Ökonomen: Schwedens Wirtschaft im EU-Vergleich am wenigsten von Corona betroffen
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Während sich andere Länder immer weiter abschotteten und Einschränkungen für die Bevölkerung verhängten, zeigte sich Schweden vergleichsweise offen.
© Quelle: Andres Kudacki/AP/dpa
Hannover. Der sogenannte “schwedische Sonderweg” in der globalen Coronakrise polarisierte. Denn, im Vergleich zum Rest der EU, verzichtete das Land auf einen Lockdown. Vieles blieb erlaubt. Was die einen als leichtsinnig abstempelten, wurde von anderen als Vorbild bezeichnet. Rein wirtschaftlich gesehen, kann man diesen Ansatz wohl als Erfolg bewerten. Laut US-Wirtschaftsmagazin “Bloomberg” konnte das Land schlimmen wirtschaftlichen Schäden entgehen.
Am Mittwoch wird Schweden einen Flash-Indikator für das BIP (Bruttoinlandprodukt) des zweiten Quartals veröffentlichen. Experten erwarten einen Rückgang von 7 Prozent. Als Flash-Indikator bezeichnet man ein Prognoseinstrument, das frühzeitig Informationen zur konjunkturellen Entwicklung liefert.
Ökonom sicher: Schwedens BIP wird sich wieder erholen
Der schwedische Finanzdienstleistungskonzern Skandinaviska Enskilda Banken AB (SEB) erwartet einen BIP-Rückgang von 8 Prozent im Quartalsvergleich und 7,7 Prozent im Jahresvergleich. Auch wenn dies einen beispiellosen Rückgang für die größte Volkswirtschaft in Skandinavien bedeutet, ist er deutlich geringer als die Verluste im übrigen EU-Raum. “Das BIP wird sich voraussichtlich im dritten Quartal wieder erholen, obwohl die Stärke des Aufschwungs ungewiss bleibt,” schreiben die Finanzexperten zum erwarteten Verlust.
Höchste Sterblichkeitsrate der Welt in Schweden
Schwedens Corona-Strategie hat allerdings auch dazu geführt, dass das Land mit 56,4 pro 100.000 Einwohner eine der höchsten Sterblichkeitsraten der Welt aufweist. Anfang Juli kündigte das skandinavische Land eine Überprüfung seines Krisenmanagements durch die staatlich finanzierte Schwedische Agentur für Verteidigungsforschung (FOI) an.
Es ist außerdem unklar, ob es der Wirtschaft langfristig viel besser gehen wird als der in den Nachbarländern Dänemark und Norwegen. Hier wurden anfänglich starke Einschränkungen ausgesprochen und es gab erheblich weniger Todesfälle. “Wir wissen nicht, wie sich die Virusstrategie langfristig auf die Wirtschaft auswirken wird”, sagte der schwedische Nordea-Ökonom Torbjorn Isaksson. Auch wenn die “nordischen Nachbarn” noch mit Beschränkungen leben müssen, könnten diese schneller als erwartet wieder aufgehoben werden und sich wieder normalisieren.
Deutschlands BIP schrumpft historisch
Am Donnerstag war in Deutschland ein massiver Konjunktureinbruch gemeldet worden. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte in der größten europäischen Volkswirtschaft im zweiten Quartal um 10,1 Prozent. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970. Bereits zum Jahresanfang war die Wirtschaftsleistung deutlich gesunken - Deutschland steckt in einer tiefen Rezession. Hinzu kommt die Angst vor einer zweiten Welle und einem möglichen erneuten Lockdown, der vor allem den Mittelstand massiv schädigen könnte.
Den bisher stärksten Konjunktureinbruch in Europa meldet Spanien. Im zweiten Quartal schrumpfte die spanische Wirtschaftsleistung im Quartalsvergleich um 18,5 Prozent. Es ist der stärkste Einbruch, der Spanien bisher getroffen hat. Vor allem die Tourismusbranche, die in der spanischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt, leidet unter den Folgen der Corona-Pandemie.
Frankreich und Italien weniger betroffen als befürchtet
Nicht so stark wie von Analysten befürchtet, fielen die Rückschläge in Frankreich und Italien aus. Neben Spanien zählen die beiden Länder zu den Mitgliedsstaaten der Eurozone, die von der Corona-Krise mit am stärksten getroffen wurden. In Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, schrumpfte die Wirtschaft in den Monaten April bis Juni zwar drastisch um 13,8 Prozent, Experten hatten allerdings einen noch stärkeren Einbruch, um 15,2 Prozent, erwartet.
Auch in Italien gab es einen heftigen Wirtschaftseinbruch. Im zweiten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im Quartalsvergleich um 12,4 Prozent und damit so stark wie nie seit Beginn dieser Erhebung 1995. Aber auch dieser Einbruch fiel ebenfalls geringer aus als ursprünglich befürchtet.
RND/ame mit dpa