Kommentar

Die Nord-Stream-Saga: Wenn es doch nur eine Netflix-Serie wäre

Das Nord-Stream-1-Gasleck in der Ostsee, fotografiert aus einem Flugzeug der schwedischen Küstenwache.

Das Nord-Stream-1-Gasleck in der Ostsee, fotografiert aus einem Flugzeug der schwedischen Küstenwache.

Berlin. Die Geschichte der umstrittenen Nord-Stream-Pipelines hat das Zeug für eine Netflix-Serie. Sie bringt alles mit, was es für einen spannenden Fernsehabend braucht: Macht, Gier, Verblendung, Verrat – und am Ende ein paar kräftige Explosionen.

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Proukrainische Gruppe steckt offenbar hinter Nord-Stream-Explosionen

Im Fall der Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 gibt es laut Medienberichten neue Spekulationen über die Täter.

Man würde mit dem märchenhaften Winterpanorama auf einem Landsitz westlich Moskaus beginnen, wäre Zeuge, wie zwei Staatsmänner nebst Ehefrauen im Pferdeschlitten durch den Schnee stieben, könnte verfolgen, wie deutsche Konzernlenker alle Bedenken über Bord werfen, nur um an billiges Gas zu kommen. Und dann gäbe es noch diesen etwas schrägen Seitenstrang, in dem eine deutsche Landespolitikerin glaubt, den USA die Stirn bieten zu müssen, und sich dabei heillos in eine zweifelhafte Stiftungskonstruktion verheddert.

Ach wenn es doch nur eine Serie wäre. Dann könnte man den Fernseher ausstellen und sagen: „Gute Geschichte – bisschen übertrieben vielleicht.“

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Putin verfolgte zwei Ziele

In der harten Realität hingegen muss man sich den Folgen des Pipelinedesasters stellen. Und die sind schwerwiegend. Heute weiß man, dass Russland mit seiner Pipelinepolitik systematisch zwei Ziele verfolgt hat: Zum einen ging es dem Kreml darum, Lieferwege nach Westeuropa unter Umgehung der Landleitungen durch die Ukraine und Polen zu schaffen, um widerspenstigen Osteuropäern den Hahn zudrehen zu können, wenn diese nicht spuren. Zum anderen ging es darum, die EU und vor allem deren größtes Mitglied Deutschland immer abhängiger von russischen Energielieferungen zu machen.

Beide Ziele hat Russland erreicht. Ob Putin den Krieg in der Ukraine auch ohne die Ostseepipelines begonnen hätte, bleibt zwar Spekulation, sicher ist allerdings, dass der Kremlherrscher nicht mit einer derart entschlossenen Reaktion Europas gerechnet hatte. Gut möglich, dass Berlin und Brüssel schon früher zu dieser Courage gefunden hätten, wenn die Abhängigkeit weniger groß gewesen wäre.

Immerhin geht die Aufarbeitung nun voran. Einige Politiker und Konzernlenker haben ihre Fehleinschätzungen aus der Vergangenheit eingeräumt, auch wenn wesentliche Akteure wie die Altkanzler Gerhard Schröder und Angela Merkel sowie der frühere BASF-Chef Jürgen Hambrecht bockig an der Erzählung festhalten, dass der Bau der Pipelines aus damaliger und teilweise sogar aus heutiger Sicht richtig gewesen sei.

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Spuren führen in die Ukraine

In Mecklenburg-Vorpommern hat ein Untersuchungsausschuss damit begonnen, offene Fragen um die vermeintliche Stiftung Klima- und Umweltschutz MV zu beantworten sowie mögliche Verbindungen zwischen Landesregierung und Pipelinebetreibern zu beleuchten. Und auch bei der Aufklärung der Sprengungen von drei der vier Röhren vor der dänischen Insel Bornholm tut sich etwas.

Bereits im Januar haben Ermittler der Bundesanwaltschaft eine zum Tatzeitpunkt vermietete Jacht durchsucht und dabei offenbar Sprengstoffrückstände entdeckt. Laut Medienberichten soll es Spuren geben, die zu einer polnischen Firma im Besitz ukrainischer Geschäftsleute führen. Selbst eine Crew, die mit falschen Pässen eingecheckt hatte, ist angeblich identifiziert. Das alles ist zwar mit größter Vorsicht zu genießen, es zeigt aber, dass die europäischen Ermittler ihren Job machen. Das ist eine gute Nachricht.

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Zwar wäre durch die Pipelines auch ohne Sabotageakte auf absehbare Zeit kein Gas geflossen, aber trotzdem ist es wichtig, die Hintergründe aufzuklären. Denn erstens geht es um nicht weniger als die Sicherheit der europäischen Energieinfrastruktur und zweitens bietet die Ungewissheit Verschwörungsideologen und Kriegspropagandisten derzeit viel zu viel Raum für das Verbreiten ihrer kruden und interessengeleiteten Botschaften.

Eine Aufklärung der Tat wäre zumindest ein kleines Happy End in diesem großen Drama. Und ein würdiges Staffelfinale für Netflix.

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