Reaktion auf 60-Dollar-Limit

Warum Putins Ölexportverbot nur eine leere Drohung ist

Wladimir Putin, Präsident von Russland, hat ein Exportverbot verhängt, doch das könnte sich als zahnloser Tiger entpuppen.

Wladimir Putin, Präsident von Russland, hat ein Exportverbot verhängt, doch das könnte sich als zahnloser Tiger entpuppen.

Russlands Staatschef Wladimir Putin hat ein Exportverbot für Öl in Länder verhängt, die sich an die Preisobergrenze von G7 und EU (60 Dollar pro Fass) halten. Was bedeutet das konkret?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das Dekret hat wenig unmittelbare Auswirkungen. Die Analystinnen und Analysten der Rohstoffberatungsfirma Kpler gehen davon aus, dass es sich um eine Art „Rahmendokument“ handelt, das Grundlage für weitere Schritte sein könnte. Laut Kreml hat Putin denn auch die Regierung mit der Vorbereitung zusätzlicher Rechtsakte beauftragt. Der Erlass soll vom 1. Februar an bis mindestens Juli 2023 gelten. Von Expertinnen und Experten erwartete harte Gegenmaßnahmen, wie eine Preisuntergrenze, wurden nicht verfügt. Auch hält sich Putin Ausnahmeregelungen vom Exportverbot offen.

Warum läuft Putins Embargo ins Leere?

Das Dekret ist die Reaktion auf einen Doppelbeschluss von EU und der G7-Gruppe plus Australien und Norwegen. Einerseits boykottiert die EU seit 5. Dezember russisches Rohöl, das auf dem Seeweg exportiert wird. Dies soll im neuen Jahr – mit einigen Ausnahmen – dann auch für Pipelineöl und Diesel gelten. Zugleich wurden westlichen Unternehmen (vor allem Reedereien und Versicherungen) Dienstleistungen verboten, die den Export von russischem Öl in Nicht-EU-Länder ermöglichen. Es sei denn: Das Öl, das die Tanker transportieren, wird für weniger als 60 Dollar pro Fass (159 Liter) verkauft. Das soll Russland zwingen, seinen Rohstoff billig zu veräußern – ohne an den Ölmärkten zugleich Turbulenzen zu erzeugen. Doch die wichtigste russische Ölsorte wird ohnehin schon unterhalb der 60-Dollar-Marke gehandelt. 56 Dollar waren es am Mittwoch.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ist russisches Öl also ohnehin schon besonders billig?

Expertinnen und Experten streiten, ob das eine indirekte Folge des 60-Dollar-Limits oder reines Marktgeschehen ist. Der weltweit wichtigste Referenzpreis, Brent zur Lieferung im Januar, jedenfalls notierte am Mittwoch bei 84 Dollar. Klar ist auch: Russland hat in jüngster Zeit versucht, so viel Öl wie nur möglich loszuschlagen. Im November wurde laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg die tägliche Produktion auf 10,9 Millionen Fass pro Tag hochgefahren – der höchste Wert seit acht Monaten. Mit der großen Menge konnte der niedrigere Preis zum Teil ausgeglichen werden. Hauptabnehmer waren China, weltgrößter Ölimporteur, und Indien. Andere asiatische Staaten kamen hinzu. Wenn im neuen Jahr der europäische Importboykott noch stärker greift, könnte die Produktion aber um bis zu 700.000 Fass pro Tag fallen, so Vizeministerpräsident Alexander Novak. Was auch geringere Staatseinnahmen bedeuten würde.

Wie ist generell die Lage am Ölmarkt?

Viel wichtiger als Putins Dekret war am Mittwoch, dass sich in China die Covid-Pandemie rasant ausbreitet. Ölhändler gehen davon aus, dass dies das wirtschaftliche Wachstum massiv hemmen könnte, wodurch die Ölnachfrage gebremst würde. Deshalb verbilligte sich Rohöl an den internationalen Märkten. Mit um die 84 Dollar pro Fass ist es derzeit etwa so teuer wie vor einem Jahr.

Was sagen Expertinnen und Experten über die weitere Entwicklung des Ölpreises?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auch unter Expertinnen und Experten ist derzeit die Verunsicherung groß. Der Faktor Russland ist unberechenbar. Noch immer kursiert die Vermutung, dass Russland seine Ölförderung massiv stutzt, das würde das Angebot verringern und könnte die Preise in die Höhe treiben. Novak nährte zuletzt diese Befürchtungen, als er in einem Interview betonte, dass man eher weniger Öl produzieren werde, als unter der Preisschwelle zu verkaufen.

ARCHIV - 11.06.2019, USA, Permbecken: Ein Pumpe arbeitet in einem Ölfeld. Angesichts rasant gestiegener Energiepreise hat US-Präsident Joe Biden die Freigabe von 50 Millionen Barrel Öl aus der strategischen Reserve angeordnet. (zu dpa "Biden öffnet wegen gestiegener Ölpreise strategische Reserven") Foto: Jacob Ford/Odessa American/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Wie die EU-Spritpreisbremse funktionieren soll

Die G7-Staaten und die EU planen eine massive Intervention am globalen Ölmarkt. Gelingt die Operation, sinken auch die Spritpreise. Und Putin muss mit Einbußen für seine Kriegskasse rechnen. Das Experiment ist riskant, könnte aber gelingen – dank eines Tricks.

Braucht Russland die hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft?

Die Dringlichkeit wächst offenbar. So deutete Novak an, dass Gaslieferungen über die Jamal-Pipeline – die durch Polen führt – wieder ausgenommen werden könnten. Diese waren schon im Frühjahr eingestellt worden, weil der Betreiber des polnischen Teils der Rohrleitung sich weigerte, für Gaslieferungen in Rubel zu zahlen. Novak kündigte außerdem an, dass mehr Methan in die ehemaligen Sowjetrepubliken Aserbaidschan, Usbekistan und Kasachstan und über die Türkei nach Europa geliefert werden könnte. Selbst Pakistan und Afghanistan seien als mögliche Kunden denkbar.

Lässt sich abschätzen, wie sich all dies auf die Öl- und Gaspreise hierzulande auswirkt?

Erdgas hat sich wegen der milden Temperaturen zuletzt deutlich verbilligt. Zudem greift die Umstellung auf verflüssigtes Gas (LNG) in ganz Europa allmählich. Beim Öl will sich Deutschland mit dem Jahreswechsel komplett unabhängig von russischen Lieferungen machen. Hier gibt es noch einige Unsicherheiten – insbesondere für die Raffinerie in Schwedt, die große Teile Nordostdeutschlands versorgt: Einerseits ist die geplante Belieferung über den Hafen Danzig noch nicht gänzlich unter Dach und Fach. Auch stellt sich die Frage, ob dort wie geplant kasachisches Öl verarbeitet werden kann.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Was bedeutet das für die Verbraucherinnen und Verbraucher?

Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) könnte Erdgas Ende nächsten Jahres für die Verbraucherinnen und Verbraucher wieder billiger werden. Bei den Spritpreisen spricht einiges für eine Stabilisierung der Preise, die aktuell für Diesel im Schnitt bei 1,80 Euro pro Liter und für Super bei 1,65 bis 1,70 Euro liegen, was weit von den Höchstständen im Frühjahr entfernt ist. Aus Sicht von Analystinnen und Analysten spielen beim Spritpreis in den nächsten Wochen die weitere Entwicklung in China und die globale Konjunktur die Hauptrollen.

Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Top Themen

Energiekosten
 
49-Euro-Ticket
 
Weitere Top-Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken