischen Hersteller Expal, den wir im Laufe des Sommers übernehmen möchten, werden wir unsere gemeinsame Kapazität perspektivisch auf bis zu 600.000 Schuss ausbauen. Den Rest müssen andere Hersteller liefern.

HANDOUT - 24.02.2022, Polen, ---: Auf diesem von der U.S. Air Force zur Verfügung gestellten Bild fliegt eine F-35 Lightning II der U.S. Air Force über Polen.  (zu dpa "Bundesregierung will F-35-Tarnkappenjets für Bundeswehr beschaffen") Foto: Senior Airman Joseph Barron/U.S. Air Force via AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

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Ist das Versprechen der EU einzuhalten, die Ukraine binnen eines Jahres mit einer Million Schuss Artilleriemunition zu versorgen?

Ja. Kurzfristig wird die Ukraine die eine Million Schuss Artilleriemunition aber nur bekommen, wenn europäische Armeen Lagerbestände zur Verfügung stellen. Wir auf der industriellen Seite arbeiten mit Hochdruck daran, die Produktionskapazitäten zu erhöhen. Wir stellen Personal ein, machen eingemottete Maschinen wieder fit, bauen neue Lieferketten auf. Allerdings wird es sechs bis zehn Jahre dauern, ehe alle europäischen Munitionsdepots aufgefüllt sind.

Ist es für einen Rüstungskonzern besonders schwierig, neue Mitarbeiter zu finden?

Eigentlich nicht. Natürlich spüren auch wir den Fachkräftemangel, aber wir profitieren davon, dass sich unser Image gewandelt hat. Zwischen 70.000 und 80.000 Initiativbewerbungen aus Deutschland gehen jährlich bei uns ein – dreimal so viele wie vor dem Krieg. Viele Menschen wollen ihr Land schützen, aber nicht alle als Soldat. Einige davon kommen zu uns.

Es gab Pläne für eine neue Pulverfabrik in Deutschland, womöglich in Sachsen. Zuletzt haben Sie sich skeptisch geäußert und Unterstützung der Politik angemahnt. Kommt da zu wenig?

Ich könnte mir jedenfalls mehr vorstellen. Die Idee für eine solche Fabrik kam nicht von uns, sondern das Verteidigungsministerium hat gefragt, wo es Engpässe bei einer nationalen Munitionsversorgung gibt. Dann hat das Ministerium uns um ein Konzept gebeten, das haben wir geliefert. Darin steht, dass ein Pulverwerk eine Investitionssumme von etwa 700 Millionen Euro erfordern würde.

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Der Schriftzug Rheinmetall auf dem Firmengebäude in Düsseldorf: Der Konzern hat schon frühzeitig von Sachsen als Standort seiner neuen Pulverfabrik gesprochen. Nun wird die Planung konkreter.

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Vieles spricht dafür, dass das Rüstungsunternehmen Rheinmetall bald Munitionspulver im sächsischen Landkreis Meißen herstellen wird: Der Freistaat, die Kommune Großen­hain und die Firma intensivieren die Abstimmung.

Und jetzt streiten Sie um Subventionen?

Nein. Aber bei einem Investment dieser Größenordnung brauche ich garantierte Abnahmemengen. Damit sich ein neues Pulverwerk rechnet, benötigen wir einen Rahmenvertrag von 800.000 Schuss mit einer Mindestabnahme von 100.000 Schuss pro Jahr. So viel Bedarf hat die Bundeswehr nicht. Darüber reden wir gerade. Es gäbe auch noch die Möglichkeit, unser bestehendes Pulverwerk in Bayern zu erweitern. Die Kapazität wäre dann allerdings kleiner.

Sie sind an der Aufbereitung und Wartung vieler Kampf- und Schützenpanzer an die Ukraine beteiligt. Wie schlagen die sich im Gefecht?

Gut! Die Rückmeldungen der Ukrainer zu den deutschen Waffen sind sehr positiv. Nehmen Sie die Panzerhaubitze PzH2000, deren Chassis und Waffensysteme Rheinmetall geliefert hat. Wir sagen eigentlich, dass das Rohr nach etwa 4500 Schuss gewechselt werden muss. Die Ukrainer aber schießen bis zu 20.000 Schuss – eigentlich unmöglich. Andere Rohre wären da längst eingeknickt.

Olexandr (37), a gunnerr of Panzerhaubitze walks just in his socks inside Panzerhaubitze.  This device likes cleanliness. Panzerhaubitzen were provided to Ukraine by Germany as  weapons against Russian agression. Photographed at not specified location ( due to security reasons) in  Donbas, Ukraine, on 2nd of March 2023.

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Warum hören wir so wenig über Verluste deutscher Waffensysteme?

Weil man nicht darüber spricht.

Das heißt, es gibt welche?

Im Leben gibt es immer Verluste.

Für Ihren in Eigenregie entwickelten Kampfpanzer Panther wollen Sie ein eigenes Werk in der Ukraine aufbauen. Nehmen Sie den Mund da nicht ein bisschen voll?

Inwiefern?

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Bislang gibt es nur einen Prototyp, und die Erfahrung mit Rüstungsprojekten wie dem Schützenpanzer Puma zeigt, dass Sie Jahre bis zur Serienfertigung brauchen, und dann weitere, bis alles funktioniert.

Wenn Sie ein neues Produkt an den Markt bringen wollen, müssen Sie irgendwann mal anfangen. Wir arbeiten gerade an der Serienreife des Panthers und gehen davon aus, dass wir in 15 bis 20 Monaten startklar sind. Kinderkrankheiten sind normal und lassen sich schnell beseitigen.

