Resturlaub verjährt nicht mehr: Was das für Arbeitnehmer bedeutet
Urlaub wird nicht oft rechtzeitig genommen, und es wird gestritten, ob er verfallen oder verjährt ist. Nun gibt es dazu ein Grundsatzurteil.
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Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Offene Urlaubsansprüche verjähren nicht automatisch nach drei Jahren. Das gilt, wenn Arbeitgeber es versäumen, ihre Beschäftigten rechtzeitig zum Urlaub aufzufordern und sie vor einer drohenden Verjährung zu warnen. Am Dienstag fällten die Erfurter Richter ein Grundsatzurteil, das für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer relevant sein dürfte.
Resturlaub: Worum ging es?
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Frage beschäftigt, wann Urlaub verjährt. Dabei ging es um zwei Fälle aus Nordrhein-Westfalen. Einmal hatte eine Steuerfachangestellte geklagt, die wegen hoher Arbeitsbelastung über mehrere Jahre hinweg keinen Urlaub genommen hatte – satte 101 Urlaubstage fielen an. Laut ihrem Arbeitgeber seien diese nun allerdings verfallen und verjährt. Dagegen klagte die Frau.
In einem anderen Fall ging es um eine Krankenhausangestellte, die selbst über einen längeren Zeitraum krank war und deshalb nur einen Teil ihres Urlaubs nehmen konnte. Der Resturlaub sei allerdings verfallen, so der Arbeitgeber.
Was entschied das Gericht?
Die Erfurter Richter setzten eine Entscheidung um, die bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) im September getroffen hatte. Demnach müssen Arbeitgeber eine aktive Rolle spielen und dürfen nicht dabei zuschauen, wie Urlaubsansprüche verfallen. Erfüllen sie diese Pflicht nicht, kann der Anspruch noch länger bestehen.
EU-Gericht stärkt Arbeitnehmern bei Urlaubstagen den Rücken
Der Europäische Gerichtshof hat den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern unter bestimmten Bedingungen gestärkt.
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Die Informationspflicht gilt demnach auch für Arbeitgeber, wenn Arbeitnehmer für lange Zeit erkrankt sind. Ihnen drohte bisher auch für das Jahr der Erkrankung der Verfall ihres Urlaubs, wenn sie ihn nicht 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres genommen hatten. Das gilt nun nicht mehr.
Resturlaub verjährt nicht: Was heißt das für Arbeitnehmer?
Laut Rechtsanwältin Nathalie Oberthür von der Kanzlei RPO bedeutet das für die Praxis, dass „wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflichten nicht erfüllt, Urlaubsansprüche zeitlich unbegrenzt über viele Jahre angesammelt werden können und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten sind“.
Es liegt im ureigenen Interesse des Arbeitgebers, seinen Informationspflichten nachzukommen, um die Kumulation von Urlaubsansprüchen zu verhindern.
Michael Rein,
Rechtsanwalt der Wirtschaftskanzlei CMS
Und für Arbeitgeber?
Die müssen eine aktive Rolle spielen – und darauf achten, dass sie ihre Beschäftigten informieren. „Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer rechtzeitig und eindeutig darüber informieren, dass dieser Urlaub am Ende des Bezugszeitraums verfallen wird, wenn er nicht genommen wird“, sagt Rechtsanwalt Michael Rein von der Wirtschaftskanzlei CMS. „Diese Information sollte sorgfältig und in nachweisbarer Art und Weise erfolgen. Tut der Arbeitgeber das nicht, droht im laufenden Arbeitsverhältnis die Kumulation von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren.“
„Es liegt im ureigenen Interesse des Arbeitgebers, seinen Informationspflichten nachzukommen, um die Kumulation von Urlaubsansprüchen zu verhindern“, sagt Rein. „Hierzu sollte im Unternehmen ein Prozess entwickelt werden, der möglichst sicherstellt, dass die Information der Arbeitnehmer zum individuellen Stand der Urlaubsansprüche und deren Verfall tatsächlich und nachweisbar erfolgt und diese rechtzeitig aufgefordert werden, ihren Urlaub auch zu nehmen.“
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Wann verfällt Urlaub?
Laut dem Bundesurlaubsgesetz hat jeder Arbeitnehmer in jedem Jahr Anspruch auf Urlaub. Er muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Dass man ihn ins nächste Jahr „mitnimmt“, ist eigentlich nicht vorgesehen. Das Gesetz ist da deutlich: „Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen“, heißt es. Sollte er doch übertragen werden, muss er in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres genommen werden – also bis Ende März.
Was ist bei langer Krankheit mit Resturlaub?
Grundsätzlich gilt nach Angaben des Bonner Arbeitsrechtlers Gregor Thüsing, dass Urlaub bei langwieriger Krankheit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt. Diesen Grundsatz bestätigte das Gericht am Dienstag. Allerdings kommt es nicht zum Urlaubsverfall, wenn Arbeitnehmer im betreffenden Jahr zumindest teilweise gearbeitet haben und ihr Chef seine Informationspflichten verletzte. Arbeitgeber hätten Mitwirkungsobliegenheiten und ein Interesse, dass sich Urlaub nicht anstaue und bezahlte Erholungszeiten eingehalten würden.
Was sind erste Reaktionen?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte noch am Dienstagnachmittag auf die Entscheidung. „Das Bundesarbeitsgericht hat heute bestätigt was der europäische Gerichtshof bereits festgestellt hat: Beschäftigte brauchen ihren Urlaub, um gesund zu bleiben“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Arbeitgeber könnten sich deshalb auch nicht einfach zurücklehnen, wenn die Beschäftigten den Urlaub nicht nehmen - sondern müssten aktiv darauf hinweisen, dass diese ihr Recht auf Urlaub auch ausüben. „Keinesfalls dürfen Arbeitsüberlastung, Angst vor Repressionen, aber auch Krankheiten und Erwerbsminderung dazu führen, dass Beschäftigte ihren Urlaub nicht nehmen“, so Piel. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer biete die bestätigte Rechtslage nun Sicherheit, dass der Urlaub nicht verjähre, wenn darauf und auf den drohenden Verfall nicht hingewiesen werde. „Kluge Arbeitgeber wissen es längst: Beschäftigte, die ihren Urlaub zur Erholung nutzen können, sind gesünder, zufriedener und bleiben im besten Fall dem Unternehmen auch länger erhalten“, sagte Piel.
Mit dpa-Material