Warnung vor „Beitragstsunami“: Krankenkassen erhöhen Zusatzbeitrag – jeder Vierte zahlt jetzt mehr
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Viele AOK-Krankenkassen erhöhen zum 1. Januar 2022 den Zusatzbeitrag.
© Quelle: imago images/Manfred Segerer
Berlin. Von den gesetzlichen Krankenversicherungen hat etwa jede fünfte zum Jahreswechsel ihren Beitragssatz angehoben. Mindestes 18 der 97 gesetzlichen Kassen haben den Zusatzbeitrag erhöht, wie aus der veröffentlichten Beitragsliste des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen (GKV) hervorgeht. Darunter sind neun der insgesamt elf Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK).
Betroffen sind mehr als ein Viertel der 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Die Mehrheit der Krankenkassen halten den Beitrag konstant, neun senken den Zusatzbeitrag sogar. Davon profitiert allerdings nur etwa eine halbe Millionen Kassenmitglieder. Es handelt sich dabei um sehr viel kleinere Betriebskrankenkassen.
Warnung vor „Beitrags-Tsunami“
Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, sagte der „Welt am Sonntag“: „Wenn die Politik nicht aktiv gegensteuert, wird es 2023 einen Beitragstsunami geben.“ Es brauche dringend einen „schonungslosen Kassensturz für die Finanzen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bis zum Jahr 2025“. Dies sei eine vordringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung.
„Die finanzielle Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung GKV hat sich zuletzt verdüstert“, sagte die neue Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. Drohende Milliardenlöcher 2021 und 2022 hätten nur durch staatliche Sonderzuschüsse und den Rückgriff auf Kassenreserven gestopft werden können. Zudem gehe ein neuer Verteilungsschlüssel der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds massiv zu Lasten der AOK. Das alles habe Anpassungen notwendig gemacht. „Auch für das Jahr 2023 zeichnen sich schon wieder GKV-Defizite in ähnlicher Größenordnung ab“, so Reimann.
Der Bundestag hatte erst im November eine zusätzliche Milliardenhilfe für die gesetzlichen Krankenversicherungen bewilligt. Das Parlament beschloss für 2022 einen Bundeszuschuss von insgesamt 28,5 Milliarden Euro - und damit noch einmal sieben Milliarden Euro mehr als eigentlich vorgesehen. Hintergrund waren vor allem Zusatzausgaben und Einnahmeausfälle durch die Corona-Pandemie.
Welche Krankenkassen den Beitrag erhöhen
Neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent können die Krankenkassen einen selbstgewählten Zusatzbeitrag verlangen. Laut des Vergleichsportals Check24 liegt dieser Beitrag 2022 bei 1,3 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte höher als im vergangen Jahr.
Folgende Krankenkassen haben den Zusatzbeitrag zum 01.01.2022 erhöht:
Krankenkasse | Alter Zusatzbeitrag | Neuer Zusatzbeitrag |
---|---|---|
AOK Baden-Württemberg | 1,10% | 1,30% |
AOK Bayern | 1,10% | 1,30% |
AOK Bremen/Bremerhaven | 1,30% | 1,60% |
AOK Hessen | 1,30% | 1,50% |
AOK Nordost | 1,50% | 1,70% |
AOK Nordwest | 1,30% | 1,70% |
AOK Rheinland/Hamburg | 1,10% | 1,60% |
AOK Rheinland-Pfalz/Saarland | 0,90% | 1,30% |
AOK Sachsen-Anhalt | 0,60% | 0,80% |
Betriebskrankenkasse | 1,26% | 1,48% |
BKK B. Braun Aesculap | 1,30% | 1,50% |
BKK BPW Bergische Achsen KG | 1,10% | 1,60% |
BKK exklusiv | 0,99% | 1,29% |
BKK public | 1,10% | 1,30% |
BKK Scheufelen | 0,90% | 1,10% |
BKK Würth | 0,20% | 0,90% |
Handelskrankenkasse (hkk) | 0,39% | 0,69% |
TUI BKK | 1,25% | 1,35% |
Als besonders teuer gelten Krankenkassen, deren Beitrag insgesamt bei mehr als 16 Prozent liegt. Derzeit betrifft das 35 Kassen und damit fünf mehr als im Vorjahr.
Die teuerste Krankenkasse ist laut GKV-Kassentabelle die BKK24 mit einem Zusatzbeitrag von 2,5 Prozent. Der Gesamtbeitrag beläuft sich also auf 17,1 Prozent. Die niedrigsten Beiträge zahlen BMW-Mitabrbeiter, die bei der BMW BKK versichert sind. Hier liegt der Zusatzbeitrag bei 0,3 Prozent. Insgesamt beträgt der Krankenkassenbeitrag also 14,9 Prozent. Die BMW BKK ist eine von zwei Krankenkassen, deren Gesamtbeitrag unter 15 Prozent liegt. Mit 14,95 Prozent (also 0,35 Prozent Zusatzbeitrag) ist die BKK Euregio für Versicherte in Hamburg und Nordrhein-Westfalen die zweite Krankenkassen unterhalb dieser Marke.
Verbraucherschütze warnen jedoch davor, die Krankenkasse allein nach der Beitragshöhe auszuwählen. Denn die Kassen übernehmen unterschiedliche Kosten und Zusatzleistungen. Manche zahlen zum Beispiel Reiseschutzimpfungen, eine professionelle Zahnreinigung und homöopathische Behandlungen, andere dagegen nicht.
RND/dpa/scs