Lückenhaftes Gesetz gegen Steuerflucht: Landesregierungen fordern Nachbesserungen
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Die britische Kanalinsel Jersey ist weltweit als Steueroase bekannt.
© Quelle: Nick Fewings/Unsplash.com
Viele reden vom Kampf gegen Steuerflucht. Doch eine aktuelle Studie zeigt, dass gerade in den reichen Industriestaaten viel Unzulängliches unternommen wird. Das gilt auch für die Bundesregierung. Ein Gesetzentwurf, der das Verschieben von Gewinnen ins Ausland unterbinden soll, wurde entschärft. Nun fordern Landesregierungen Nachbesserungen.
Steueroasen auch in Europa
Nach Recherchen der Organisation Tax Justice Network (TJN) gehen den Regierungen weltweit im Jahr 245 Milliarden Dollar an Unternehmenssteuern verloren, weil Geld in Steueroasen verschoben wird. Knapp 40 Prozent des „Missbrauchs“ geschehe in Ländern, die zum Industriestaaten-Club OECD gehören, obwohl sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bemüht, Steuerflucht zu bekämpfen. Doch in den Nationalstaaten mangele es an strikten Regelwerken. So führt das TJN unter anderem die EU-Staaten Niederlande und Luxemburg in der Liste der großen Steueroasen.
Auch die deutsche Bundesregierung diskutiert seit vielen Monaten über eine Änderung der Bestimmungen gegen unzulässige Steuervermeidung. Hintergrund ist die Umsetzung von Vorgaben der EU in nationales Recht. Von großer Bedeutung sind hierbei firmeninterne Kredite, die von Unternehmen genutzt werden, um in Deutschland erwirtschaftete Gewinne in Staaten mit geringeren Steuersätzen zu verlagern.
Die Praktiken sind laut Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, besonders bei hiesigen Immobilienfirmen verbreitet, zu denen Schwesterunternehmen gehören, die ihren Sitz unter anderem in Luxemburg haben. Die ausländische Gesellschaft gibt der deutschen Firma ein Darlehen zu überhöhten Zinssätzen. Diese Zahlungen mindern hierzulande den zu versteuernden Profit. Die Zinszahlungen fließen zugleich in ein Land, wo extrem niedrige Sätze gelten. Firmeninterne Kredite seien „das beliebteste Mittel, um Gewinne in Steueroasen zu verschieben“, sagte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Im geltenden Außensteuergesetz gibt es zwar Reglementierungen für firmeninterne Kredite. Sie lassen aber Schlupflöcher offen. Bereits Ende 2019 hatte das von Olaf Scholz (SPD) geführte Finanzministerium einen ersten Vorschlag für neue Regeln vorgelegt, um die Mängel zu beseitigen. Nach Informationen des RND gab es aber vor allem aus den Reihen der Union Widerstand. Der Entwurf wurde mehrmals umgearbeitet. Vor wenigen Wochen beschloss das Kabinett dann eine deutlich entschärfte Version.
Für Giegold ist der Fall klar: „Endlich wollte die große Koalition gegen die Gewinnverschiebung in Steueroasen vorgehen, und dann bremst die CDU sie prompt aus“, sagte er dem RND. Schon mehr als ein Jahr lang gehe die Verlagerung von Gewinnen deshalb ungestört weiter. „Die CDU hält wieder einmal zuverlässig ihre schützende Hand über schmutziges Geld“, sagte Giegold.
Bundesrat fordert Nachbesserung
Hinter den Kulissen wird seit Wochen heftig diskutiert. Nun intervenieren mehrere Landesregierungen. Eine Mehrheit des Bundesrats sprach sich jüngst für strengere Regeln aus und fordert Ergänzungen des Außensteuergesetzes. In der Beschlussvorlage wird darauf verwiesen, dass es unter anderem aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Handlungsbedarf gebe: Es entspreche nicht dem Unionsrecht, wenn „Steuerpflichtige sich unberechtigt durch steuerlich motivierte Zwischenschaltungen ausländischer Gesellschaften steuerliche Vorteile“ verschafften. Die Bundesratsmehrheit hat sich nun dafür ausgesprochen, im Wesentlichen die ursprünglichen Vorschläge des Finanzministeriums wieder in das Gesetz aufzunehmen. Konkret geht es darum, dass eine multinational tätige Unternehmensgruppe bei der Vergabe von internen Krediten nachweisen muss, dass ihre deutsche Gesellschaft, „die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet“. Zudem dürfe der zu entrichtende Zinssatz nicht über dem Niveau liegen, mit dem sich die Gruppe „gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte“ – dies soll überhöhte Zinsen vermeiden.
Die CDU/CSU sollte ihre Blockadehaltung bei Maßnahmen gegen Steuervermeidung aufgeben.
Christoph Trautvetter,
Netzwerk Steuergerechtigkeit
Die Bundesregierung kann nun eine Gegenäußerung zum Bundesratsbeschluss formulieren. Danach kommt das Thema in den Bundestag. Trautvetter macht sich unterdessen dafür stark, dass das Parlament den Vorschlag des Bundesrats aufgreift. Und: „Die CDU/CSU sollte ihre Blockadehaltung bei Maßnahmen gegen Steuervermeidung aufgeben.“ Ein Sprecher der Unionsfraktion teilte auf Anfrage des RND lediglich mit: „Es handelt sich um einen Regierungsentwurf der Bundesregierung, der nun im Bundesrat in der ersten Lesung beraten wurde. Der Bundestag hat sich damit noch gar nicht befasst.“
Die erste Lesung ist im Parlament für den 26. März geplant. Gibt es keinen Konsens, könnte das Thema im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat landen.