Masken made in Germany: Wie läuft die Produktion hierzulande?

Ein Apotheker hält in einer Apotheke eine FFP2 Atemschutzmaske.

Ein Apotheker hält in einer Apotheke eine FFP2 Atemschutzmaske.

Für Unterwäsche interessiert sich derzeit wirklich niemand. Das hat Uwe Schmidt, Geschäftsführer des Textilherstellers Albert-Kreuz akzeptieren müssen. Das Unternehmen im Brandenburgischen Teltow hatte sich schon auf das Frühlingsgeschäft eingestellt: Wenn es wärmer wird, dann kaufen die Menschen eigentlich frische Unterhemden und Shorts. Doch in diesem Jahr gilt das nicht. In diesem Jahr dreht sich alles nur um Corona. “Wir wussten einen Moment lang nicht, wie es weiter gehen soll”, erzählt Schmidt. Der Umsatz war enorm eingebrochen. Dann hörte er, wie der Topvirologe Christian Drosten von der Charité Berlin das Tragen von Community-Masken empfahl. Seit zwei Wochen produziert Schmidt deshalb Masken statt Unterwäsche.

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Die Nachfrage nach Masken aller Art ist gigantisch. Die deutschen Kliniken brauchen nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) schon im Normalbetrieb pro Monat 17 Millionen FFP-2-Masken sowie 45 Millionen OP-Masken. Nun geht die Bundesregierung davon aus, dass alleine im Gesundheitswesen durch die Corona-Pandemie ein Jahresbedarf von bis zu 450 Millionen FFP-2-Spezialmasken besteht. Hinzu kommen eine Milliarde OP-Masken als Mund-Nasenschutz. Und dazu wiederum all die Masken, die nicht in Krankenhäusern oder Kliniken getragen werden, sondern beim Einkaufen, im Bus oder in der Schule.

Eigenschutz oder Fremdschutz – Welche Maske wirkt wie?

Welche Masken gibt es, wen schützen sie und was sollte man beim Tragen von selbstgenähten Masken beachten?

Einzelne Länder verordnen eine Maskenpflicht

Bei der Frage, ob das Tragen einer Maske in der Öffentlichkeit zur Pflicht werden soll, herrscht dagegen noch – wie so oft dieser Tage – Uneinigkeit. Zwar hatten sie die Bundesregierung und Länder zunächst bloß auf eine “dringende” Empfehlung geeinigt, immer mehr Länder und Kommunen greifen nun trotzdem zur Pflicht: Als erstes Bundesland hat Sachsen eine Maskenpflicht eingeführt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern haben inzwischen nachgezogen. Berlin und Baden-Württemberg könnten bald folgen.

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Dabei sind die Menschen in der Regel angehalten entweder einen Mund-Nasenschutz, eine sogenannte Alltagsmaske (also eine im Zweifel sogar selbst genähte Maske aus Stoff) oder Schals zu tragen. Ärzte und Pfleger tragen dagegen medizinische Schutzmasken, wie etwa OP-Masken oder – beim Kontakt mit Covid-19-Patienten – filtrierende Halbmasken (also FFP-2- und FFP-3-Masken).

Doch woher sollen all die benötigten, die Milliarden von unterschiedlichen Masken herkommen? Vor der Corona-Krise wurden sie vor allem in Asien produziert. Der einfache Mund-Nasenschutz etwa, die OP-Maske, sei eigentlich ein ein Wegwerf-Produkt, sagt David Schmelzeisen vom Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen. Die günstigen Vliesstoffe, die dazu gebraucht werden, “hat in Europa kaum jemand hergestellt, weil sich das gar nicht gelohnt hat”. Nun ist die Nachfrage nach dem Material explodiert. Auch die einfachen Alltagsmasken wollte früher in Europa niemand haben, nun sollen sie plötzlich alle tragen.

Weltweiter Wettbewerb um Masken

Ein weltweiter Wettbewerb um Masken jeglicher Art ist daher entbrannt. Alle wollen gerade die gleichen wichtigen Materialien, die Preise steigen. Dabei liegen auch die Nerven blank: Der Berliner Innensenator warf den USA etwa vor, Masken, bestimmt für die Berliner Polizei, auf dem Weg nach Deutschland abgefangen zu haben. Washington dementierte.

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Die aktuelle Strategie der Bundesregierung sieht dabei so aus: Einerseits ist sie, wie die Länder, in die Beschaffung eingestiegen. In den vergangenen drei Wochen habe man insgesamt 77 Millionen Schutzmasken, beschafft, teilte die Regierung am vergangenen Donnerstag mit. Andererseits will die Regierung einen heimischen Markt für Schutzkleidung aufbauen. Erste Vereinbarungen dafür gibt es schon. So teilte Gesundheitsminister Jens Spahn am vergangenen Freitag mit: Rund 50 heimische Unternehmen haben nach einer Ausschreibung einen Zuschlag für die Produktion medizinischer Schutzmasken bekommen. Sie sollen ab Mitte August pro Woche zehn Millionen FFP2-Spezialmasken und 40 Millionen OP-Masken herstellen.

Textilunternehmen steigen in Maskenproduktion ein

Derzeit kommen die Hersteller von medizinischer Schutzkleidung jedoch kaum hinterher. Die Unternehmen hätten ihre Kapazitäten “bis zum Anschlag” erhöht, teilt der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) mit. Weil das aber nicht reicht, sind andere Unternehmen eingesprungen – vom Wäscheherstellern zu Autozulieferern. Die Firma Melitta etwa nutzt ihre Erfahrung mit Filtern und produziert derzeit rund eine Million Masken pro Tag. “Das liegt vor allem an der begrenzten Menge unserer eigenen Vliesproduktion. Die Produktionskapazität der Filtermaschinen würde eine vielfach höhere Menge zulassen, wenn wir zusätzliches Material bekommen würden”, teilt das Unternehmen mit. Die Maske werde derzeit als Medizinprodukt geprüft.