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Ist eine Panzerfabrik in der Ukraine für russische Raketen nicht ein leichtes Ziel?

Es gibt auch heute Rüstungsfabriken in der Ukraine. Solche Einrichtungen lassen sich schützen. Gehen Sie davon aus, dass die Ukrainer wissen, wie man das macht.

Sie könnten guten Gewissens Rheinmetall-Leute aus deutschen Werken dorthin schicken?

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Wer sagt denn, dass wir das müssen? Wir würden vor allem einheimische Beschäftigte qualifizieren, sie teils zur Einarbeitung auch nach Deutschland holen. Das machen wir immer so. Nehmen Sie unser Werk in Ungarn. Von 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind dort genau zwei deutsch.

Der Panther steht in Konkurrenz zu dem deutsch-französischen Projekt MGCS, an dem Rheinmetall ebenfalls beteiligt ist. Braucht Europa wirklich zwei neue Kampfpanzer?

Das Main Ground Combat System ist eine wichtige Studie, aber selbst die Regierungen gehen davon aus, dass der Panzer nicht vor 2040 fertig wird. Wir haben 2023 und befinden uns ins einer akuten Bedrohungslage. Wir werden in den nächsten Jahren moderne Kampfpanzer brauchen, um unsere Freiheit und Sicherheit zu schützen. Der Panther ist unser Angebot dafür. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob das MGCS am Ende wirklich realisiert wird.

Wir befinden uns ins einer akuten Bedrohungslage. Wir werden in den nächsten Jahren moderne Kampfpanzer brauchen, um unsere Freiheit und Sicherheit zu schützen.

Was lässt Sie zweifeln?

Seit drei Jahren diskutieren deutsche und französische Partner und sind dabei nicht sonderlich weit gekommen. Beim Panther hingegen haben wir alle Technologien im Haus – von der Panzerung bis zum Feuerleitsystem. Es gibt ein einziges Projektteam, alle verfolgen das gleiche Ziel. Der Leopard 2 ist schon ein sehr guter Kampfpanzer. Der Panther wird bei besserem Schutz und mehr Feuerkraft leichter und mobiler sein, außerdem voll digital und günstiger. Er adressiert zudem auch die vielen Staaten, die gar nicht am MGCS-Projekt beteiligt sind.

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Klimaschutz kann er auch noch? Immerhin will die Bundeswehr bis 2045 zur klimaneutralen Armee werden.

Ich sage es ganz ehrlich: Eine klimaneutrale Armee ist aus meiner Sicht eher Wunschvorstellung als realistische Option. Vor allem im Munitionsbereich wird Klima- und Umweltschutz schwierig, bei Detonationen wird neben CO₂ auch Feinstaub freigesetzt. Man mag das beklagen, aber anders funktioniert es nicht. Es gibt keine sauberen Kriege – auch nicht in ökologischer Hinsicht.

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Die Zahl ist acht Ziffern lang: Die Militärübung Air Defender 23, die ab 12. Juni über Deutschland stattfindet, stößt eine enorme Menge an Kohlenstoffdioxid aus – auch der Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung hat die genauen Werte ausgerechnet.

Sieht so die Zukunft der Rüstung aus, dass statt staatlich gesteuerter Großprojekte jeder Hersteller selbst seine Entwicklung vorlegt, und sich dann die beste am Markt durchsetzt?

Für uns ist das der Weg in die Zukunft, weil wir damit schneller und innovativer sind. Die Politik muss sich fragen, ob sie Geschwindigkeit, Innovation und vernünftige Preise oder staatliche Planwirtschaft will. Ich hätte große Sympathien für die erste Variante.

Sie sind auch Automobilzulieferer, wollen jetzt aber einige Sparten verkaufen. Wird Rheinmetall zum reinen Rüstungskonzern?

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Nein. Wir suchen Käufer für unser Kolbengeschäft, weil es den geringsten Ertrag abwirft und weil wir dort langfristig kein Wachstumspotenzial sehen. In anderen zivilen Bereichen investieren wir. Zum Beispiel liefern wir künftig besonders leise Kompressoren für Wärmepumpen. Und unser Tech-Center hat gerade in Bordsteine integrierte Elektroladepunkte entwickelt. Rheinmetall ist ein Technologiekonzern und bleibt einer.

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Verzetteln Sie sich nicht?

Wenn ein Unternehmen in allen Bereichen wächst, können die Investoren zufrieden sein. Wie Sie wissen, bin auch ich Investor bei Rheinmetall. Und ich bin mit der Wertentwicklung sehr zufrieden.

Das glauben wir gern. Vor Kriegsbeginn lag der Aktienkurs unter 100 Euro, derzeit sind es 240, was einem Börsenwert von 10,5 Milliarden Euro entspricht. Was wäre aus Ihrer Sicht eine faire Bewertung?

Eine höhere (lacht). Im Ernst: Den Kurs bestimmt der Markt, nicht das Management. 2025 dürfte unser operatives Ergebnis bei 1,5, vielleicht sogar 1,7 Milliarden Euro liegen. Für eine faire Bewertung multiplizieren Sie das mit dem Faktor elf bis zwölf. Dann haben Sie ungefähr die Größenordnung.

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Wir haben unseren Taschenrechner leider nicht dabei.

Eine Bewertung von 17 Milliarden Euro ist für Rheinmetall mittelfristig realistisch.

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