Weselsky über Bahnchef Lutz: „Was der sagt, geht uns am Steiß vorbei“
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Frankfurt/Main: Claus Weselsky (links), Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), steht bei einer Pressekonferenz neben Lutz Schreiber, stellvertretender Vorsitzender der GDL. Im festgefahrenen Tarifstreit bei der Deutschen Bahn ruft die Lokführergewerkschaft GDL zu einer dritten Streikwelle auf. Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Frankfurt. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ruft ihre Mitglieder zum bislang längsten Streik im Personenverkehr auf. Fünf Tage soll der Ausstand dauern. Von diesem Donnerstag, 2 Uhr, bis Dienstag nächster Woche, 2 Uhr. Und der Ton des GDL-Chefs Claus Weselsky wird ruppiger und aggressiver.
Die aktuellen Aussagen des Bahnmanagements hätten keinen Gehalt. Es sei kein Angebot mit Zahlen und Fakten vorgelegt worden. Die Bahn führe „einen Krieg gegen ihre eigenen Mitarbeiter, den sie nicht gewinnen kann“.
Zu Äußerungen von Bahnchef Richard Lutz sagte Weselsky vor laufenden Kameras: „Es geht uns gelinde gesagt am Steiß vorbei, was dieser Vorstandsvorsitzende sagt.“ Der Manager hatte im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland betont, wie der GDL-Chef agiere und rede, sei „absolutes Gift für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Eisenbahnerfamilie“. Da würden Wunden geschlagen, „die nur schwer wieder verheilen“.
„Wir wollen nächstes Jahr operativ wieder Gewinn machen.“ Bahnchef Richard Lutz im Videointerview
Reisen mit der Bahn werde „deutlich attraktiver, besser und vernetzter“ – aber umgekehrte Wagenreihungen seien auch in Zukunft nicht vermeidbar, so Richard Lutz.
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Die Lokführergewerkschaft hatte Anfang voriger Woche gestreikt und danach von der Bahn ein neues Angebot gefordert. Lutz signalisierte daraufhin seine Verhandlungsbereitschaft, legte aber keine modifizierte Offerte vor. Weselsky warf am Montag dem Bahnmanagement mehrfach Halbwahrheiten, Lügen und Desinformation vor.
Angesichts der Blockadehaltung der Bahnmanager sei die GDL nicht gewillt, kürzere Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen. Bereits vor dem Personenverkehr, am Mittwoch um 17 Uhr, beginnt die dritte Streikwelle in der Gütersparte des staatlichen Schienenkonzerns. Ein unbefristeter Ausstand stehe aber nicht zur Debatte. „Daran haben wir kein Interesse“, betonte Weselsky.
Er widersprach erneut der DB-Aussage, dass man einer Einigung nahe sei. 3,2 Prozent mehr Geld für Lokführer und Zugpersonal seien zwar ausgehandelt, doch die Laufzeit mache den entscheidenden Unterschied. Darüber gehen die Positionen weit auseinander. Für den GDL-Chef hat es auch wenig Aussagekraft, dass die Bahnführung „eine“ Corona-Prämie angeboten habe: „Das könnte auch nur ein Euro sein.“ Die Lokführer verlangen 600 Euro.
Allerdings geht es um viel mehr als Prämien und Entgelte. Die GDL will quasi im Paket auch über das Tarifeinheitsgesetz (TEG) verhandeln, das bislang bei der Bahn nicht angewendet wurde. Würde es umgesetzt, sähe sich die Lokführergewerkschaft in ihrer Existenz bedroht. Denn das TEG schreibt vor, dass in den verschiedenen Betrieben der Bahn jeweils nur die Tarifverträge gelten, die die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern aushandelt.
Bahn fordert unverzüglich Verhandlungen
Die GDL ist in der weit überwiegenden Zahl der Betriebe in der Minderheit, sie konkurriert mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG. „Das Tarifeinheitsgesetz ist ein schlechtes Gesetz“, sagte Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dem RND. „Um den Konflikt bei der Bahn zu entschärfen, muss es der Gesetzgeber anpassen, so dass mehrere Gewerkschaften nebeneinander existieren können.“
Die DB-Führung teilte am Montagabend mit, die GDL überziehe mit der Ankündigung der dritten Streikwelle völlig. Aus „organisationspolitischem Kalkül“ mache sie sowohl Kundinnen und Kunden der Bahn als auch Beschäftigte „zu Opfern ihrer Machtinteressen“. Die Lokführer wurden aufgefordert, „unverzüglich“ ernsthafte Verhandlungen aufzunehmen. „Ein erneuerter Streik bringt uns einem Tarifabschluss kein Stück näher“, so DB-Personalvorstand Martin Seiler.
Das Management kündigte an, auch bei dem anstehenden Ausstand ein „verlässliches Mobilitätsangebot“ sicherzustellen. Im Fernverkehr würde rund ein Viertel der Verbindungen angeboten. Im Regional- und S-Bahn-Verkehr werden erneut 40 Prozent angestrebt.“