Verdi und Stadtwerke kritisieren Kohleausstieg und fordern Entschädigung

Deutschland soll bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Braun- und Steinkohle aussteigen.

Deutschland soll bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Braun- und Steinkohle aussteigen.

Stadtwerke und Gewerkschafter haben massive Kritik am geplanten Kohleausstieg formuliert. „Aus unserer Sicht besteht erhebliches Nachbesserungspotenzial“, sagte Michael Ebling, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Wir brauchen für die gesamte Zeit des Ausstiegs angemessene Entschädigungszahlungen für die Schließung von Kraftwerken, um den sozialverträglichen Ausstieg zu organisieren“, betonte Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

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Ende Januar legte die Bundesregierung ihr Konzept für den Kohleausstieg vor. 2038 soll das letzte Braunkohlekraftwerk geschlossen werden. Mit der Verstromung von Steinkohle soll es spätestens schon etwa fünf Jahre früher ein Ende haben. Für die Braunkohle sind fixe Entschädigungen von 4,35 Milliarden Euro vorgesehen. Bei der Steinkohle sollen die Abschaltungen von 2020 bis Ende 2026 über Ausschreibungen organisiert werden: Wer die niedrigsten Gebote einreicht, kommt zum Zuge, wobei die Maximalwerte Jahr für Jahr sinken.

Ab 2027 will die Bundesregierung Stilllegungen per Ordnungsrecht und ohne Entschädigungen durchsetzen. Dies kann auf 2024 vorgezogen werden, wenn es nicht genug Bewerber für die Prämien gibt. Für Montag, 25. Mai, plant der Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Kohleausstiegsgesetz.

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Kommunale Unternehmen spüren Kostendruck durch Kohleausstieg

Wir sehen entschädigungsfreie Stilllegungen kritisch.

Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi

Der gesamte Mechanismus ist umstritten. Es gehe für einige kommunale Unternehmen, die in Steinkohlekraftwerke investiert haben, „an die wirtschaftlichen Grundlagen“, sagte Ebling – im VKU haben vor allem Stadtwerke organisiert. „Wir sehen entschädigungsfreie Stilllegungen kritisch“, sagte Werneke dem RND. Denn ohne solche Zahlungen bestehe die Gefahr, „dass Kostendruck an die Beschäftigten“ weitergegeben werde. Auch Ebling fordert: „Keine Stilllegung von Steinkohlekraftwerken ohne angemessene Entschädigung.“

Ebling, der auch Oberbürgermeister in Mainz und SPD-Mitglied ist, erinnert daran, dass im Kontext des Atomausstiegs zahlreiche Stadtwerke auf Anraten der Politik in hochmoderne Steinkohlekraftwerke investierten. Bei einem Abschalten ohne staatliche Zahlungen könnten Anlagen, die noch mit mehreren Hundert Millionen Euro in den Büchern stehen, enteignet werden. Viele Kraftwerke sind erst nach 2010 ans Netz gegangen. Laufzeiten von mehr als 40 Jahren waren früher üblich. Für den VKU-Präsidenten ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, warum der Ausstieg mit den effizienten und modernen Steinkohlekraftwerken vorgezogen und der Ausstieg aus der „CO2-intensiven Braunkohleverstromung“ nach hinten verschoben wurde.

11.000 Arbeitsplätze hängen an Steinkohle-Kraftwerken

An den hiesigen Steinkohlekraftwerken kommunaler Unternehmen hängen nach übereinstimmenden Angaben von VKU und Verdi direkt und indirekt beschäftigt bundesweit die Arbeitsplätze rund 11.000 Frauen und Männern. Die Absicherung der Arbeitnehmer sei mit dem vorliegenden Ausstiegskonzept noch nicht abgeschlossen, erklärte Werneke. So stelle sich die Frage, wie für die Beschäftigten eine Perspektive geschaffen werden könne, wenn unklar sei, wann ein Kraftwerk vom Netz geht. Wichtig sei deshalb, dass nur die Anlagen an den Ausschreibungen teilnehmen dürfen, für die bereits ein Sozialsicherungstarifvertrag abgeschlossen sei. Bestandteile sollen unter anderem sein: Ein sogenanntes Anpassungsgeld für ältere Beschäftigte, um den Übergang in die Rente zu ermöglichen. Für Jüngere spielen Fortbildung und Qualifikation eine wichtige Rolle.

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Potenzielle neue Tätigkeitsbereiche können vor allem von Stadtwerken betriebene Anlagen sein, die mittels Erdgas sowohl Strom als auch Wärme (KWK) erzeugen. Um den Betreibern von KWK-Kapazitäten, die derzeit noch Kohle verfeuern, den Umstieg auf den flüchtigen und umweltfreundlicheren Brennstoff schmackhaft zu machen, will der Bund einen „Kohleersatzbonus“ zahlen. Geplant sind 180 Euro je Kilowatt Leistung. Werneke und Ebling fordern unisono eine höhere Prämie. Der bislang geplante Bonus reiche nicht aus, um kurzfristig den Umbau in Gas-KWK anzureizen und die Wärmeversorgung aufrechtzuerhalten, so Werneke. Es gelte, den klimafreundlichen Umbau voranzutreiben und die „Menschen vor Ort von Arbeit in Arbeit“ zu bringen. Früheren Angaben zufolge macht sich der VKU dafür stark, den Bonus auf 450 Euro zu erhöhen.

Ebling betont: Gerade jetzt komme es darauf an, „die notwendigen Konjunkturimpulse nach Corona mit einer Modernisierung unserer Energieversorgung zu verbinden“. Insbesondere Stadtwerke könnten eine Triebfeder für die nun dringend notwendige Wertschöpfung vor Ort werden. Die Bundesregierung will den Kohleausstieg noch im Sommer besiegeln. Die Umsetzung soll noch in diesem Jahr angegangen werden. Doch Gerichte könnten das Vorhaben stoppen. So hat die Steag - einer der größten Stromerzeuger hierzulande, der sechs kommunalen Unternehmen aus dem Ruhrgebiet gehört - bereits mit einer Klage gedroht, falls die Konditionen für Steinkohlekraftwerke nicht verbessert werden.

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