Flüssiges Erdgas: Habeck macht Lieferungen für die geplanten Terminals klar
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Robert Habeck unterschreibt eine Absichtserklärung für eine übergangsweise Bereitstellung von Flüssiggas (LNG).
© Quelle: Britta Pedersen/dpa
Frankfurt am Main. Fünf Unterschriften: Damit haben Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und vier Gasunternehmen am Dienstag einen weiteren Schritt getan, der die Versorgung mit dem Brenn- und Rohstoff im nächsten Winter sichern soll. Und zwar mittels verflüssigtem Methan (LNG). Umweltschützer warnen aber vor überdimensionierten Planungen. Zugleich wird deutlich, dass das mit dem LNG eine teure Angelegenheit wird, die Preise für Erdgas sind am Dienstag auf neue Höchstwerte geklettert.
Habeck und Manager und Managerinnen von vier Gasunternehmen (Uniper, RWE, EnBW und deren Tochter VNG) unterzeichneten eine Absichtserklärung des Inhalts, dass genug LNG bis zum März 2024 herbeigeschafft wird, um zwei geplante Anlandestellen in Wilhelmshaven und Brunsbüttel voll auszulasten.
Habeck sagte, es gehe darum, dass Deutschland unabhängiger von Gaslieferungen aus Russland und damit weniger erpressbar werde. Die LNG-Terminals sollen zum Jahreswechsel 2022/2023 in Betrieb gehen. Es handelt sich um Schiffe, die festinstalliert werden und das verflüssigte Erdgas von anderen Schiffen abpumpen, um es wieder in den gasförmigen Zustand zurückzuführen und ins Netz einzuspeisen.
Habeck sieht Fortschritte bei der Absicherung der Versorgung
Die beiden Anlagen können etwa 20 Prozent des gesamten deutschen Gasbedarfs decken. Hierzulande gibt es im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern bislang keine LNG-Terminals, weil Politiker und Manager sich ganz auf billigeres Pipelinegas verlassen haben, das bis zum Ukraine-Krieg vor allem aus Russland kam.
Habeck betonte, dass die vier Unternehmen Lieferverträge mit Gasproduzenten aus 20 Ländern abgeschlossen hätten mit einem Volumen, das bis zum Zehnfachen die Kapazität der Pipeline Nord Stream 1 übersteige. Diese Rohre sind noch immer eine extrem wichtige Gasversorgungsleitung für Deutschland. Nach dem aktuellen Lagebericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) wird derzeit aber nur 20 Prozent der maximal möglichen Menge gen Westen gepumpt.
Dennoch sagte der Minister zu den Perspektiven für den Winter: „Ich sehe Fortschritte.“ Er fügte aber sogleich hinzu, dass man mit weiteren Herausforderungen rechnen müsse, vor allem wegen des erratischen Verhaltens von Russlands Staatschef Putin. „Es gibt kein garantiertes Szenario.“
Zu den Fortschritten zählt, dass der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung in den vergangenen Wochen heruntergefahren wurde. Zugleich gelingt es, die unterirdischen Gasspeicher schneller als geplant zu füllen. Laut BNetzA-Lagebericht von Dienstag waren es knapp 77 Prozent. Der Wert liegt bereits um 2 Prozentpunkte über dem für Anfang September angepeilten Wert. Anfang November sollen es sogar 95 Prozent sein, womit Deutschland für zweieinhalb Monate über die Runden käme. Der Verbrauch des Methans lag nach aktuellen Berechnungen des Energiedachverbandes BDEW im ersten Halbjahr um knapp 15 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum, was mit hohen Temperaturen, aber auch hohen Preisen und der abgekühlten Konjunktur zu tun hat. Im Juni wurde sogar fast ein Viertel weniger verbraucht.
Niedrigwasser lässt Gasbedarf steigen
Im Juli fiel die Einsparung zum Vorjahr aber nur noch geringfügig aus. Dabei dürften die niedrigen Regelstände vieler Flüsse eine Rolle spielen. Das macht es nämlich schwerer, Kohle und Diesel per Binnenschiff zu transportieren, weshalb Unternehmen nun doch wieder verstärkt auf Erdgas als Brennstoff zurückgreifen müssen. Die Folge: Der Preis für die im europäischen Großhandel maßgebliche Sorte Dutch TTF hat am Dienstag neue Höchstwerte erklommen. Für die Lieferung im ersten Quartal 2023 wurden 250 Euro pro Kilowattstunde verlangt. Neunmal mehr als vor einem Jahr. Was zeigt, dass auch das versprochene LNG, das nach dem Jahreswechsel kommen soll, extrem teuer sein wird. Habeck betonte, dass der Preis auch für das verflüssigte Erdgas dann vom Marktgeschehen bestimmt werde.
Und unter Marktakteuren kursiert das Szenario, dass der russische Staatskonzern Gazprom die Lieferungen komplett einstellen könnte. Kommt es so weit, dann wird es eng, zumal es kurzfristig immer schwieriger wird, Ersatz zu bekommen. Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Store hatte am Montag eingeräumt, dass sein Land – der inzwischen wichtigste Gaslieferant – nicht noch mehr pumpen könne. Zudem kommt das Methan derzeit über Pipelines aus den Niederlanden und Belgien ins Land, die an der Auslastungsgrenze sind.
LNG-Terminals: Habeck legt Grundstein für Flüssiggas
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat zum Baubeginn das LNG-Terminal in Wilhelmshaven besucht.
© Quelle: Reuters
Diese komplizierte Gemengelage zeigt auch, wie schwer es ist zu taxieren, wie viel LNG Deutschland wirklich braucht. Umweltverbände warnen seit Monaten vor Überkapazitäten. Alle voran die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie geht gegen eine geplante Pipeline vom Brunsbütteler Terminal vor und klagt gegen den vorzeitigen Baubeginn in Wilhelmshaven. Jüngst teilte die DUH mit, dass aus den Planungsakten nicht klar hervorgehe, ob das Projekt „nur krisenbedingte Engpässe verhindern soll oder ob die Infrastruktur für Jahrzehnte zu einer neuen Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen führen wird“. Die DUH befürchtet, dass der Klimaschutz ausgebremst werden könnte.
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