“Nach einer aktuellen Umfrage unter unseren Unternehmen sind bereits über 40 Prozent der deutschen Textil- und Modehersteller in die Produktion von Schutzausrüstung und Mund-Nase-Masken eingestiegen”, sagt auch Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie. Ganz einfach ist das nicht. Die Lieferketten hätten neu aufgebaut, die Kapazitäten der Vliesstoffhersteller vergrößert und ganze Produktionslinien umgestellt werden müssen. Wie viele Masken die deutschen Textilhersteller derzeit produzieren, weiß Mazura nicht. “Angesichts der ungeheuren Dynamik können wir derzeit keine Größenordnungen für die Maskenproduktion in Deutschland beziffern.”

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Gegenseitige Hilfe in den Regionen

Teilweise wissen die Unternehmen selbst nicht, wie viele Masken sie genau herstellen. “Das ging Schlag auf Schlag”, sagt Kerstin Knorr von Norafin. Das Unternehmen aus dem sächsischen Mildenau produziert zwar auch normalerweise Vliesstoffe, aber eigentlich nicht solche für Schutzmasken, geschweige denn für eigene. “Doch die Nachfrage, ob wir nicht helfen können, war so groß, dass wir gedacht haben: Das sind wir der Bevölkerung jetzt schuldig”, sagt Knorr. Also hat sich Norafin mit anderen Unternehmen aus der Region zusammengeschlossen und produziert seither Masken.

Solche regionalen Cluster über verschiedene Branchen hinweg gebe es derzeit häufig, sagt Textilexperte Schmelzeisen. Trotzdem erreichen ihn weiterhin zahlreiche Anfragen von Unternehmen oder Gesundheitseinrichtungen, die auf der Suche nach Schutzmasken für ihre Mitarbeiter sind. Auf der anderen Seite melden sich aber auch Firmen, die bereits Masken produzieren oder auf der Suche nach Materialien sind. Um sie zu vernetzen, hat Schmelzeisen eine Plattform namens “need-mask.com” programmiert, quasi eine Art LinkedIn für Schutzkleidung und -masken. “In den ersten zwei Wochen haben wir rund zweihundert Anfragen vermittelt.”

Große Nachfrage nach Schnelltests

Die Abnehmer von Norafin sind vor allem regionale Unternehmen, Feuerwehren, Arztpraxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen aus der Umgebung. Ein Zertifikat für die Masken hat die Firma bisher nicht – das ist aber geplant. Denn grundsätzlich sind FFP-2-Masken und auch die OP-Masken Medizinprodukte, das heißt, sie müssen zertifiziert werden. Wer kein Zertifikat hat, darf seine Erzeugnisse eigentlich nicht als “Schutzkleidung" anpreisen.

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Es gibt in Deutschland derzeit drei Labore, die spezielle Schutzmasken im Schnellverfahren zertifizieren. Das ersetzt die eigentlich sonst nötig CE-Kennzeichnung. Der Andrang nach Prüfberichten ist sehr groß. “Unsere Mitarbeiter bekommen jeden Tag hundert Anrufe”, sagt ein Sprecher der Prüfgesellschaft Dekra, die eines der Labore betreibt. Wenn die Maskenmuster im Labor ankommen, dauere es in der Regel vier Tage, bis der Prüfbericht fertig sei. Zertifiziert werden im Dekra-Labor Masken, die FFP-2 oder einem noch höherem Schutz entsprechen. Eine solche Produktprüfung, die einen Betrag im fünfstelligen Bereich kosten kann, rechnet sich jedoch erst ab einer gewissen Produktionsmenge.

Masken im Discounter

Reicht das alles, um Deutschland mit genügend Masken zu versorgen? Vielleicht nicht von heute auf morgen, sagt Experte Schmelzeisen, grundsätzlich sei es aber schon möglich, den Bedarf an Masken in Deutschland zu decken. Auch Jens Spahn geht davon aus, dass die Produktion ab August den Bedarf im Gesundheitswesen decken kann.

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Die Frage, die sich Firmen dabei jedoch stellen müssen ist: Wie nachhaltig ist die Produktion von Masken für sie? Lohnt es sich, etwa in neue Maschinen zu investieren? Oder wird der Markt bald wieder von der billigen Produkten aus Asien überschwemmt? “Ich empfehle jeder Firma, sich das ganz genau anzuschauen”, sagt Schmelzeisen, “denn auch in China oder Korea werden die Kapazitäten wieder erhöht.”

Masken werde es bald wie andere Produkte im Discounter zu kaufen geben, glaubt Schmelzeisen. Dort hätten die Fabrikate aus Deutschland aber nur eine Chance, wenn Kunden wert auf regionale Produkte legen. Eine andere Möglichkeit, wie die Maskenproduktion in Deutschland nachhaltig funktionieren könnte, wäre ein Fokus auf neue Produkte, Weiterentwicklung von Stoffen, sagt Schmelzeisen. Quasi Qualität statt Quantität. “Hier ist die deutsche Textilindustrie eigentlich sehr stark.”

Nicht jedes Unternehmen, dass jetzt umgesattelt hat, wird bei der Maskenproduktion bleiben. Manche hält es derzeit einfach bloß über Wasser. Uwe Schmidt jedenfalls freut sich schon darauf, wenn er sich wieder auf Unterwäsche konzentrieren kann.




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