Vorbild Kohlekommission: Stadtwerke wollen konzertierte Aktion für Ökostromausbau
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Ein Windpark auf der Schwäbischen Alb.
© Quelle: imago images/Arnulf Hettrich
Frankfurt. Beim Klimaschutz ist der Moment gekommen, da das Motto gilt: Seien wir mal ehrlich. Das zentrale Projekt hierzulande ist ein massiv beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien (EE). Das kann aus Sicht des Stadtwerke-Verbandes VKU nur gestemmt werden, wenn alle an einem Strang ziehen. Vorbild soll die Kohlekommission sein. Die Kommission hatte einst den Kohleausstieg auf den Weg gebracht.
„Wer aussteigen will, muss aber auch einsteigen“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er betont: „Wir müssen daher alle politischen gesellschaftlichen Akteure schleunigst an den Tisch bringen, um den Weg für einen schnelleren EE-Ausbau freizumachen. Wir brauchen eine konzertierte Aktion von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Ich kann mir hier die Einrichtung einer Kommission vorstellen, ähnlich der Kohlekommission, die zügig Vorschläge vorlegt.“
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© Quelle: RND
Es gilt, ein ziemlich dickes Brett zu bohren. Der Anteil der Erneuerbaren am Strommix soll bis 2030 von derzeit unter 50 Prozent auf 65 Prozent steigen. Experten haben in mehreren Studien zugleich darauf hingewiesen, dass die Stromerzeugung insgesamt erheblich gesteigert werden muss. Wegen mehr Elektroautos, mehr Wärmepumpen zum Heizen und wegen eines steigenden Bedarfs an grünen Wasserstoff, der mit Wind- und Sonnenstrom gewonnen wird.
Hinzu kommt, dass elektrische Energie aus Atomkraftwerken Ende 2022 wegfallen soll und die Ampelkoalitionäre in spe den Kohleausstieg auf 2030 (ursprünglich 2038) vorziehen wollen.
Dass die Koalitionsverhandlungen in dieser Frage noch nicht am Ziel sind, hat Grünen-Chef Robert Habeck erst am Mittwoch im Deutschlandfunk angedeutet, als er eine lange Liste mit aus seiner Sicht unverzichtbaren Maßnahmen präsentierte.
Es müssten Erneuerbare und Stromnetze massiv ausgebaut werden, Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen und mehr Solaranlagen auf den Dächern installiert werden. Außerdem rede man über finanziellen Mittel für die Industrie. Und dann, so der Grünen-Chef, „kommen wir schnell ins kurze Gras“. Übersetzt heißt das so viel wie: Es knirscht noch gewaltigen zwischen den Möchtegernkoalitionären.
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Ausbaugeschwindigkeit muss sich verdreifachen
Der VKU hat indes ein Positionspapier mit 30 Punkten erarbeitet – es liegt dem RND vor. Um die Ziele dennoch zu schaffen, wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen. Von neuen Regularien bei Ausschreibungen für Ökostromproduzenten, über günstigere Konditionen für Solaranlagen auf Dächern bis zur Beschleunigung von Genehmigungen.
Großen Raum aber nimmt die Windenergie an Land (Onshore) ein. Die modernen Mühlen auf Hügeln und Kuppen sind zum Rückgrat der hiesigen Stromversorgung geworden – in diesem Jahr liefern sie bislang fast ein Viertel des gesamten erzeugten Stroms.
Doch der Ausbau der Kapazitäten hat sich im Vergleich zu den besten Jahren extrem verlangsamt. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat hochgerechnet, dass die Geschwindigkeit beim Aufstellen neuer Windräder an Land in den nächsten Jahren in jedem Fall verdreifacht werden muss.
Um neuen Schwung zu erzeugen, wurde ins Sondierungspapier des Ampeltrios geschrieben: „Für die Windkraft an Land sollen 2 Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden.“ Die 2 Prozent seien richtig, sagte Liebing. Er betont zugleich: „Es darf jedoch nicht nur dabei bleiben, Ziele auszurufen. Wir müssen schnell konkrete Maßnahmen zum Erreichen des Ziels festlegen, um dann in den Umsetzungsmodus zu schalten.“
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Jeder sei schnell für den Ausbau der erneuerbaren Energien, wenn es aber konkret werde, bröckle diese Zustimmung. „Deswegen brauchen wir einen neuen gesellschaftlichen Konsens zum EE-Ausbau, der auch die Kritiker miteinschließt.“ In der Ausbaukommission sollen der Bund, die Länder, die Kommunen und Verbände vertreten sein. Ihre Mission: gemeinsam „einen Masterplan als Aufbruchssignal“ entwickeln, heißt es in dem Positionspapier.
Bundesländer haben gebremst
So sind für das Ausweisen von Flächen für die Windmühlen die Bundesländer zuständig. Doch die haben in der Vergangenheit häufig gebremst. Deshalb schlägt der VKU nicht nur vor, größere Rechtssicherheit beim Definieren von geeigneten Flächen zu schaffen – mittels eines bundesweit einheitlichen Kriterienkatalogs für Tabuzonen. Es soll auch keine pauschalen Abstandsregeln zur Wohnbebauung mehr geben. Denn dies führe zu einer „weiteren unnötigen Beschneidung der zur Verfügung stehen Potenziale“.
Besonders restriktiv agiert hier Bayern. Dort gilt die 10H-Regel: Ein neues Windrad soll zur nächsten Siedlung einen Mindestabstand vom Zehnfachen seiner Höhe haben, ansonsten wird es extrem schwer, eine Genehmigung zu bekommen. Ein weiteres Hemmnis für neue Anlagen an Land: der Artenschutz. Das Thema sei „besonders virulent“, erläutert Liebing. Es fehlt an verlässlichen Bewertungsmethoden zum Schutz der Natur.
„Da wurde in den letzten Jahren viel geredet, ohne dass es vorzeigbare Ergebnisse gibt. Das Verschieben des Problems auf den Sankt-Nimmerleinstag können wir uns nicht mehr erlauben“, so der VKU-Hauptgeschäftsführer. Es brauche standardisierte Verfahren, „damit nicht jeder Einzelfall zum Grundsatzfall wird und es jahrelange Auseinandersetzungen braucht. Wir müssen einfach schneller werden.“
Ferner setzt sich der Stadtwerke-Verband dafür ein, Repowering, also das Ersetzen ältere Windräder durch moderne Anlagen am gleichen Standort, künftig konsequent ohne großen Genehmigungsaufwand umzusetzen. Überdies müsse die finanzielle Beteiligung von Kommunen an den Erträgen von Wind- und Solaranlagen auf deren Terrain verbindlich gemacht und vereinheitlicht werden. Unter anderem stärke dies die Akzeptanz der Windenergie vor Ort, heißt es in dem Positionspapier.