Mit dem Elektroauto Geld verdienen? Dieses Münchner Start-up will das möglich machen
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Ein Elektroauto lädt auf einem Parkplatz.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/
München. Das Stromnetz ist sensibel. Es braucht eine Frequenz von konstant 50 Hertz, sonst kollabiert es. Ein solcher Blackout hat im Januar europaweit gedroht, weil zu wenig Strom zur Verfügung stand. Da muss man minutenschnell reagieren, soll es nicht finster werden.
„Mit 2500 Elektroautobatterien haben wir zu 4 Prozent beigetragen, das deutsche Netz wieder zu stabilisieren“, sagt Marcus Fendt. Die würden sich dafür hervorragend eignen, weil sie binnen Millisekunden am Netz seien, weit schneller als jedes Reservekraftwerk, betont der Geschäftsführer von The Mobility House und rechnet hoch. Mit 62.500 Elektroautos hätte man den Notstand am 8. Januar im Alleingang aus der Welt schaffen können. „Die müssten nur eingesteckt sein“, sagt der 52-Jährige.
Batterien sollen Strom einspeisen können
Damit meint er, dass die Batterien auf intelligente Weise und bidirektional mit dem Stromnetz verbunden werden, sodass sie nicht nur Strom laden, sondern auch wieder einspeisen können. Das und einiges andere zu ermöglichen, ist Geschäftszweck des 2009 gegründeten Unternehmens mit Hauptsitz München. Wirtschaftsingenieur Fendt war von Anfang an dabei. Heute ist er der Chef.
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„Begonnen haben wir damit, Ladelogistik für Elektroautos bereitzustellen“, erzählt er. Dazu wurden Hersteller von Ladestationen und spezialisierte Elektroinstallateure, Autobauer und Energieversorger mit Gewerbe- und Privatkunden zusammengebracht, um Firmenparkplätze und Wohnanlagen mit Ladestationen auszustatten und das herstellerunabhängig, betont Fendt. Zwar sind unter anderem Daimler sowie die Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi am Start-up beteiligt. Das baut aber Stromzapfanlagen für alle Marken und übernimmt auf Wunsch auch deren Betrieb.
Elektroautos laden, wenn Strom billig ist
2018 kam dann das selbst entwickelte Lade- und Energiemanagementsystem Charge Pilot dazu. Die Software bringt Intelligenz ins Laden von Elektroautos und soll die Zukunft des Jungunternehmens sein. Charge Pilot sorgt dafür, dass Elektrofahrzeuge nur dann laden, wenn Strom billig ist. Beim Betreiber einer Busflotte spare das jährlich Kosten von 350.000 Euro, rechnet Fendt vor. „Wir haben aktuell etwa 500 solcher Systeme für etwa 3000 Elektrofahrzeuge im Markt“, erzählt er. Firmenparkplätze, Busdepots und auch erste Wohnimmobilien sind damit bestückt. Im Schnitt könne man pro Fahrzeug so jährlich 250 Euro an Stromkosten sparen.
Drei Frauen, drei E-Autos – und eine Fahrt in den Urlaub
Auf Urlaubstauglichkeit geprüft wurden bei einer Fahrt in die Niederlande der Opel Zafira E, der Kia E Niro und der Volvo XC 40 Recharge P8.
© Quelle: Mhoch4
Aber auch das ist nur ein Zwischenschritt. Denn der Stromfluss zwischen Ladestation und Elektrogefährt soll in beide Richtungen gehen. „Wir wollen das Elektroauto intelligent ins Stromnetz integrieren, es wie einen Stromspeicher verwenden und je nach Bedarf ent- oder beladen“, erklärt der Firmenchef. Diese Technologiestufe hat noch das Stadium von Pilotprojekten.
Fendt: 800 bis 1000 Euro jährlich verdienen
„Mit jeder Batterie kann man im Schnitt 800 bis 1000 Euro jährlich mit Netzstabilisierung verdienen“, erklärt Fendt. Das funktioniere aber nur, wenn es entsprechende gesetzliche Regeln und dynamische Stromtarife gibt. Daran mangle es aber hierzulande noch im Gegensatz zu Großbritannien oder Kalifornien.
Zudem fingen deutsche Hersteller gerade erst an, ihre Elektroautos bidirektional auszulegen, während japanische Konkurrenten wie Nissan und Mitsubishi das schon geregelt hätten. Sollten die Pläne der Bundesregierung diesmal aufgehen und in neun Jahren 14 Millionen Stromer auf Deutschlands Straßen fahren, stünde dann aber ein riesiges Potenzial zur Stabilisierung der Stromnetze parat.
„Es wäre extrem fahrlässig diese Kapazität nicht zu nutzen“, wirbt der Elektropionier. Das gilt auch in ökologischer Hinsicht. Denn intelligentes und bidirektionales Laden heißt auch, dass Autos ihre Batterien gezielt dann füllen, wenn überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht.
So würden sie zu grünen Speichern, die ihren Strom wieder ans Netz abgeben, wenn Spitzenbedarfe andernfalls das Zuschalten fossiler Kraftwerke auslösen würden. 60 Prozent aller auf den Verkehr entfallenden Klimaziele ließen sich durch intelligentes Be- und Entladen von Elektroautos erreichen, sagt Fendt. „Das ist der größte Hebel als Einzelmaßnahme, den es gibt“, beschwört er. Die Politik müsse nur die entsprechenden Spielregeln schaffen.
Start-up-Chef sieht Deutschland als interessantesten Markt
Kommt es dazu, sieht The Mobility House Deutschland als Startmarkt für einen Exportschlager made in Germany. „Unsere Software kann ich dank offener Schnittstellen überall mit hinnehmen“, sagt Fendt zur globalen Einsetzbarkeit der Ladetechnologie. Zugleich gebe es nirgendwo auf der Welt eine Kombination aus so viel erneuerbarer Energie und demnächst auch Elektroautos wie hier. „Das macht Deutschland zum interessantesten Markt“, betont der Chef des Start-ups.
Das hat seine Umsätze im Corona-Jahr 2020 verdoppelt und will das auch dieses Jahr auf dann 30 Millionen Euro schaffen. In den nächsten Jahren soll es ähnlich weitergehen. Dabei ist bidirektionales Laden mit Stromabgabe ins Netz noch im Entstehen. „Die eigentliche Herausforderung ist, das Wachstum zu stemmen und Mitarbeiter zu bekommen“, sagt Fendt. Er klingt sehr überzeugt, von seinen Geschäftsideen.
Hintergrund
Gegründet wurde The Mobility House mit Hauptsitz München als eines der ersten europäischen Dienstleistungsunternehmen für Elektromobilität vom Elektrotechniker Thomas Raffeiner. Von Anfang an mit dabei war eine Handvoll von Mitstreitern wie der heutige Firmenchef Marcus Fendt, die selbst auch in die Firma investiert haben. Raffeiner ist noch heute für die Strategie verantwortlich und Aufsichtsratschef. 37 Prozent der Firmenanteile halten er und Manager, den großen Rest Investoren wie Daimler.
Beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos in Wohnanlagen und auf Firmengeländen sieht sich The Mobility House als Marktführer in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2018 kam als technologisches Herzstück eine eigene Software namens Charge Pilot dazu. Sie macht das Stromtanken intelligent und kann den Stromfluss auch umgekehrt steuern. Ein Elektroauto wird dann zum Speicher für erneuerbare Energien und Stromspender sowie Netzstabilisator.