Wie Diandra Donecker vom Auktionshaus Grisebach eine Männerbranche aufmischt
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Diandra Donecker, Geschäftsführerin vom Auktionshaus Grisebach.
© Quelle: Grisebach/Markus Jans
Berlin. Wer der unprätentiösen Frau mit imposanten 1,81 Metern Körpergröße gegenübersteht, kann sich die beschriebene Szene gut vorstellen. Ein Geschäftsmann aus der Kunstszene betritt ihr Büro, weil er die ihm noch unbekannte Geschäftsführung des Auktionshauses Grisebach in Berlin sprechen will. Die junge Frau bittet er, ihrer Chefin zu sagen, dass der Besuch jetzt da ist. Er spricht aber bereits mit der Geschäftsführerin des Hauses. „Von außen gab es immer wieder mal einen Spruch oder man hielt mich für meine Sekretärin, in der Erwartung, dass das eine seniorige Person sei, die das Unternehmen leitet“, erinnert sich Diandra Donecker. Wenige Jahre ist die Episode alt. 2019 wurde die heute 34-Jährige Chefin des Auktionshauses in der gleichnamigen Villa nahe des Kurfürstendamms.
Der klassische Kunsthandel ist auch international noch relativ männlich besetzt, wenn auch im Wandel begriffen.
Diandra Donecker,
Geschäftsführerin vom Auktionshaus Grisebach
In der Branche ist das alles andere als eine Selbstverständlichkeit. „Der klassische Kunsthandel ist auch international noch relativ männlich besetzt, wenn auch im Wandel begriffen“, sagt die gebürtige Frankfurterin. Grisebach sei nicht nur in der Führungsetage weiblich. Fast alle Abteilungen des Hauses vom 19. Jahrhundert bis zu den Zeitgenossen würden von Frauen geleitet. Männerlastig ist indessen historisch bedingt das Kunstangebot von Deutschlands zweitgrößtem Auktionstempel.
Frauen im Kunsthandel unterrepräsentiert
„Im Kunstmarkt und in der Kunstproduktion hat die Frau lange leider keine Rolle gespielt. Erst ab den 1920er-Jahren gab es mehr Frauen, die Künstlerin sein konnten und durften“, erklärt die Kunsthistorikerin. Als Auktionshaus könne man das Angebot nicht genderneutral machen oder dirigieren. „Wir auf dem Sekundärmarkt bilden die Nachfragelage ab und sind keine Marktmacher, anders als etwa die Galerien im sogenannten Primärmarkt“, sagt Donecker. Dann erläutert sie, wie ein Auktionshaus zur angebotenen Kunst kommt.
Quelle seien die drei Ds aus dem Englischen. Das sind Death (Tod), Debt (Schulden) und Divorce (Scheidung). Wer Kunst zur Auktion einliefert, wolle meist an Liquidität kommen. Oder man wisse als Auktionshaus über gewachsene Beziehungen von verborgen schlummernden Werken und spreche Besitzer im richtigen Augenblick darauf an.
Wie sich die Corona-Pandemie auf Auktionshäuser auswirkte
Grisebach profitiert auch vom eigenen Ruf. Zum Beispiel gilt das Haus als Marktführer beim Deutschen Expressionismus. Die Berliner halten auch den Verkaufsrekord für das teuerste je bei einer deutschen Auktion versteigerte Kunstwerk. Bis 2018 war das „Die Ägypterin“ von Max Beckmann für 5,5 Millionen Euro. Der wurde jetzt vom „Selbstbildnis gelb-rosa“ des gleichen Künstlers übertroffen. Für 23,2 Millionen Euro hat Grisebach das Gemälde soeben versteigert. „Mit diesem Ergebnis setzt Grisebach für den deutschen Kunsthandel eine internationale Marke und hat Berlin wieder zum Schauplatz mit Auktionsergebnissen auf Weltniveau gemacht“, jubelte Grisebach-Gründer Bernd Schultz. Insgesamt 43 Millionen Euro brachten alle drei Winterauktionen und damit 73 Millionen Euro Jahresumsatz. Für das Haus ist 2022 damit das erfolgreichste Geschäftsjahr aller Zeiten.
