McDonald’s-Mitarbeiter: 12 Euro Stundenlohn wären absolut verdient
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Bei McDonald’s und in der restlichen Systemgastronomie fordern die Mitarbeiter deutlich mehr Geld.
© Quelle: dpa
Bei McDonald’s, Burger King und anderen Ketten zeichnet sich ein heftiger Tarifkonflikt ab – denn die etwa 120.000 Beschäftigten fordern Lohnsteigerungen um teilweise fast 30 Prozent. „Wirtschaftlich nicht vertretbar“, heißt es prompt bei den Arbeitgebern. Doch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) will ihre Forderungen – unter anderem 12 Euro Einstiegslohn – durchsetzen.
Denn die Gewerkschaft hat sich erklärtermaßen vorgenommen, die sogenannte Systemgastronomie aus der „Schmuddelecke“ mit Niedriglöhnen herauszuholen. Am Donnerstag sind die Tarifparteien in der Systemgastronomie allerdings ohne Ergebnisse auseinander gegangen. Der Arbeitgeberverband BdS spricht von konstruktiven Gesprächen. Beide Seiten müssten sich aber bis zum nächsten Verhandlungstermin bewegen, so Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante.
Seit fast 30 Jahren bei McDonald’s
Die NGG gibt sich kämpferischer: Das jüngste Angebot der Arbeitgeber – 9,48 Euro Einstiegslohn – sei indiskutabel, so Freddy Adjan, stellvertretender NGG-Vorsitzender.
Erkan Parlar kennt die Systemgastronomie seit fast 30 Jahren. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland will der McDonald’s-Betriebsrat mit Klischees über die Branche aufräumen.
Herr Parlar, vielleicht stellen Sie sich kurz vor?
Ich bin seit 1991 bei McDonald’s, habe als Schüler angefangen. Ich habe mein Studium mit der Arbeit bei McDonald’s finanziert und hatte seitdem diverse Tätigkeiten – war einfacher Mitarbeiter, Crew-Chief, Vorarbeiter, Restaurant-Leitungsassistent und stellvertretender Restaurantleiter. Aktuell bin ich Betriebsratsvorsitzender in einem Restaurant mit 48 Mitarbeitern. Es ist eins von zwei der 60 Restaurants in Hamburg, in denen es einen Betriebsrat gibt.
Ich kenne die Situation bei McDonald’s nur als Kunde. Wie fühlt es sich an, dort hinter dem Tresen oder in der Küche zu stehen?
Für McDonald’s sind ständig Franchise-Berater unterwegs. Die kommen unangekündigt vorbei und ihre Besuche bedeuten sehr viel Stress. Zum Beispiel muss ein Gast innerhalb von 60 Sekunden bedient werden. Unabhängig davon, wie die Besetzung gerade ist. Ist etwa der Fußboden nicht sauber genug, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen – auch wenn der Boden eigentlich sauber ist. Aber die Franchise-Berater sehen das, was sie sehen möchten. Bei diesen internen Kontrollen hängt viel von der Willkür ab. Das macht nervös und unsicher.
Es gibt ja recht viele Klischees über Menschen bei McDonald’s und Co. Aber vielleicht können sie ja einen Einblick bieten, wer da arbeitet?
Bei uns arbeiten Menschen quer durch alle Altersgruppen und wir sind ziemlich Multikulti. Es sind viele Menschen dabei, die ein hohes Bildungsniveau haben. Ich rede ungern über meine eigene Biografie, aber ich bin selber Diplom-Wirtschaftsingenieur. Auch sind sehr viele Studenten bei uns beschäftigt. Viele andere haben in ihrem Heimatland ein Studium absolviert – und sind in Deutschland bei McDonald’s gelandet, weil sie anderswo an sprachlichen Barrieren gescheitert sind. Eigentlich ist das Bildungsniveau enorm. Viele glauben gar nicht, dass einer, der am Grill steht, eigentlich Betriebswirt oder Bauingenieur ist.
Und bleiben die Leute länger bei McDonald’s oder ist das dann eher eine kurzfristige Angelegenheit?
Viele bleiben sehr lange da. Ein Beispiel: McDonald’s setzt auf das „Restaurant der Zukunft“ – was neue Produktionsprozesse mit sich bringt. Ein Mensch, der nicht ein gewisses Bildungsniveau hat, ist kaum in der Lage, in diesem System klarzukommen. Die Mitarbeiter sind aber in der Lage, mit solchen Neuerungen umzugehen. Obwohl das eine Herausforderung ist – immerhin wird beim Restaurant der Zukunft erst in dem Moment produziert, wenn die Bestellung eingeht. Das heißt, die Zeit und die Qualität müssen stimmen.
Ich selber bekomme Ängste, wenn meine Kinder auf Klassenreise fahren – denn wie soll ich das finanzieren?
Erkan Parlar, Betriebsrat bei McDonald’s
Sie sprechen davon, dass die Mitarbeiter länger dabei und oft höher qualifiziert sind – kommen die mit den Löhnen zurecht?
Wissen Sie, bei uns in Hamburg sind die Mieten sehr hoch. Wir haben Studierende, die teilen sich zu dritt ein Zimmer. Denn das Geld reicht nicht.
Und wie ist das bei den Kollegen, die schon länger in der Branche arbeiten?
Die gehen am Ende mit 700 bis 800 Euro monatlich in Rente. Und sie sind nie in der Lage, ohne staatliche Hilfe über die Runden zu kommen. Ich selber bekomme Ängste, wenn meine Kinder auf Klassenreise fahren – denn wie soll ich das finanzieren? Meine Tochter versteht das natürlich nicht, sagt „Papa, du arbeitest doch, wieso kannst du das nicht bezahlen?“ Ein bisschen mehr Geld wäre einfach sehr gut. Wir wollen ja nicht im Reichtum leben. Unsere Intention ist, dass sich auch unsere Kinder Sport und Klassenfahrten leisten können. Das ist doch nicht viel verlangt.
Die Forderungen für die Tarifrunden sind das Eine. Aber können auch die Kunden etwas zur Verbesserung der Situation beitragen?
Die Kunden könnten etwas mehr Rücksicht nehmen. Die wissen ja, dass wir sehr, sehr wenig verdienen. Viele denken, wir arbeiten nur bei McDonald’s, weil wir nichts anderes können – und dann gehen sie recht respektlos mit uns um. Es würde auch helfen, etwas mehr Zeit mitzubringen – und nicht gleich aggressiv zu werden, wenn gerade beispielsweise etwas nicht da ist. Auch wenn es Fastfood ist, wir arbeiten hier richtig, niemand von uns schläft auf der Arbeit.