Vom Hoch- zum Breitwasser: neue Wege für den Schutz vor Überschwemmungen

Wasser strömt an einem zerstörten Feldweg an der Urft aus einem Gully, nachdem der Fluss über die Ufer getreten war. Die Hochwasserlage in Teilen von Nordrhein-Westfalen ist weiterhin sehr angespannt.

Wasser strömt an einem zerstörten Feldweg an der Urft aus einem Gully, nachdem der Fluss über die Ufer getreten war. Die Hochwasserlage in Teilen von Nordrhein-Westfalen ist weiterhin sehr angespannt.

Frankfurt am Main. Die Ahr ist eigentlich ein Fluss, der gemächlich ins Tal plätschert. Diese Woche ist sie binnen weniger Stunden zu einem Gewässer geworden, das alles mit sich reißt, was sich in den Weg stellt. Das verheerende Unwetter hat eine Diskussion über den Hochwasserschutz ausgelöst.

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Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser im Versorgerverband BDEW, fordert ein schnelles Umdenken. „Extremwetterlagen nehmen durch den Klimawandel zu – die aktuellen Hochwasserereignisse, aber auch die langen Trockenperioden in den Vorjahren belegen das“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Ein zentrales Problem ist dabei aus seiner Sicht: „Insgesamt sind heute deutlich zu viele Flächen versiegelt.“

Flächenversiegelung ist laut Experten ein Problem – ähnliche Ereignisse wie jetzt könnten sich wiederholen

Durch die Versiegelung wird Niederschlagswasser gewissermaßen auf dem schnellsten Weg in die Kanalisation, in Bäche und Flüsse geleitet. Das ist ein Faktor dafür, dass die Pegelstände von Fließgewässern im Westen Deutschlands am Mittwoch und in der Nacht zu Donnerstag innerhalb weniger Stunden teilweise um mehrere Meter gestiegen sind.

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Das kann sich auch anderswo jederzeit wiederholen, da sind sich Experten sicher. „Über die letzten zehn Jahre beobachteten wir immer wieder intensive konvektive Ereignisse. Das sind Gewitter mit lokal hohen Regenmengen oder Hagel“, erläutern die Klimafachleute der Munich Re, der weltgrößten Rückversicherung. Eine Studie habe gezeigt, dass der Klimawandel bereits zu erhöhtem Risiko für Gewitter und Hagel führe. „Zudem ist sich die Wissenschaft einig, dass in einer durch den Klimawandel wärmeren und feuchteren Atmosphäre die Intensität von Starkregenereignissen steigt“, so die Experten der Versicherung.

Forderungen nach mehr Versickerungsflächen werden laut

Und das Problem wird dadurch verschärft, dass gleichzeitig die Versiegelung weiterhin massiv zunimmt. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes werden hierzulande täglich etwa 56 Hektar (fast 80 Fußballfelder) unbebauter Boden in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt, wovon knapp die Hälfte versiegelt wird: betoniert, asphaltiert, gepflastert, bebaut oder anderweitig befestigt.

Augenzeuge über Hochwasser: „Zum Packen blieb keine Zeit mehr“

Im nordrhein-westfälischen Blessem in Erftstadt bei sind mehrere Häuser von den Wassermassen mitgerissen worden.

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Weyand verlangt nun, dass in den Kommunen endlich gehandelt wird: Durch eine integrierte städtebauliche Planung müssten „wieder mehr Versickerungsflächen entstehen oder die Fähigkeit geschaffen werden, Wasser zu speichern, zum Beispiel durch die Begrünung von Fassaden und Dächern“.

Der BDEW hat bereits im April in seinen Eckpunkten einer „Wasserstrategie für Deutschland“ vorgeschlagen, dass der Staat zu diesem Zweck örtliche Regenwasseragenturen fördert, die in Städten und Gemeinden dafür sorgen, dass das Niederschlagwasser an Ort und Stelle gesammelt und eingesetzt wird, beispielsweise für die Bewässerung von Grünanlagen.

Dahinter steht das Konzept der sogenannten Schwammstadt: Siedlungen werden damit auch zu Arealen, wo sich im Erdreich mehr Grundwasser bilden kann, was „nebenbei“ der Trinkwasserversorgung dient.

BUND fordert, den ökologischen Hochwasserschutz „in den Mittelpunkt der Politik“ zu stellen

Noch einen Schritt weiter geht die Umweltorganisation BUND. Der Vorsitzende Olaf Bandt forderte am Freitag, zukünftig den bisher vernachlässigten ökologischen Hochwasserschutz „in den Mittelpunkt der Politik“ zu stellen. Der aktuelle Wahlkampf-Katastrophentourismus lenke den Fokus oft ausschließlich auf technische Lösungen beim Schutz vor Hochwasser.

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Dabei zeigten die Bilder der betroffenen Regionen vor allem eins: „Überflutungsflächen müssen konsequent als solche ausgewiesen werden“, so Bandt. Sie dürften weder Wohn- oder Wirtschaftszwecken noch dem Bau zusätzlicher Straßen dienen.

Aus Sicht des BUND-Chefs müssen überdies intakte Auengebiete für den Ackerbau tabu bleiben. Auen sind gigantische Schwämme – doch die allermeisten sind in den vergangenen Jahrzehnten trockengelegt worden, um sie für die Landwirtschaft zu nutzen. Auch Feuchtgebiete und Moore gelte es zu erhalten und wieder herzustellen. Und so viele Fließgewässer wie möglich müssten „entgradigt“ werden, damit aus Hochwasser wieder harmloses Breitwasser in Flussauen werde.

Dass das auch Geld kostet, ist den Umweltschützern klar. Sie verlangen, dass die Bundesregierung den Ländern für den Ökohochwasserschutz eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung stellt. Praktische Hilfestellungen für Kommunen müssten hinzukommen.

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