Kunsthändlerin und Markt
Diandra Donecker wurde 1988 in Frankfurt am Main als Tochter einer Kunsthistorikerin und eines Fotograf geboren. 2017 übernahm die Hessin bei Grisebach die Leitung der Fotografieabteilung, zwei Jahre später die Geschäftsführung. Anfang 2023 wird der Generationenwechsel dort komplettiert. Gemeinsam mit Daniel von Schacky (46), dem Stiefsohn von Grisebach-Gründer Bernd Schultz, wird sie dann ein Führungsduo bilden. Zusammen haben sie auch die Mehrheit am Auktionshaus übernommen. Der deutsche Kunstmarkt als Ganzer ist im internationalen Vergleich zweitrangig. Er kommt bei Auktionssummen auf etwa zwei Prozent Weltmarktanteil. Im globalen Maßstab dominieren die USA und China, gefolgt von Großbritannien. In Deutschland sind relativ wenige bereit, Kunst für hohe Summen zu kaufen. Das teuerste je versteigerte Werk kam durch Christie's in New York für 450 Millionen Dollar unter den Hammer. Es war das Gemälde Salvator Mundi von Leonardo da Vinci.
Die zurückliegenden Pandemiejahre seien für Auktionshäuser allgemein sehr erfolgreich gewesen, verrät Donecker. „Wer in der Krise in Bedrängnis kam, hat gerne verkauft, und alle, die kaufen konnten, sind ebenso gern in die Anlage Kunst geflohen oder aus dem Gefühl, dass man im öffentlichen Raum nur noch wenig erleben konnte“, beschreibt sie die Lage. Die Preise seien dabei extrem nach oben gegangen. So habe Christie‘s binnen einer Auktionswoche rund eine Milliarde Dollar gemacht.
Kunst als Geldanlage
Kunst sei aber für alle, dafür brauche man kein großes Geld, betont die aus einer kunstaffinen Familie stammende Frau. „Es gibt tolle Plakate für wenige Euro, auf Flohmärkten kann man Entdeckungen machen oder bei den Jahresgaben von Kunstvereinen günstige zeitgenössische Kunst erstehen“, erklärt sie. Kunst als Anlagewert beginne bei einem Budget von etwa 10.000 bis 30.000 Euro. Die Blue Chips unter Kunstwerken von bekannten Künstlern wie Beckmann seien auch sehr krisensicher.
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„Davon abgesehen hat niemand die Glaskugel, Renditeversprechen zu machen wäre höchst unseriös“, räumt die Expertin ein und wird dann emotional. „Jede Anlage sollte auch mit einem Blick aus dem Herzen kommen. Man fährt gegen die Wand, wenn man nur auf mögliche Wertsteigerungen schaut“, sagt sie mit Sendungsbewusstsein.
Onlineauktionen und Podcast: Grisebach geht digitale Wege
Das hat Donecker auch auf anderer Ebene. Bis vor drei Jahren hätten sich Kunden stets persönlich im Auktionssaal eingefunden. „Mittlerweile machen wir parallel zu den zwei großen Liveauktionen im Sommer und Winter jeden Monat ein bis zwei Onlineauktionen“, sagt sie. Digitalisierung bringe neue Kunden, die in Hongkong, in Amerika oder im europäischen Ausland sitzen und physisch nie nach Berlin kommen würden.
Onlineauktionen habe sie schon vor der Pandemie geplant. Grisebach veranstalte auch Ausstellungen, Lesungen und Diskussionen außerhalb von Auktionen. „Zudem sind wir das einzige Auktionshaus weltweit, das einen eigenen Podcast hat“, sagt dessen Chefin. So will die 34-Jährige auch die jüngere Generation über das Hörerlebnis ansprechen.