Ölpreise: Der Gipfelpunkt ist überschritten
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News Bilder des Tages: Benzinpreise auf hohem Niveau. Ein digitaler Preismast einer Tankstelle am Einkaufszentrum in Wachtberg am Abend. Ein Ende des Preisanstieges ist derzeit nicht in Sicht.
© Quelle: imago images/Marc John
Frankfurt/Main. War’s das schon mit der Energiepreisexplosion? Die Preise für Rohöl jedenfalls haben in den vergangenen Tagen spürbar nachgegeben. Vorigen Dienstag erreichte die Notierung der für Europa maßgeblichen Sorte Brent das langjährige Maximum von 86,40 Dollar pro Fass (159 Liter). Danach verbilligte sich der Rohstoff stetig über mehrere Schritte. Am Montag kostete das Fass zeitweise nur noch etwas mehr als 83 Dollar.
Was ist passiert? Die Bewegungen am Ölmarkt haben viel mit der Videokonferenz der Mitglieder der Opec+ am Donnerstag zu tun. Die wichtigsten Förderländer (außer den USA) wollen dann über ihre Strategie für die nächsten Monate beraten. US-Präsident Joe Biden hatte am Wochenende auf dem G20-Gipfel an das Kartell und insbesondere an Saudi-Arabien und Russland dringlich appelliert, die Gewinnung von Rohöl hochzufahren, um die Erholung der globalen Wirtschaft zu gewährleisten.
Damit versucht der Präsident den Nerv der Produzenten zu treffen. Diese wollen zwar möglichst hohe Preise erzielen, aber zugleich dürfen sie nicht überziehen und damit die Konjunktur insbesondere in den reichen Industriestaaten abwürgen. Schon häufiger haben rezessive Entwicklungen dazu geführt, dass die Preise außer Kontrolle geraten und ins Bodenlose gestürzt sind.
Benzinpreis erreicht Acht-Jahres-Hoch – Diesel legt stark zu
Man kann es mittlerweile jeden Tag an den Zapfsäulen beobachten. Die Spritpreise steigen immer weiter und erreichen zwischenzeitlich ein Acht-Jahres-Hoch.
© Quelle: dpa
So rutschten sie während des ersten Lockdowns im vorigen Jahr sogar zeitweise in den Negativbereich. Da die Mobilität auf den Straßen, den Meeren und in der Luft weitgehend eingestellt wurde, war das Überangebot so groß, dass die Ölförderer noch eine Gebühr dafür zahlen mussten, damit ihnen jemand ihren zähflüssigen Stoff abnahm.
Die Opec-Strategen sind in jüngster Zeit nun davon ausgegangen, dass mit einem Zurückdrängen der Corona-Pandemie die Nachfrage steigt. Aus diesem Grund verfolgt das Kartell die Strategie, die Förderung, die im vorigen Jahr massiv gekürzt wurde, nur leicht um rund 400.000 Fass pro Tag hochzufahren. Offizielle aus Kuwait, Angola und dem Irak haben in den vergangenen Tagen bereits wissen lassen, dass diese Mengen angemessen seien.
Auch Saudi-Arabien – neben Russland und den USA der wichtigste Produzent – reagierte merklich reserviert auf Bidens Appell. Mit mehr als 80 Euro sind die Preise genau dort, wo viele Opec-Staaten sie haben wollen. Sie brauchen hohe Einnahmen aus dem Ölgeschäft, um ihre Haushalte zu finanzieren.
Doch am Wochenende hat Chinas nationale Behörde für Lebensmittel und strategische Reserven mitgeteilt, dass Lagerbestände für Benzin und Diesel in mehreren Regionen nun freigegeben werden, um eine Stabilisierung der Preise zu erreichen – allerdings wurden keine Details über Mengen und das Timing der Aktionen genannt. Gleichwohl, derartige Verlautbarungen sind äußerst selten.
Preisdruck an der Tankstelle entspannt sich
Das Statement ist offenbar auch als Signal an die Opec zu verstehen, mit dem Peking sagen will, dass man alles zu tun gedenkt, um weitere Preissprünge nach oben zu verhindern – wobei von China als dem Land mit dem höchsten Energieverbrauch weltweit die Notierungen für fossile Brenn- und Kraftstoffe zunehmend abhängig sind.
Hierzulande jedenfalls hat sich in den vergangenen Tagen der Preisdruck beim Sprit – wenn auch auf hohem Niveau – leicht entspannt. Super E10 hat sich nach den Daten des Verbraucherportals Clever Tanken bei 1,68 Euro pro Liter und Diesel bei 1,57 Euro eingependelt. Da der Kraftstoffpreis in der Regel mit einigen Tagen Abstand den Rohölnotierungen folgt, könnte es in den nächsten Tagen zumindest vorübergehend an der Tankstelle etwas billiger werden.
Zurück auf die internationale Bühne: Experten sind sich darüber einig, dass die weltweite Entwicklung der Corona-Pandemie nun auch für die Ölbranche stärker in den Fokus geraten wird. Sollte sich die Ausbreitung der Delta-Variante zu einer Konjunkturbremse auswachsen, könnte die Nachfrage schon bald wieder sinken. Ein weiterer Faktor: Der größte Gegenspieler zur Opec+ sind die Förderer in den USA.
China gibt Spritreserven frei und steigert die Kohleförderung
Die dortigen Konzerne haben nach aktuellen Zahlen des Energiedienstleisters Baker Hughes im Oktober 15. Monate in Folge die Zahl der Bohrtürme, die mit dem umstrittenen Frackingverfahren Schieferöl aus dem US-Boden holen, erhöht. Jetzt sei wieder ein Niveau wie im Frühjahr 2020 erreicht. Unter anderem Exxon und Chevron steigern den Output. Was das Angebot erhöht und Öl preiswerter machen könnte.
Und schließlich noch einmal China: Auf Anweisung der Regierung ist die Produktion der dortigen Steinkohlebergwerke massiv gesteigert worden. Man habe seit Mitte Oktober mehrfach eine tägliche Förderung von mehr als 11,5 Millionen Tonnen erreicht, teilte gerade die Nationale Kommission für Entwicklung und Reformen mit. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters sind damit neue Höchstwerte erreicht worden.
Das hat inzwischen auch auf die Kohlepreise an den weltweiten Rohstoffbörsen durchgeschlagen, was übrigens auch für deutsche Kraftwerksbetreiber relevant ist. Noch vor Kurzem war der Kohlemangel in der Volksrepublik hingegen so groß, dass verstärkt flüssiger fossiler Brennstoff für die Stromproduktion verfeuert wurde. Die nun verstärkte Kohleförderung könnte ebenfalls die Ölnotierungen nach unten drücken. Für Giovanni Staunovo, ein renommierter Rohstoffexperte der UBS-Bank, ist der komplexen Situation zum Trotz die Präferenz des Opec-Kartells dennoch klar. Es werde seine „umsichtige Strategie“ weiter verfolgen und das Angebot knapp halten.